Komplexe Projekte, an denen große Teams monatelang arbeiten – die Lieblingsmandate von Wirtschaftskanzleien. Doch kostenbewusste Mandanten und ein Überangebot an Anwälten zwingen die Kanzleien zu mehr Effizienz, sagt Sybille Franzmann-Haag.
LTO: Frau Franzmann-Haag, Sie sagen, dass das Verschwinden der stundenbasierten Honorarmodelle die Kanzleien zu mehr Effizienz und Outsourcing zwingt. Können Sie das genauer erklären?
Sybille Franzmann-Haag: Das Stundenhonorar war auch für Wirtschaftskanzleien über Jahrzehnte die Basis anwaltlichen Arbeitens, hat es doch gerade bei komplexen Mandaten ineffizientes Arbeiten geradezu "honoriert". Große Unternehmen schätzten die Arbeit der sie beratenden Kanzleien und hinterfragten nicht die Arbeitsweise. Und so sahen die Kanzleien keine Notwendigkeit, möglichst kostensparend zu arbeiten.
In den letzten sieben Jahren hat sich der Markt international aber grundlegend gewandelt. Börsennotierte Konzerne, Kreditinstitute und weltweit tätige Unternehmen kaufen zwar nach wie vor in großem Umfang anwaltliche Beratungsleistungen ein. Indes achten sie inzwischen maßgeblich auf den Preis für diese Beratung. Sie vereinbaren feste Honorarsummen oder fixe Tranchen. Und sie tauschen die beratende Kanzlei rigoros aus, wenn diese als zu teuer empfunden wird.
Entsprechend werden komplexe, arbeitsintensive Mandate immer öfter an die Wirtschaftskanzlei vergeben, die sich der Mandantin als günstigste Alternative anbietet. Das gilt im Besonderen für den deutschen Markt. Genauer betrachtet ist somit das, was eine Einkaufsabteilung eines Konzerns über die Beraterkanzlei denkt, maßgeblicher geworden, als was die Rechtsabteilung über sie denkt.
"Der Wettkampf der Wirtschaftskanzleien ist unerbittlich"
LTO: Welche Folgen hat das für die Kanzleien?
Franzmann-Haag: Diese vollkommen veränderte Marktsituation erfordert, dass dieselbe komplexe Beratungsaufgabe von einer Kanzlei sehr viel effizienter und kostengünstiger in der gleichen Zeit gelöst werden muss, wenn die Beratung der Mandantin profitabel bleiben soll. Ein "Nachverhandeln" oder "Nachtarocken" entstandener Anwaltsgebühren, wenn eben doch mehr Stunden anfielen als geplant, erweist sich als ein zunehmend schwieriges, wenn nicht sogar unmögliches Geschäft für die Kanzlei, das die Mandantenbeziehung für die Zukunft kosten kann.
Entsprechend unerbittlich ist der Wettkampf der großen Wirtschaftskanzleien untereinander. Tatsache ist ja, dass innerhalb Deutschlands eine Reihe großer Wirtschaftskanzleien um eine begrenzte Menge solcher Großmandate konkurrieren. Es überrascht daher, dass sich zwar alle führenden Wirtschaftskanzleien in Deutschland mit unterstützenden Technologien für ihre Arbeitsläufe befasst haben, nur sehr wenige bislang aber mit dem Legal Project Management.
"Mandanten kennen die Kosteneinsparungspotenziale genau"
LTO: Wie hat sich die Zusammenarbeit von Mandanten und Anwälten verändert?
Franzmann-Haag: Justitiare, General Counsel und Einkäufer von Rechtsdienstleistungen kennen die Kosteneinsparungspotentiale bei Kanzleien durchaus und erwarten eine Planbarkeit des Vorgehens. Deshalb legen sie mittlerweile nicht nur die genauen Arbeitsschritte im Vorhinein weitgehend fest, sondern auch die Dealstruktur, die Dokumentationserfordernisse und die Teilergebnisse.
Die Kanzlei stellt ihrerseits auf, welcher Input von welchem Anwalt in welcher Zeit hinzugeliefert werden wird. Alle Meilensteine und Ziele der Transaktion werden von vornherein mit geschätzten Stundenaufwänden und mit Einzelbudgets hinterlegt. Der so entstandene Projekt- und Kostenplan dient beiden Seiten der Prüfung der Einhaltung von Mitteln und Fristen.
Effiziente Arbeit ist Gewinnmaximierung
LTO: Das klingt sehr bürokratisch. Wie bemisst sich aber, ob das Mandat für die Kanzleien noch effizient ist?
Franzmann-Haag: Wer effizient arbeiten will, muss wissen, wie lange ein Mandat im Normalfall dauert, welche Projektabschnitte notwendig sind und wie viele Mitarbeiter - Anwälte, Spezialisten und Associates - gebraucht werden. Er muss wissen, wie viele Beratungsstunden in welchem Themenbereich anfallen werden, was diese kosten dürfen und welche Rolle günstiger besetzt werden könnte, wo das aktuelle Projekt steht und inwieweit das geplante interne Budget an Stunden und Kosten schon aufgebraucht ist.
Diese Kernfragen betreffen stets dieselben Faktoren: die Notional Charge out Rate, also das angenommene Stundenhonorar eines beratenden Anwalts zum einen, und zum anderen das, was tatsächlich von der Kanzlei für den Rechtsrat eingenommen wurde, der sogenannte Profit Cost billed sowie die Recovery Rate. Letztere beschreibt prozentual das Verhältnis zwischen dem was faktisch eingenommen wurde gegenüber dem, was hätte eingenommen werden können. Wenn man systematisch den tatsächlichen Gewinn pro Anwaltsstunde ermittelt, so wird deutlich, wie effizient intern auf dem Projekt gearbeitet wird. Der Legal Project Manager als interner Dienstleister ist für diese Effizienz zuständig.
Anja Hall, Legal Project Management: . In: Legal Tribune Online, 25.02.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18563 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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