Der chinesische Konzern Cosco will in ein Terminal im Hamburger Hafen investieren und erhitzt damit nicht nur die politischen Gemüter. Das Vorhaben könnte sich zu einem Präzedenzfall im Außenwirtschaftsrecht entwickeln, meint Jan Nehring-Köppl.
Die Bundesregierung hat den Einstieg der chinesischen Staatsreederei Cosco bei einem Hamburger Containerterminal teilweise freigegeben. Statt der angestrebten 35 Prozent der Anteile werden dem Investor jedoch nur knapp unter 25 Prozent zugestanden. Auch nach dieser Teiluntersagung ist die Kritik an dem Deal nicht verstummt.
Der Fall führt vor Augen, wie das Instrument der Investitionskontrolle mit der politischen Agenda stehen und fallen kann. Mit den Einstiegsplänen von Silex, einer Tochtergesellschaft des chinesischen Konzerns Sai Microelectronics, bei dem Dortmunder Halbleiterhersteller Elmos steht bereits das nächste Investment zur Prüfung an.
Staatlich gesteuerte Übernahmeversuche
China ist seit Jahren dafür bekannt, strategisch in ausländische Technologien und Infrastruktur zu investieren. So wurde im Jahr 2016 bereits die Übernahme des Augsburger Robotik-Pioniers Kuka öffentlich diskutiert. Spätere Übernahmeversuche des Halbleiterherstellers Aixtron, des Werkzeugmaschinenbauers Leifeld oder des Stromnetzbetreibers 50Hertz konnten verhindert werden. Aber auch andere europäische Länder sind das Ziel chinesischer Direktinvestitionen. So ist etwa die Automobilsparte des schwedisches Unternehmens Volvo Teil des Geely-Konzerns, während im südeuropäischen Raum vor allem Seehäfen, Energieversorger und Stromnetzbetreiber an chinesische Staatsunternehmen veräußert wurden.
Dieses Vorgehen basiert vor allem auf zwei staatlich forcierten Plänen: der Industriestrategie Made in China 2025 und der Infrastrukturstrategie Belt and Road Initiative (auch bekannt als die Neue Seidenstraße). Auch Cosco ist in diesem Kontext keine Unbekannte, sondern – gemessen an den Marktanteilen – die viertgrößte Reederei weltweit. Das Staatsunternehmen ist bereits an mehreren europäischen Häfen beteiligt, zum Beispiel in Valencia, Bilbao und Antwerpen sowie als Mehrheitsgesellschafter am Hafen von Piräus. Vor allem dadurch hat sich der griechische Mittelmeerhafen zu einem Brückenkopf für den Export chinesischer Waren nach Europa entwickelt.
Einfluss durch Minderheitsbeteiligung
Als rechtliches Argument für die Cosco-Transaktion in Hamburg wurde immer wieder darauf verwiesen, dass aus dem Erwerb einer Minderheitsbeteiligung an der Betreibergesellschaft keine gesellschaftsrechtliche Kontrolle und entsprechende Einflussnahme resultiere. Dies ist unter anderem dann zutreffend, wenn Cosco keine Vetorechte bei strategischen Geschäfts- und Personalentscheidungen zugebilligt werden. In seiner Teiluntersagung hat das Bundeswirtschaftsministerium eben hierauf Bezug genommen und dem chinesischen Staatsbetrieb die eigenmächtige Benennung von Geschäftsführern oder Personen in operativen Führungspositionen verboten. Mitspracherechte bestehen allerdings trotzdem.
Durch den Erwerb von weniger als 25 Prozent der Stimmrechte wird zudem eine Sperrminorität der Staatsreederei verhindert. Dies begründet sich damit, dass bestimmte gesellschaftsrechtliche Grundlagenentscheidungen wie Satzungsänderungen oft einer Mehrheit von mindestens drei Vierteln der abgegebenen Stimmen bedürfen. Kontrolliert der ausländische Investor weniger als ein Viertel der Stimmrechte, kann er im Regelfall keine grundlegenden Beschlüsse im Unternehmen fassen und blockieren. Das Bundeswirtschaftsministerium hat darüber hinaus in einer Pressemitteilung bekannt gegeben, dass jede weitere Aufstockung der Beteiligung über die 25-Prozentschwelle ein neuerliches Prüfverfahren auslöst. Dennoch stehen Cosco Auskunfts- und Einsichtsrechte, beispielsweise in die Bücher und Schriften der Betreibergesellschaft, zu.
Zudem verbleiben vor allem wirtschaftspolitische Risiken. Im Rahmen der Investition ist zwar damit zu rechnen, dass Cosco den Hamburger Hafen zu einem bevorzugten Anlauf- und Umschlagplatz machen wird. Daraus können positive Synergieeffekte wie gesteigerte Wertschöpfung und Arbeitsplatzsicherung resultieren. Spiegelbildlich steigen aber auch die wirtschaftlichen und politischen Abhängigkeiten. Gerade die Lehren aus der Abhängigkeit von russischem Gas, sollten hier zur Vorsicht mahnen.
Rechtsrahmen der Investitionskontrolle
Mit der außenwirtschaftsrechtlichen Investitionskontrolle wurde für eben solche Fälle ein Instrument geschaffen, das Beeinträchtigungen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit verhindern soll. Nicht zuletzt angesichts steigender Risiken hat der Gesetzgeber diesen Mechanismus in den vergangenen Jahren stetig verschärft. Die Vorschriften zur Investitionskontrolle sind im Außenwirtschaftsgesetz (AWG) und in der Außenwirtschaftsverordnung (AWV) zu finden. Dabei existieren zwei unterschiedliche Kontrollverfahren. Die sektorübergreifende Investitionskontrolle findet branchenunabhängig Anwendung. Die sektorspezifische Investitionskontrolle stellt hingegen einen Spezialfall für die Kontrolle von Investitionen in Rüstungsunternehmen dar.
Die sektorübergreifende Investitionskontrolle kommt vor allem dann zur Anwendung, wenn ein unionsfremder Investor unmittelbar oder mittelbar Stimmrechte an einem deutschen Zielunternehmen erwirbt. Werden mit dem Stimmrechtserwerb bestimmte Schwellenwerte überschritten (z.B. 10, 20 oder 25 Prozent), kann das Bundeswirtschaftsministerium prüfen, ob die Transaktion die öffentliche Ordnung oder Sicherheit voraussichtlich beeinträchtigen wird. Von diesem Prüfrecht wurde im Fall Cosco Gebrauch gemacht.
In diesem Zusammenhang ist vor allem relevant, ob das deutsche Zielunternehmen bestimmten sicherheitsrelevanten Branchen zugeordnet werden kann. Das Gesetz enthält dazu mehrere Fallgruppen aus verschiedenen Sektoren, unter anderem Betreiber kritischer Infrastrukturen. Neben Unternehmen aus dem Bereich der Versorgungssicherheit (z.B. Energieversorgern und Stromnetzbetreibern) zählen hierzu auch Betreiber von Hafeninfrastruktur, so dass auch Containerterminals, wie jenes, an dem sich Cosco beteiligen will, erfasst sein können.
Durch die Verschärfung des Rechtsrahmens zielt die Investitionsprüfung mittlerweile auch auf weitere Branchen und damit bestimmte Unternehmen aus dem Technologiebereich, dem Gesundheitssektor und der Medienbranche ab. Für die im Gesetz aufgeführten Sektoren gilt sogar eine Meldepflicht des Investors, die zur Folge hat, dass eine Transaktion innerhalb einer bestimmten Frist durch das Bundeswirtschaftsministerium freigegeben werden muss. Ergeht innerhalb dieser Frist keine Entscheidung, gilt die Freigabe als erteilt. Dadurch wurde ein Frühwarnsystem geschaffen, das durch die Freigabefiktion zu mehr Rechtssicherheit beiträgt.
Im Rahmen der Investitionsprüfung kann es schließlich noch von Relevanz sein, dass der ausländische Investor von einer drittstaatlichen Regierung kontrolliert wird. Vor dem Hintergrund einer hier offensichtlich drittstaatlichen Kontrolle erklärt sich, warum mehrere Bundesministerien und zahlreiche Marktbeobachter dem Transaktionsvorhaben von Cosco ablehnend gegenüberstanden.
Handlungsmöglichkeiten der Bundesregierung
Kommt das Bundeswirtschaftsministerium zum Ergebnis, dass keine Bedenken hinsichtlich der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit bestehen, bescheinigt es dem Investor entweder die Unbedenklichkeit oder gibt den Erwerb explizit frei. Im Fall Cosco war das Ministerium der Auffassung, dass bei einem Erwerb oberhalb der Schwelle von 25 Prozent aufgrund des Investorenhintergrunds und der strategischen Bedeutung der Hafeninfrastruktur von einer Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit auszugehen ist.
Um die ausländische Investition einzuschränken, besteht in einem solchen Fall die Möglichkeit von Anordnungen oder einem öffentlich-rechtlichen Vertrag. In diesem Kontext kann der Investor verpflichtet werden, Zusicherungen abzugeben, etwa, dass er bestimmte Technologien vertraulich behandelt oder sicherheitsrelevante Unternehmensteile vom Erwerb auszunehmen sind. Eben solche Anordnungen dürfte das Ministerium herangezogen haben, um die Einflussnahme auf strategische Geschäfts- und Personalentscheidungen zu verhindern. Zum anderen kann die Transaktion auch ganz oder teilweise untersagt werden. Von einer solchen Teiluntersagung wurde nun vor allem deshalb Gebrauch gemacht, um eine Sperrminorität der Staatsreederei zu verhindern.
Zahnloser Tiger oder scharfes Schwert?
Aus der Perspektive ausländischer Investoren haben sich die Hürden in den letzten Jahren stetig erhöht. Vor allem die Erweiterung des Instruments der Investitionskontrolle auf zahlreiche Branchen sowie die damit verknüpfte Meldepflicht haben dazu geführt, dass sich die Anzahl der Investitionskontrollverfahren vom Jahr 2020 auf das Jahr 2021 fast verdoppelt hat. Aus rechtlicher Sicht bietet die sektorübergreifende Investitionskontrolle durchaus einen Schutz der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit. Dass sich die Akteure auf der politischen Bühne aber nicht einig sind, welchen Einfluss sie chinesischen Staatskonzernen bei Investitionen in kritische Infrastruktur zubilligen wollen, kann auch ein effektives Rechtsinstrument nicht verhindern.
Abzuwarten bleibt, wie Cosco auf die Teiluntersagung und die Anordnungen reagiert. Bei den Entscheidungen handelt es sich um belastende Verwaltungsakte. Diese unterliegen der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle und können vom Investor angegriffen werden. Das Gericht prüft dann unter anderem, ob die Entscheidungen verhältnismäßig sind. Sollte es zu einer gerichtlichen Klärung kommen, könnte dies einen Präzedenzfall für künftige Transaktionen darstellen.
Dr. Jan Nehring-Köppl ist Rechtsanwalt mit dem Fokus Gesellschaftsrecht, M&A und Außenwirtschaftsrecht in der Kanzlei Menold Bezler in Stuttgart.
Chinesische Beteiligungen an kritischer Infrastruktur: . In: Legal Tribune Online, 04.11.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/50072 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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