Internationale Großkanzleien können mit Twitter, Facebook und Instagram wenig anfangen, zeigt eine am Dienstag veröffentlichte Studie. Positive Ausnahmen sind CMS, Noerr und Rödl & Partner. Diese drei Law Firms führen das Social-Media-Ranking an.
Schon im Vorjahr konstatierte die Studie einer Berliner Marketingagentur, dass hiesigen Großkanzleien zum Thema Social Media nicht viel einfällt. In der Neuauflage in diesem Jahr zeigt sich: Es hat sich wenig verbessert – im Gegenteil. Der Abstand zwischen den Sozietäten, die Social Media gewinnbringend für ihre Zwecke einsetzen, und den Nachzüglern hat sich sogar noch vergrößert.
Die Agentur Gerhard, die auf Beratung zu Digitalstrategien spezialisiert ist, hat analysiert, wie die 20 umsatzstärksten Kanzleien in Deutschland die verschiedenen Social-Media-Kanäle beispielsweise bei der Kundengewinnung und im Recruitment einsetzen. Zudem wurde ermittelt, wie sichtbar die Kanzleien auf Google sind und woher die Besucher auf den Kanzlei-Websites stammen.
CMS, Noerr und Rödl führen das Gesamtranking an
Laut der Studie ist CMS die Kanzlei in Deutschland, die Social Media insgesamt am besten für sich zu nutzen weiß. Auf den Plätzen 2 und 3 folgen Noerr sowie Rödl & Partner. Linklaters belegt den vierten Rang, und der Vorjahressieger Hogan Lovells ist auf Platz 5 abgerutscht. Die Top Ten komplettieren Baker McKenzie, Luther, Allen & Overy, Freshfields Bruckhaus Deringer und Heuking Kühn Lüer Wojtek.
Das Gesamtranking ergibt sich aus verschiedenen Teilrankings: Untersucht wurde die Präsenz der Kanzleien auf LinkedIn und Xing sowie auf Facebook, Twitter, Youtube und Instagram. Zudem wurden die Website, deren Sichtbarkeit auf Google sowie – falls vorhanden – ein Blog in die Analyse einbezogen. Untersuchungszeitraum war zwischen Oktober und November 2017 und im März 2018.
"Auffallend ist, dass sich gegenüber dem Vorjahr der Abstand zwischen den Kanzleien, die auf den verschiedenen Social-Media-Kanälen schon recht aktiv sind, und denjenigen, die wenig bis gar nichts machen, weiter vergrößert hat", sagt Reinhardt Neuhold, Gründer und Geschäftsführer der Agentur Gerhard. Das liegt seiner Ansicht nach daran, dass dort beispielsweise mehr gebloggt oder professioneller getwittert wird - und immer mehr Nutzer darauf aufmerksam werden.
Google wird als Traffic-Quelle wichtiger
Die allermeisten Besucher kommen über Google auf eine Kanzlei-Website, nämlich 70 Prozent. Direkte Seitenaufrufe machen 19 Prozent (Vorjahr 22 Prozent) und Verlinkungen sieben Prozent (Vorjahr Prozent) aus. Seltener als früher gebe jemand direkt den Namen einer Kanzlei in den Browser ein, vielmehr würden Rechtssuchende, etwa jüngere Unternehmensjuristen, ein Rechtsproblem zunächst googeln und über diesen Weg auf die Website der Kanzlei stoßen, sagt Neuhold.
"Die digitale Kanzleimarke verliert an Bedeutung", folgert der Geschäftsführer der Agentur. "Sie gewinnt jedoch, wenn die Kanzlei den gesuchten Inhalt auf ihrer Website liefert. Das machen aber die wenigsten der großen Sozietäten." Einen Blog, auf dem etwa Fachbeiträge veröffentlicht werden, betreiben gerade einmal 30 Prozent aller Top-20-Kanzleien. Die am besten sichtbaren Kanzlei-Blogs haben Rödl, CMS und Hogan Lovells. Die im Netz insgesamt am besten sichtbaren der Top-20-Kanzleien sind Rödl, CMS und Heuking.
Die Zurückhaltung der etablierten Player kann gerade für neu gegründete Kanzleien ein Wettbewerbsvorteil sein. "Wenn sie mit ihrer Kanzleimarke für relevante Themen präsent sind, haben sie es viel leichter als früher, neue Kunden zu gewinnen", so Neuhold.
LinkedIn und Xing holen auf
Wenn schon Social Media, dann LinkedIn und Xing, denken sich die Großkanzleien wohl. Denn auf LinkedIn sind tatsächlich alle der untersuchten 20 Sozietäten vertreten, teilweise jedoch nur mit englischsprachigen Accounts. Die Top 3 der internationalen LinkedIn-Accounts sind Baker McKenzie, DLA Piper und Clifford Chance. Zusammen erreichen die drei Kanzleien mehr als 300.000 Follower. Die Top 3 der deutschen Kanzlei-Accounts – Rödl, Noerr und CMS - bringen es mit ihren Unternehmensprofilen auf fast 12.000 Follower.
Xing hat gegenüber dem Vorjahr in der Gunst der Law Firms deutlich zugelegt. Nutzten bei der letzten Erhebung bereits 70 Prozent der 20 umsatzstärksten Kanzleien Xing, sind es nun schon 85 Prozent. Der durchschnittliche Account einer Kanzlei hat 1.000 Follower. Rödl, Freshfields und CMS sind laut dem Teilranking für dieses Netzwerk die drei führenden Xing-Nutzer. Die Sozietäten verbreiten auf Xing unter anderem tagesaktuelle Informationen, vermehrt setzen sie auch ein "Employer Branding Profil" zur Markenbildung als Arbeitgeber ein.
Auch Facebook und Twitter legen zu
70 Prozent der untersuchten Großkanzleien nutzen inzwischen Facebook als Kommunikationsmedium, fanden die Studienautoren heraus – in der vergangenen Erhebung war nur die Hälfte der Law Firms auf Facebook aktiv. Die durchschnittliche Fananzahl einer Kanzlei-Seite liegt bei ca. 2.500, das sind deutlich mehr als im Vorjahr, als es noch 1.500 waren. Zählt man lediglich deutsche Fans, so liegt der Wert bei knapp 1.200.
Das Teilranking Facebook entscheidet Linklaters für sich. Der zweite Platz geht an Luther, und auf dem dritten Rang liegt Flick Gocke Schaumburg. Ausschlaggebend für das Ranking waren nicht nur die Anzahl der Fans, sondern auch etwa die Interaktion mit den Nutzern.
Twitter nutzen 52 Prozent der umsatzstärksten Kanzleien, das sind immerhin sieben Prozent mehr als im Vorjahr. Die durchschnittliche Followerzahl liegt bei ca. 660 und damit um rund zehn Prozent höher als bei der letzten Erhebung. Am Tag werden ca. 0,95 Tweets pro Account gepostet, und 23 Prozent dieser Tweets werden im Durchschnitt auf Twitter geteilt (retweetet). Knapp ein Drittel der Tweets pro Account werden von anderen Accounts markiert (geliked).
"Twitter beginnt sich zumindest in der PR-Arbeit der Kanzleien zu etablieren", stellen die Studienautoren fest. Zwar sei die Kommunikation dort noch immer hauptsächlich einseitig, indem Mediennennungen zur Kanzlei aufgegriffen, Branchenmeldungen verlängert und eigene Inhalte publiziert werden. Dennoch erhöhe sich die Anzahl an Kanzleien, die Twitter aktiv in den Kommunikations-Mix integrieren. Die Accounts von Noerr, CMS und Baker McKenzie schaffen es aus Sicht der Agentur Gerhard am ehesten, Twitter gewinnbringend einzusetzen. Sie liegen in diesem Teilranking ganz vorne.
Viel Potenzial bei Youtube und Instagram
YouTube ist einer der wenigen Kanäle, auf dem es sichtbare strategische Weiterentwicklungen gibt, stellen die Studienautoren fest. Vor allem die Personalabteilungen würden das soziale Netzwerk für sich entdecken. Es sind nicht besonders viele der Top-20-Kanzleien auf Youtube vertreten - wie schon im Vorjahr nutzen bloß 30 Prozent Videomaterial, das auf den deutschen Markt zugeschnitten ist. Allerdings hat sich die durchschnittliche Zahl pro Kanal auf knapp 250 mehr als verdoppelt.
Mit insgesamt knapp 500.000 Aufrufen funktionierte Youtube für die dort aktiven Kanzleien schon bei der vergangenen Erhebung recht gut. Inzwischen sind es aber bereits rund 1,5 Millionen Aufrufe - ein Wachstum von rund 200 Prozent. "Hier liegt also ein künftiges Handlungsfeld für Wirtschaftskanzleien", schlussfolgern die Studienautoren. Die Youtube-Stars der Großkanzleiszene sind Linklaters, Hogan Lovells und Freshfields.
Instagram ist derzeit zwar eines der erfolgreichsten sozialen Netzwerke in Deutschland, aber das geht an den Top-20-Kanzleien weitgehend vorbei. Hier sind bislang bloß 15 Prozent von ihnen vertreten, eine Kanzlei hat die Aktivität sogar wieder eingestellt. Die durchschnittliche Abonnentenzahl für den Instagram-Account einer Großkanzlei in Deutschland liegt bei knapp 490. Das ist zwar deutlich mehr als im Vorjahr mit 300 Abonnenten, aber "noch immer sehr überschaubar", so die Studienautoren. Allen & Overy, Baker und Noerr sind die drei Kanzleien, die Instagram am besten für sich nutzen.
Nicht viel mehr als guter Wille
Die Agentur Gerhard versteht ihre Studie zwar als Momentaufnahme, dennoch gibt die Erhebung einen umfangreichen Überblick darüber, wie in den führenden Wirtschaftskanzleien des Landes Social Media eingesetzt wird. Und das ist eher zögerlich: "Der gute Wille ist da, aber die letzte Konsequenz fehlt", meint Neuhold. "Gerade kleine Kanzleien sind oft viel weiter." In den großen Einheiten sei das Kanzlei-Marketing nach wie vor geprägt von klassischen Maßnahmen wie Veranstaltungen und Werbung in Printprodukten. Eine umfassende Digitalisierungsstrategie gebe es nur selten.
Im Personalmarketing scheint sich die Erkenntnis zwar durchgesetzt zu haben, dass sich potenzielle Bewerber über digitale Kanäle gut erreichen lassen. "Dass das auch bei Mandanten und potenziellen Interessenten der Fall sein kann, hat sich in den entsprechenden Entscheiderkreisen noch nicht verbreitet", kritisieren die Studienautoren. Und das scheint ihnen - angesichts des zunehmenden Wettbewerbs – unverständlich.
Kanzleien und Social Media: . In: Legal Tribune Online, 23.10.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/31649 (abgerufen am: 16.11.2024 )
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