Deutsche Kanzleirankings gibt es so einige - seit Dienstag wieder einmal auch vom Focus. In einem Spezial-Magazin stellt er "Deutschlands Top-Anwälte" vor. Die Übersicht ist in manchem anders als die etablierten Rankings – aber ist sie auch besser?
Es ist nicht das Juve-Handbuch Wirtschaftskanzleien, nicht Chambers und auch keine Tabelle bei Mergermarket, sondern ein Sonderheft vom Burda-Verlag, das die deutsche Kanzleilandschaft diesmal vermessen will. In dem am Dienstag in einer Neuauflage erschienenen Magazin "Deutschlands Top-Anwälte" geht es nicht nur um Wirtschaftskanzleien – die Redaktion hat sich den Auftrag gegeben, sich auch mit weniger lukrativen Beratungsfeldern wie Erb- oder Familienrecht zu befassen und auch in diesen Segmenten die "Top-Anwälte" aufzulisten.
Nach Angaben der Redaktion werden in dem Heft 528 Top-Juristen aus den unterschiedlichsten Rechtsgebieten und 286 Wirtschaftskanzleien aufgelistet. Zum Vergleich: Der Verlag für juristische Information in Köln befasst sich im jährlich erscheinenden Handbuch Wirtschaftskanzleien mit dem Dienstleistungsangebot von mehr als 800 Kanzleien. Das Focus-Heft listet bei den Wirtschaftskanzleien 24 Fachgebiete von Arbeitsrecht bis Wirtschaftsstrafrecht auf – Juve hat 20 Fachgebiete, allerdings mit Unterkapiteln und regionalen Aufstellungen.
Die Methodik von Focus
Focus arbeitet für die Analyse mit dem Statistikunternehmen Statista zusammen. Dieses bereitet auf der Grundlage der Vorjahresergebnisse zusammen mit Experten eine Liste von Kanzleien und Anwälten vor, die dann für einen Zeitraum von einem Monat Anwälten und Inhouse-Juristen zur Verfügung gestellt wird. Die Juristen können die bereits genannten Anwälte als empfehlenswert bestätigen oder weitere, neue Empfehlungen aussprechen. Kontaktiert werden laut Focus 9.164 Anwälte aus Wirtschaftskanzleien und 3.633 Inhouse-Juristen, insgesamt also 12.797 Personen. Pro Fachgebiete erhielt Statista von diesen Experten durchschnittlich 869 Empfehlungen – was insgesamt 20.856 ausgesprochenen Empfehlungen entspricht, bzw. 1,6 Empfehlungen pro befragter Person.
Der Focus stellt den rein alphabetischen Auflistungen innerhalb der Rechtsgebiete eine fachübergreifende Auswertung voran, in der die 50 am häufigsten empfohlenen Kanzleien dargestellt sind – ähnlich macht es Branchenprimus Juve mit dem nationalen Überblick in seinem Handbuch. Zwischen beiden gibt es viele Überschneidungen: insgesamt 33 Kanzleien sind identisch. Das ist nicht weiter verwunderlich, denn einige, insbesondere große Kanzleien überzeugen in Summe ganz einfach deutlich mit Ihren Leistungen, auch wenn das nicht für jeden einzelnen ihrer Anwälte gelten mag.
Chance für kleinere Sozietäten
Im Focus-Heft werden zudem einige Boutiquen genannt, also fachlich stark spezialisierte Kanzleien. Während bei Juve in den nationalen Überblick nur Wirtschaftskanzleien Einzug halten, die über eine solide gesellschaftsrechtliche Praxis verfügen, geht es im Focus ausschließlich um die Anzahl erhaltener Empfehlungen ohne weitere Wertung.
So schafft es etwa die ausschließlich auf Öffentliches Recht fokussierte Kanzlei Dolde Mayen & Partner in das fachübergreifende Ranking vom Focus, ebenso die Patentrechtskanzlei Boehmert & Boehmert, die Strafrechtsboutique Feigen Graf oder die Bau- und Vergaberechtskanzlei Leinemann. Rödl & Partner, eine Kanzlei mit Stammsitz in Nürnberg, die nach Juve-Angaben mit 215 Berufsträgern im vergangenen Geschäftsjahr immerhin 86,1 Millionen Euro umgesetzt hat und eine Kanzlei im so genannten Nationalen Überblick ist, ist im Focus nur für den Bereich Steuerrecht genannt.
Alles hat seine Berechtigung
Dennoch: Da (auch) für das Focus-Ranking persönliche Gewogenheiten bzw. Animositäten der Anwälte untereinander eine Rolle spielen, und da dieses Bild später nicht mehr durch redaktionelle Marktkenntnis relativiert wird, erhalten hier einige Kanzleien ein größeres Forum, als sie dies wohl sonst an anderer Stelle täten. Das sollte man beim Betrachten des Rankings im Hinterkopf behalten, auch wenn sicherlich keine schlechten Kanzleien Einzug gefunden haben – allein schon, weil die Empfehlenden ihre eigene Platzierung nicht verwässern wollen.
Somit ist das Focus-Heft ein weiteres Angebot neben den Rankings für Berufseinsteiger wie Trendence, azur oder Staufenbiel und den Kanzlei-Überblicken wie dem Kanzleimonitor vom Bund der Unternehmensjuristen, dem internationalen Handbuch Chambers, den "Best Lawyers" in Kooperation mit dem Handelsblatt oder Juve. Bei Marktteilnehmern klingt das so: "Das Focus-Heft ist zumindest ein gewisser Überblick. Aber eine 'Recherche' ist etwas anderes". Aber die wollte Focus wohl auch gar nicht leisten.
Tanja Podolski, Ranking "Deutschlands Top-Anwälte" im Focus: . In: Legal Tribune Online, 24.09.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16999 (abgerufen am: 05.11.2024 )
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