Viele Arbeitgeber setzen auf Betriebsimpfungen, um in ihrem Unternehmen eine höhere Impfquote zu erreichen. Das Vorgehen birgt Risiken, die sich aber eingrenzen lassen, zeigen Kaspar B. Renfordt und Lisa-Marie Lang.
Mittlerweile wurde auch für COVID-19-Impfungen in § 60 Abs. 1 Nr. 1a des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) die staatliche Haftung für gesundheitliche Schädigungen festgelegt. Diese umfasst allerdings keine Schäden, die durch Fehler des medizinischen Personals, wie z.B. unterlassene bzw. fehlerhafte Aufklärung oder Anamnese, Fehler bei der Verabreichung der Impfung und/oder mangelnde Hygiene, aber auch durch die nicht ordnungsgemäße Lagerung des Impfstoffs entstehen.
Wie relevant die Haftungsthematik für Arbeitgeber grundsätzlich ist, zeigt bereits eine Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) aus dem Jahre 1974, nach der eine vom Arbeitgeber angebotene Grippeschutzimpfung grundsätzlich eine Maßnahme ohne betrieblichen Bezug darstellt - und daher ein etwaiger Impfschaden kein Versicherungsfall i.S.d. Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) ist (BSG, Urt. v. 31.01.1974, Az. 2 RU 277/73).
Die für Personenschäden bestehende Haftungsprivilegierung des § 104 SGB VII, wonach der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern und deren Hinterbliebenen gegenüber nur bei Vorsatz oder bei Wegeunfällen i.S.d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII haftet, gilt dann nicht.
Der Behandlungsvertrag – ein Haftungsrisiko
Nach derzeitiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgericht (BAG) zu Grippeschutzimpfungen im Betrieb des Arbeitgebers besteht ein hohes Haftungsrisiko für diesen, wenn zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer ein Behandlungsvertrag abgeschlossen wird, der Arbeitgeber also im Rahmen der durchgeführten Impfung Vertragspartei wird. In seiner Entscheidung aus dem Jahre 2017 stellt das BAG klar, dass ein eigenständiger Behandlungsvertrag zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer schon dann vorliegen kann, wenn der Arbeitgeber in eigenem Namen zur Impfung aufruft und die Organisation der Impfung übernimmt (BAG, Urt. v. 21.12.2017, Az. 8 AZR 853/16).
Besteht ein solcher eigenständiger Behandlungsvertrag, haftet der Arbeitgeber für Pflichtverletzungen (z.B. mangelnde Aufklärung durch Impfärztin bzw. -arzt, nicht ordnungsgemäß durchgeführte Impfung, fehlerhafte Impfstofflagerung) nach den §§ 280 Abs. 1 S. 1, 253 Abs. 2 S. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), da etwaiges Fehlverhalten der eingesetzten Betriebsärztinnen und -ärzte diesem nach § 278 BGB zuzurechnen ist. Denn das medizinische Personal, ob nun fest angestellt oder in freier Tätigkeit, wird in diesem Fall lediglich als Erfüllungsgehilfe für den Arbeitgeber tätig.
Neben der vertraglichen Haftung kommt grundsätzlich auch eine deliktische Haftung aus § 823 Abs. 1 BGB bzw. § 831 Abs. 1 BGB i.V.m. § 253 Abs. 2 S. 1 BGB für Rechtsgutsverletzungen durch den Betriebsarzt oder die Betriebsärztin als Verrichtungsgehilfen in Betracht. Eine deliktische Haftung kommt dagegen nicht in Frage, wenn die Ärztin oder der Arzt erstens nicht beim Arbeitgeber angestellt ist, zweitens im eigenen Namen zur Impfung einlädt und drittens die Impfung in einem öffentlich zugänglichen Bereich des Betriebes stattfindet, in dem üblicherweise keine Behandlung durchgeführt wird.
Ohne Behandlungsvertrag also keine Haftung?
Trotz fehlendem Behandlungsvertrag kann der Arbeitgeber dennoch aus dem Arbeitsverhältnis für Impfschäden haften. Denn nach Auffassung des BAG hat ein Arbeitgeber, der im Arbeitsverhältnis eine Gefahrenlage – gleich welcher Art – schafft, nach § 241 Abs. 2 BGB die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung der Beschäftigten möglichst zu verhindern (BAG, Urt. v. 21.12.2017, Az. 8 AZR 853/16).
Im Rahmen von Schutzimpfungen im Betrieb gehöre daher die ordnungsgemäße Auswahl der die Impfung durchführenden Person zur Pflicht des Arbeitgebers. Jedoch sei er nicht verpflichtet, die Ausführung der Grippeschutzimpfung nebst etwaiger Aufklärung durch Impfärztin oder –arzt zu überwachen bzw. sicherzustellen, so das BAG.
Wie Unternehmen ihr Risiko minimieren können
Zur Minimierung der mit einer COVID-19-Schutzimpfung verbundenen Haftungsrisiken ist es für Arbeitgeber empfehlenswert, sich an die vom BAG zur betrieblichen Grippeschutzimpfung aufgestellten Maßgaben zu halten und dabei insbesondere Folgendes zu beachten:
- Übertragung der gesamten Organisation, Kommunikation und Durchführung der COVID-19-Schutzimpfungen auf externe Dienstleister (Erstellung des Impfkonzeptes nebst Einladung zur Impfung, Entwurf und Bereitstellung der Aufklärungs-, Einwilligungs- und Anamnesebögen, Organisation der Termine und Terminvergabe, Lagerung des Impfstoffs, Auswahl des Ortes, u.a.)
- Ordnungsgemäße Auswahl des externen Dienstleisters (Kriterien: fachliche Kompetenz und Impfberechtigung) nebst Dokumentation der Auswahlentscheidung
- Sofern eine Kommunikation des Arbeitgebers oder des angestellten Betriebsarztes bzw. -ärztin bzgl. der COVID-19-Schutzimpfung im Einzelfall nicht vermeidbar ist, sollte diese mit dem ausdrücklichen Hinweis verbunden sein, dass im Falle der Annahme des Impfangebots ein Behandlungsvertrag mit dem externen Impfdienstleister zustande kommt – und gerade nicht mit dem Arbeitgeber.
Für Arbeitgeber ist es – werden entsprechende Vorkehrungen getroffen – damit weiterhin äußerst reizvoll, eine COVID-19-Schutzimpfung in ihrem Unternehmen zu ermöglichen. Denn sie leisten damit nicht nur einen Beitrag zur Bekämpfung der Covid-19 Pandemie insgesamt, sondern tragen auch ihrem eigenen Interesse an einer durchgeimpften Belegschaft Rechnung.
Der Autor Kaspar B. Renfordt ist Partner bei Rödl & Partner in Köln und leitet dort das Team Arbeitsrecht.
Die Autorin Lisa-Marie Lang ist Associate bei Rödl & Partner in Köln im Team Arbeitsrecht.
Coronavirus: . In: Legal Tribune Online, 24.08.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/45798 (abgerufen am: 18.11.2024 )
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