Gut 20 Jahre nach dem "dritten Börsengang" der Telekom im Jahr 2000 muss der zugehörige Anlegerschutzprozess noch einmal aufgerollt werden: Der BGH hat den Musterentscheid des OLG Frankfurt teilweise aufgehoben.
Hinter dem Musterverfahren stehen rund 17.000 klagende Kleinaktionäre, die Schadensersatz für ihre erlittenen Kursverluste in Höhe von rund 80 Millionen Euro verlangen, den die Deutsche Telekom AG bisher aber nicht gezahlt hat. Ihre Klagen waren zu einem Kapitalanlegermusterverfahren zusammengefasst worden, das bereits zweimal am Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt verhandelt wurde. Sowohl die Musterkläger als auch die Telekom hatten Rechtsbeschwerden gegen die bis hierhin letzte Entscheidung des OLG Frankfurt aus dem Jahr 2016 eingelegt.
Im Kern geht es in dem Rechtsstreit um die Haftung der Deutschen Telekom aufgrund des Verkaufsprospektes, den sie anlässlich ihres sogenannten dritten Börsenganges herausgegeben hatte. Im Jahr 2000 bot das Unternehmen auf Grundlage dieses Prospekts 230 Millionen Stückaktien öffentlich zum Verkauf an. Im Prospekt ist ausgeführt, dass die Telekom im Jahr 1999 durch einen konzerninternen Verkauf ihrer Anteile an dem US-Telekommunikationsunternehmen Sprint einen Buchgewinn von 8,2 Milliarden Euro realisiert hat.
Allerdings wurden die Aktien gar nicht verkauft, sondern als Sacheinlage auf eine Konzerntochter übertragen, sodass das volle Risiko für einen Kursverlust der Aktien bei der Telekom blieb. Tatsächlich erlitten die Sprint-Aktien später einen erheblichen Wertverlust, womit auch der Kurs der Telekom-Aktien deutlich abfiel.
Das OLG soll nun ein Gutachten einholen
Nach früherer Feststellung des Bundesgerichtshofs (BGH) enthält der Börsenprospekt schwerwiegende Fehler im Zusammenhang mit der US-Beteiligung Sprint (Beschl. v. 21.10.2014, Az. XI ZB 12/12). In seinem aktuellen Beschluss bemängelt der BGH nun, dass die Frankfurter Richterinnen und Richter nicht ausreichend geprüft hätten, ob dieser Sprint-Vorgang später auch wirklich Auslöser für den Kursabsturz der Aktie war. Dies müsse nun mit einem Gutachten nachgeholt werden (Beschl. v. 15.12.2020, Az. XI ZB 24/16).
In einem anderen Punkt bestätigte der BGH die Frankfurter Entscheidung aus dem Jahr 2016 (Beschl. v. 30.11.2016, Az. 23 Kap 1/06) allerdings: Allein die Falschangabe im Verkaufsprospekt löse noch keinen Anspruch auf Schadensersatz aus. Es müsse vielmehr in jedem Einzelfall geklärt werden, ob der Anleger seine Kaufentscheidung anhand des Prospekts getroffen hat. Die Beweislast dafür liege allerdings bei der Telekom, die darlegen müsse, dass die Aktionäre das gerade nicht getan haben.
Der Streit zwischen Telekom und den Anlegern beschäftigt die Gerichte seit 20 Jahren. Bereits 2001 gingen erste Klagen gegen das Unternehmen ein, aber auch u.a. gegen die Konsortialbanken, die den Börsengang damals begleiteten. Die Fülle an Klagen, denen sich das zuständige Landgericht (LG) Frankfurt gegenübersah, war Anlass für den Gesetzgeber, das Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG) zu schaffen, das am 1. November 2005 in Kraft getreten ist.
2012 entschied das OLG Frankfurt in dem Musterprozess noch gegen die Anleger. 2014 korrigierte der BGH die Entscheidung und verwies die Sache zum ersten Mal an das OLG zurück. Nun muss sich das Gericht erneut mit dem Fall befassen. Der Anleger, der im Juli 2006 zum Musterkläger in dem Verfahren bestimmt wurde, ist im Juni 2016 verstorben; seine Erben führen das Verfahren weiter.
ah/LTO-Redaktion
mit Material von dpa
BGH verweist ans OLG Frankfurt zurück: . In: Legal Tribune Online, 26.02.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/44375 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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