Rund 15.000 Halter manipulierter Diesel haben am Montag über die Internetplattform myright.de beim LG Braunschweig Schadensersatzklage gegen VW eingereicht. Myright.de kooperiert in dem Verfahren mit der US-Kanzlei Hausfeld.
Nach Angaben von myright.de beläuft sich die Schadensumme auf mehr als 350 Millionen Euro. Für die genau 15.374 Geschädigten verlange man Rückzahlung des Kaufpreises gegen Rückgabe der Fahrzeuge. "Deutsche Kunden sind nicht Kunden zweiter Klasse. Sie haben dieselben Rechte und Ansprüche wie US-Kunden", sagte Christopher Rother, Partner im Berliner Büro von Hausfeld. Das sei die Botschaft an Volkswagen (VW), den Bund und das Land Niedersachsen.
Die Aussichten der Kläger beurteilt Rother als gut: "Wer als Hersteller Kunden täuscht und Fahrzeuge auf den Markt bringt, die nicht vorschriftsmäßig sind, macht sich schadensersatzpflichtig. Daran kann es aus unserer Sicht keinen Zweifel geben."
Am LG geht alles den gewohnten Gang
Trotz der umfangreichen Klage werde es am Landgericht (LG) Braunschweig den gewohnten Ablauf geben, betonte eine Sprecherin. Die eingegangenen Unterlagen würden geprüft, mit einem Aktenzeichen versehen und einem zuständigen Richter übermittelt, der über den weiteren Ablauf entscheidet. Anfang des Jahres seien zwei Spezialkammern eingerichtet worden, die auf entsprechende Verfahren eingerichtet sind, so die Sprecherin weiter.
Nach Angaben eines VW-Sprechers wurde bislang in gut 900 zivilrechtlichen Fällen entschieden - und in 70 bis 75 Prozent dieser Fälle hätten die Richter die Klage abgewiesen. Insgesamt seien gut 7.000 zivilrechtliche Verfahren anhängig. Die Tendenz sei gleichbleibend. Experten gehen davon aus, dass sowohl VW als auch die Kläger-Anwälte letztlich auf außergerichtliche Vergleiche setzen. Das LG Braunschweig beschloss zudem, die Schadensersatzklage eines Kunden vorerst nicht dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen.
"Sammelklagen" und Kritik am Geschäftsmodell Hausfelds
Die Strategie, einzelne Ansprüche privater Kunden zu bündeln, um ihnen so in der Summe mehr Schlagkraft zu verleihen, orientiert sich an den Musterverfahren im Kapitalmarktrecht. Echte "Sammelklagen" wie etwa in den USA gibt es in Deutschland jedoch nicht. Forderungen, dies in Form einer Musterfeststellungsklage auch hier einzuführen, waren in der letzten Legislaturperiode gescheitert.
In dem konkreten Fall in Braunschweig stützen sich die Anwälte auf eine sogenannte Anspruchshäufung aus § 260 ZPO, wonach mehrere Ansprüche in einer Klage verbunden werden können, wenn sie sich gegen einen Beklagten richten und ein Gericht zuständig ist. Ein solches Konstrukt ist in Deutschland eher ungewöhnlich. Das LG hat die Klage noch nicht zugelassen und prüft derzeit die Unterlagen.
Der Bundesverband der Verbraucherzentrale (vzbv) sieht das Braunschweiger Verfahren grundsätzlich positiv: "Vom VW-Skandal betroffene Kunden verdienen eine Entschädigung und Wiedergutmachung des Schadens", sagt vzbv-Chef Klaus Müller.
Man dürfe aber nicht vergessen, dass es auch mögliche Nachteile gebe: "Abtretungsmodelle, wie das der Kanzlei Hausfeld, sind nicht der optimale Weg für eine Entschädigung der betroffenen Verbraucher. Denn sie bieten nur für Massenschadensfälle Lösungen, die für Kanzleien auch eine entsprechende Rendite erwarten lassen", so Müller weiter. "Hohe Provisionen im Falle einer erfolgreichen Klage führen dazu, dass Verbraucher nicht den vollen Umfang ihres Schadens ersetzt bekommen."
Auch Anleger fordern Schadensersatz
Die Schadensersatzklagen der Pkw-Fahrer sind nicht die einzigen Rechtsstreitigkeiten, mit denen VW sich auseinander setzen muss. Dem Autokonzern steht das Musterverfahren der Anleger bevor: Diese werfen VW vor, im September 2015 zu spät über Abgas-Manipulationen informiert zu haben. Volkswagen weist dies zurück. Nach Bekanntwerden der gefälschten Stickoxid-Werte bei Millionen von Dieselmotoren war der Aktienkurs steil nach unten gegangen, fast die Hälfte ihres Wertes hatten die Vorzugspapiere des Konzerns zwischenzeitlich verloren. Viele Anleger wollen sich ihre Verluste erstatten lassen. Es geht um Milliarden.
Wie zuerst die Bild am Sonntag berichtete, haben auch die Vereinigten Staaten von Amerika Volkswagen auf Schadensersatz in dreistelliger Millionenhöhe verklagt. Zahlreiche US-Pensionsfonds sollen durch den Absturz der Aktie im Zuge des Dieselskandals einen massiven finanziellen Schaden erlitten haben. Das US Department of Justice werde in dem Rechtsstreit von einer deutschen Kanzlei in Frankfurt vertreten.
Zudem ermittelt die Staatsanwaltschaft Braunschweig wegen des Verdachts des Betrugs. Allein hier geht es - einschließlich eines Verfahrens gegen Ex-VW-Chef Martin Winterkorn - um fast 40 Beschuldigte.
Unterdessen ist Volkswagen mit der Umrüstung der manipulierten Diesel nach eigenen Angaben kurz vor dem Ziel. Deutlich mehr als zwei Millionen Autos in Deutschland seien umgerüstet, sagte ein VW-Sprecher. Das entspreche gut 90 Prozent der betroffenen Autos mit Dieselmotoren des Typs EA189 - über alle Konzernmarken. Weltweit seien etwa 6,25 Millionen Fahrzeuge umgerüstet. Bis zum Jahresende soll das Update abgeschlossen sein.
dpa/ah/LTO-Redaktion
Hausfeld und myright.de: . In: Legal Tribune Online, 07.11.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/25413 (abgerufen am: 09.11.2024 )
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