Das Gesetz zur "Frauenquote" war heftig umstritten – gebracht hat es bislang aber nicht viel. Eine Studie von Allen & Overy zeigt: Bei der Umsetzung reizen die meisten Unternehmen ihre Spielräume aus - und verändern nur wenig.
Das "Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst" umfasst nicht nur die viel diskutierte fixe Geschlechterquote von 30 Prozent für die Aufsichtsräte. Auch auf Vorstandsebene und in den obersten Führungsebenen werden die Gesellschaften in die Pflicht genommen. Spätestens seit dem 30. September 2015 müssen alle vom Gesetz adressierten Gesellschaften sogenannte Zielgrößen für einen Frauenanteil im Vorstand sowie in der ersten und zweiten Führungsebene unterhalb des Vorstandes festlegen.
Allen & Overy hat für eine Studie zur Umsetzung dieser Vorgaben die Lageberichte der 80 im DAX und MDAX gelisteten Gesellschaften für das Geschäftsjahr 2015 analysiert und ausgewertet. Neben den Festlegungen zu Zielgrößen und Fristen zu deren Erreichung im Vorstand und Aufsichtsrat hat Studienautorin Dr. Katharina Stüber, Senior Associate bei Allen & Overy, besonderes Augenmerk auf die Angaben für die beiden Führungsebenen unterhalb des Vorstands gelegt.
Bei den Gesellschaften, die in ihren Lageberichten Angaben zur Zielgröße im Vorstand gemacht haben, ergibt sich ein düsteres Bild: Ein Drittel der DAX-Gesellschaften, die Angaben zur flexiblen Frauenquote im Vorstand gemacht haben, entschied sich für eine Zielgröße von null. Bei den MDAX-Gesellschaften waren es zwei Drittel. Das bedeutet: In diesen Gesellschaften sind derzeit keine Frauen im Vorstand - und bei der Festlegung der Zielgrößen war auch nicht vorgesehen, weibliche Vorstandsmitglieder zu berufen.
Nur 3,7 Prozent der DAX-Gesellschaften, die Angaben machten, wollen innerhalb der selbst festgelegten Frist 30 Prozent weibliche Vorstandsmitglieder einsetzen. Für diese Zielgröße haben sich auch 7,3 Prozent der MDAX-Unternehmen entschieden.
Der Status quo als Zielgröße
Einige Gesellschaften – sowohl aus DAX als auch aus MDAX – informieren in ihren Lageberichten auch über den Status quo des jeweiligen Frauenanteils. 76,2 Prozent der im DAX notierten Gesellschaften haben sich demnach für eine Zielgröße entschieden, die dem Status quo entspricht – es ist also nicht geplant, bis zum Ablauf der Frist mehr Frauen in den Vorstand zu berufen. Im MDAX haben sich sogar 90,3 Prozent der Unternehmen dazu entschieden, den derzeitigen Stand als Zielgröße festzuschreiben.
"Die ambitionierten Ziele, die sich die Politik gewünscht hat, sehen wir nicht", resümiert Stüber. "Das war aber auch nicht unbedingt zu erwarten", meint sie. Denn in vielen Fällen ist für den Vorstand mit dem bereits vorhandenen Status quo geplant worden. Ein Grund ist die gesetzlich vorgegebene kurze Frist: Sie durfte bei der ersten Festlegung längstens bis zum 30. Juni 2017 dauern. "Würde ein Aufsichtsrat beschließen, einem reinen Männer-Vorstand innerhalb dieser Frist beispielsweise eine Frauenquote von zehn Prozent zu verordnen, dann käme das einem Misstrauensvotum gleich – sofern er nicht zugleich beschließt, den Vorstand zu erweitern", fügt Stüber hinzu.
Mit Verweis auf die kurzen Fristen haben allerdings manche Gesellschaften in ihren Lageberichten erklärt, dass der Aufsichtsrat nach Ablauf der vorgesehenen Frist beabsichtige, eine neue Zielgröße festzulegen: Einige Unternehmen planen demnach mit "mindestens einem weiblichen Vorstandsmitglied", heißt es in der Studie.
Mehr Bewegung auf den Führungsebenen
Geht es um Positionen im Vorstand, wählen also sowohl DAX- als auch MDAX-Gesellschaften öfter die Zielgröße "null Frauen". Damit ist nicht zu erwarten, dass in nächster Zeit weitere weibliche Vorstände eingesetzt werden. Anders sieht es bei der Besetzung der ersten und zweiten Führungsebene unterhalb des Vorstandes aus: Hier ist die Bereitschaft der Unternehmen größer, ihren Frauenanteil zu erhöhen.
Die Zielgrößen schwanken zwischen 3,9 und 40 Prozent, liegen im Durchschnitt aber bei 15,7 Prozent Frauenanteil auf der ersten Führungsebene (DAX) und 15,2 Prozent (MDAX). Auf der zweiten Führungsebene streben die Unternehmen eine Frauenquote von 20,8 (DAX) bzw. 20,6 (MDAX) an.
"Das Gesetz lässt den Unternehmen bei der flexiblen Frauenquote viel Spielraum, den sie auch genutzt haben", sagt Stüber. "Beim Thema Frauen in Führungspositionen liegt noch eine Wegstrecke vor uns. Dabei sollten die Unternehmen eigentlich – Stichwort Fachkräftemangel – ein wirtschaftliches Interesse daran haben, den Anteil an gut qualifizierten Frauen zu erhöhen."
Anja Hall, Gesetz zur Frauenquote: . In: Legal Tribune Online, 25.02.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22199 (abgerufen am: 09.11.2024 )
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