Das Wirtschaftsministerium will das Außenwirtschaftsrecht weiter verschärfen und hat dazu einen Referentenentwurf vorgelegt. Dieser lässt allerdings einige praxisrelevante Fragen offen, meinen Oliver Schröder und Stephanie Birmanns.
Kürzlich hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) einen Referentenentwurf für die Siebzehnte Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung (17. AWV-Novelle) vorgelegt, der das Investitionskontrollregime für ausländische Direktinvestitionen in Deutschland weiter verschärfen soll. Dieser Entwurf reiht sich ein in eine Kette von im Jahre 2020 verabschiedeten Erweiterungen des deutschen Investitionskontrollrechts.
Die Motivation für die umfangreichen Neuregelungen der vergangenen Monate ist sicherlich in einem legitimen Wunsch zu sehen, Deutschland im Wettbewerb der Volkswirtschaften vor unlauteren Marktteilnehmern aus weniger regulierten Staaten zu schützen. Es darf jedoch nicht übersehen werden, dass das reformierte Investitionskontrollrecht aufgrund einer Vielzahl vager Rechtsbegriffe und der Breite der erfassten Investitionsaktivitäten auch erhebliche Rechtsunsicherheit schafft. Unsicherheit aber ist der Feind jeder Transaktion.
Die nun vom BMWi vorgeschlagenen Neuregelungen betreffen überwiegend die sogenannte sektorübergreifende Investitionskontrolle, die grundsätzlich für alle Direktinvestitionen aus Staaten eingreift, die nicht der Europäischen Union (EU) bzw. der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) angehören. Für die allgemeine sektorübergreifende Kontrolle gilt dabei ein Schwellenwert von 25 Prozent der Stimmrechtsanteile, ab welcher eine Transaktion vom BMWi überprüft werden kann. Für bestimmte, besonders prüfrelevante Unternehmen gilt eine verschärfte Kontrollschwelle von lediglich zehn Prozent der Stimmrechtsanteile.
Verschärfungen schon durch die 15. und 16. Novelle
Bereits die 15. AWV-Novelle vom Juni 2020 hatte vor dem Hintergrund der Covid-19 Krise die Fallgruppen der besonders prüfrelevanten Unternehmen auf Unternehmen des Gesundheitssektors erweitert und verschiedene Klarstellungen hinsichtlich der materiellrechtlichen Prüfung eingeführt.
Das Erste Gesetz zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes (AWG-Novelle) von Juli 2020 hat darüber hinaus ein weitreichendes Vollzugsverbot eingeführt. Diese Regelungen sind in der Praxis überaus bedeutsam und sie greifen ein, wenn besonders prüfrelevante Unternehmen erworben werden. In diesen Fällen können z.B. Stimmrechte oder Gewinnbezugsrechte nicht ausgeübt werden, bevor das BMWi die Transaktion freigegeben hat. Besonders relevant ist in diesem Zusammenhang auch die Einführung eines mit erheblichen Sanktionsandrohungen verbundenen Verbots der Überlassung von sensitiven Informationen vor Freigabe.
Die 16. AWV-Novelle vom Oktober 2020 hat sodann den materiellen Prüfungsstandard von einer vorher erforderlichen schwerwiegenden tatsächlichen Gefährdung auf eine "voraussichtliche Beeinträchtigung" reduziert. Das BMWi hat somit erhebliche weitere Handhabe zur Untersagung von Transaktionen erhalten. Zudem wurde der Prüfungsmaßstab über Interessen Deutschlands hinaus auch auf die Interessen anderer EU-Staaten ausgedehnt.
Noch mehr "besonders prüfrelevante" Unternehmen
Mit dem Referentenentwurf der 17. AWV Novelle soll der Katalog der Fallgruppen besonders prüfrelevanter Unternehmen nochmals ganz erheblich ausgeweitet werden - von bislang zwölf auf 27. Kommt es zur Umsetzung der Novelle, würden zukünftig zahlreiche weitere Unternehmen als besonders prüfrelevant gelten. Für diese gilt eine niedrigere Kontrollschwelle von zehn Prozent; ihr Erwerb ist zwingend beim BMWi anzuzeigen und muss von diesem vor Vollzug freigegeben werden.
Das gilt insbesondere für Unternehmen aus dem Bereich der künstlichen Intelligenz, des automatisierten Fahrens bzw. Fliegens, für Luftfahrtunternehmen und für Unternehmen, die etwa Industrieroboter, Halbleiter, IT-Produkte und Komponenten für die Server-Sicherheit, aber auch Nukleartechnologie, Quantentechnologie sowie Netztechnologien und Komponenten des 3D-Drucks herstellen.
Freigabe auch für kleinere Zukäufe nötig?
Der Referentenentwurf geht aber darüber hinaus und adressiert vermeintliche Lücken des gegenwärtigen Regelwerks. So soll etwa klargestellt werden, dass jeglicher Hinzuerwerb von Stimmrechtsanteilen jenseits der relevanten Erwerbsschwelle für die Investitionskontrolle relevant ist, selbst wenn die erstmalige Überschreitung der Schwelle freigegeben war. Im Extremfall müsste damit der Hinzuerwerb einer Aktie eines besonders prüfrelevanten Unternehmens jenseits des Stimmrechtsanteils von zehn Prozent beim Wirtschaftsministerium angemeldet werden – und dieses müsste den Zukauf freigeben.
Das kann zumindest in dieser Breite nicht überzeugen, da kleinere Änderungen der Stimmrechtsanteile in aller Regel keinen Einfluss auf die Kontrollsituation im betroffenen Unternehmen nach sich ziehen. Hier sollten also zumindest bestimmte Schwellenwerte zusätzlich zu erwerbender Stimmrechte definiert werden, unterhalb derer keine weitere Anmeldung erforderlich ist.
BMWi will auch bei abgestimmten Erwerben prüfen
Ein weiterer Kritikpunkt betrifft abgestimmte Erwerbsvorgänge. Während bislang eine förmliche Abrede über die gemeinsame Ausübung von Stimmrechten erforderlich war, um ein acting-in-concert anzunehmen, sollen in Zukunft schon bloße faktisch abgestimmte Erwerbsvorgänge ausreichen, um ein Prüfungsrecht des BMWi zu begründen. Wo hier die Grenze zu ziehen ist und wie ein solches faktisch abgestimmtes Verhalten nachzuweisen ist, bleibt offen.
Schließlich soll darüber hinaus auch der Erwerb einer "wirksamen Beteiligung" an der Verwaltung oder Kontrolle eines inländischen Unternehmens, die dem Erwerb eines zehn bzw. 25 Prozent Stimmrechtsanteils "äquivalent" ist, ausreichen, um eine Transaktion zu untersagen. Gedacht ist hier insbesondere an vertragliche Entsenderechte im Hinblick auf Gesellschaftsorgane, Vetorechte oder Informationsrechte.
Minderheitsbeteiligungen vermitteln aber in der Regel gerade keine Kontrollposition, so dass unklar bleibt, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, um diesen Tatbestand zu erfüllen. Reicht es z.B. aus, wenn ein Minderheitsinvestor einen einzelnen Sitz in einem Beirat der Gesellschaft einnimmt? Ausschließen kann man das nach der Neuregelung nicht.
Werden Investoren aus Drittstaaten zurückhaltender?
Es liegt auf der Hand, dass durch solcherlei offene Rechtsbegriffe und den materiell vagen Prüfungsstandard erhebliche Rechtsunsicherheiten entstehen. Zukünftig dürften daher Erwerber aus Drittstaaten schon im Vorfeld einer Transaktion sehr genau prüfen, ob sich ein Engagement in einem deutschen Unternehmen lohnt - vor dem Hintergrund der Risiken einer Untersagung und des mit einem Anmeldeverfahren verbundenen Zeit- und Ressourceneinsatzes. Dies wird auch angesichts der fehlenden Praxiserfahrung mit den neuen Tatbeständen zukünftig noch schwieriger, als es bisher schon war.
Es ist daher bedauerlich, dass der Referentenentwurf die Möglichkeit verpasst hat, problematische Vorschriften klarzustellen bzw. ihren Anwendungsbereich praxisnah zu definieren. Stattdessen eröffnet er Raum für weitere Auslegungsschwierigkeiten. So bleibt weiterhin unklar, welche Bedeutung dem allgemeinen Umgehungstatbestand des § 55 Abs. 2 AWV bei direkten Erwerben durch Inländer zukommt, die von Investoren aus Drittstaaten gehalten werden.
Auch wie im Vorfeld eines Vertragsabschlusses - und der entsprechenden Notifizierung der Transaktion - mit den erwähnten Beschränkungen im Hinblick auf die Überlassung sensitiver Informationen umzugehen ist, bedarf dringend der Klärung.
Transaktionen werden aufwändiger
Es muss sich daher noch zeigen, inwieweit das BMWi die neu geschaffenen Möglichkeiten umsetzt und zeitnah verlässliche Auslegungskriterien und Beurteilungsmöglichkeiten zur Verfügung stellt, um die Implikationen der neuen Regelungen verlässlich einschätzen zu können.
Dennoch sollte nicht der Eindruck entstehen, dass Deutschland ausländische Direktinvestitionen nicht mehr willkommen heißt. In der Praxis dürften nur wenige Untersagungsentscheidungen ergehen. Zielen die umfangreichen Neuregelungen doch primär auf staatsnahe Unternehmen ab, bei denen ein dauerhafter Abfluss kritischer Technologie aus Deutschland oder die Gefährdung des Gemeinwohls zu befürchten ist.
Gleichwohl gelten die Regelungen formal nicht nur für Investoren aus Jurisdiktionen, die bekanntlich im Fokus der Investitionskontrolle und der politischen Überlegungen hier zu stehen, sondern werden in Zukunft in vielen Fällen eine sehr viel genauere rechtliche Analyse erfordern, als dies bislang der Fall war. Zumindest der Zeitaufwand wird daher bei vielen Transaktionen steigen.
Die Autoren: Dr. Oliver Schröder ist Partner im Bereich M&A/Gesellschaftsrecht und Dr. Stephanie Birmanns ist Counsel im Bereich Kartellrecht der SZA Schilling, Zutt & Anschütz Rechtsanwaltsgesellschaft mbH. Sie beraten internationale Investoren zu Fragen der Investitionskontrolle für ausländische Direktinvestitionen in Deutschland.
Erneute Novelle der Außenwirtschaftsverordnung: . In: Legal Tribune Online, 18.02.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/44300 (abgerufen am: 17.11.2024 )
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