Wieder hat die Polizei weniger Straftaten registriert als im Vorjahr, das zeigt die neue Polizeiliche Kriminalstatistik. Vielleicht sogar aufschlussreicher fällt ein Bericht zu "Sicherheitsgefühl", Strafzwecken und dem Vertrauen in die Justiz aus.
Es gleicht einem alljährlichen Ritual. Anfang April veröffentlicht das Bundesinnenministerium (BMI) die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS). In diesem Jahr stellt sie Minister Horst Seehofer (CSU) in Berlin vor. Die 46 Seiten sind vollgepackt mit Zahlen und Tabellen und was man daraus abliest, hängt stark vom Betrachtungsstandpunkt ab.
Wer gegen verschärfte Sicherheitsgesetz ist, der verweist darauf, dass Deutschland ein sehr sicheres Land ist. Die Gegenseite kann dann argumentieren, dass das eben nur so sei, weil man in der Vergangenheit dieses und jenes Gesetz verschärft hat. Fest steht: Die Polizei in Deutschland hat 2018 erneut weniger Delikte erfasst als in den Vorjahren, sie registrierte 5,55 Millionen Straftaten, was gegenüber dem Jahr 2017 eine Abnahme um 3,6 Prozent bedeutet. Die Zahl der Tatverdächtigen sank um 2,9 Prozent auf 2,05 Millionen.
Bereits die Statistik 2017 hatte - mit 5,76 Millionen Straftaten, minus 9,6 Prozent - einen Tiefstand verzeichnet. Das Innenministerium hatte damals den niedrigsten Stand seit 1992 vermeldet.
Zahlen aus dem "Hellfeld" der Kriminalität
Diese Zahlen lassen aber keine klaren Rückschlüsse auf die tatsächliche Kriminalitätsbelastung in Deutschland zu. Unklar bleibt nämlich, wie viele Delikte gar nicht erst zur Anzeige gebracht werden. Begangene Straftaten, die nicht registriert werden, bilden ein sog. Dunkelfeld. Seit Jahren wird diese Schlagseite der PKS kritisiert.
Mehr als die Hälfte (57,7 Prozent) der Straftaten im Hellfeld wurde dem Bericht zufolge aufgeklärt, das entspricht in etwa dem Vorjahreswert. Diese Aufklärungsquote ist allerdings wenig aussagekräftig: Nach Angaben des Bundeskriminalamts werden die 2018 gemeldeten Delikte zu den im selben Jahr aufgeklärten Fällen in Bezug gesetzt. Diese beiden Gruppen sind allerdings nicht deckungsgleich. Falls in einem Jahr mehr Verbrechen aufgeklärt als gemeldet werden, wären damit theoretisch sogar Aufklärungsquoten von mehr als 100 Prozent denkbar.
Ungefähr ein Drittel der gemeldeten Straftaten entfällt auf Diebstahlsdelikte. Es wurden weniger Diebstähle von Kraftfahrzeugen (30.232, minus 9,1 Prozent) und Fahrrädern (292 015, minus 2,7 Prozent) angezeigt. Der gemeldete Taschendiebstahl nahm erheblich ab, um 18,2 Prozent auf 104.196 Fälle. Beim Ladendiebstahl gab es einen Rückgang um 4,1 Prozent auf 339.021 bekannte Fälle.
Mehr Widerstand gegen Beamte?
Die Zahl gemeldeter Wohnungseinbrüche sank auf einen historischen Tiefstand (97.504 Fälle, minus 16,3 Prozent). Leicht stieg hingegen der sogenannte Tankbetrug (Benzindiebstahl) auf 72.424 bekannte Fälle - plus 1,3 Prozent. Deutlich zugenommen hat demgegenüber die den Behörden bekannt gewordene Verbreitung pornografischer Schriften, um 13,6 Prozent auf 11.435 Fälle. Erneut wurden auch mehr Rauschgiftdelikte registriert, 350.662 Fälle und damit 6,1 Prozent mehr.
Beim Delikt "Widerstand gegen Staatsgewalt", etwa gegen Polizeivollzugsbeamte und Vollstreckungsbeamte, gab es dem Bericht zufolge eine Zunahme um 39,9 Prozent auf 34.168 bekannte Fälle. Allerdings muss man berücksichtigen, dass im Mai 2017 neue Straftatbestände geschaffen wurden und sich die Zahl deshalb mit der Zeit davor nur eingeschränkt vergleichen lässt.
Migranten fühlen sich weniger sicher in Deutschland
Zusätzlich zur PKS wurden in diesem Jahr auch die Ergebnisse des sog. "Deutschen Viktimisierungssurvey 2017" veröffentlicht. Mit der Befragung sollte herausgefunden werden, wie sicher oder unsicher sich die Menschen in Deutschland fühlen. Damit soll in einen Bereich vorgedrungen werden, über den die klassische PKS keine Auskunft geben kann. Die Untersuchung hat das Bundeskriminalamt (BKA) zusammen mit dem Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg durchgeführt und dazu nach eigenen Angaben knapp über 30.000 Personen am Telefon befragt.
Laut dem Bericht haben die Menschen in Deutschland mehr Furcht vor Kriminalität als noch vor fünf Jahren, 2012 war die letzte Umfrage durchgeführt wurde. Aber "insgesamt bewegt sich die Einschätzung persönlicher Kriminalitätsrisiken nach wie vor auf einem recht niedrigen Niveau", heißt es in dem Bericht.
Interessant ist die unterschiedliche Kriminalitätswahrnehmung von Menschen mit Migrationshintergrund einerseits und von einheimischen Deutschen andererseits. Allgemein fühlen sich Letztere sicherer und sehen geringere Risiken, Opfer eines Verbrechens zu werden, als Menschen mit Migrationshintergrund. Dabei fällt insbesondere die türkischstämmige Bevölkerung auf, die sich tendenziell unsicherer fühlt und größere Kriminalitätsrisiken sieht als Personen aus anderen Herkunftsländern.
Überwiegendes Vertrauen in die Justiz
In einer Teilgruppe der Telefonbefragungen (rund 10.000 Befragte) wurden die Menschen auch nach ihrem Vertrauen in die Justiz gefragt. Sie sehen das Vertrauen in die Arbeit der Gerichte überwiegend positiv. Das Vertrauen soll daran gemessen werden, ob die Befragten das Gefühl haben, dass Gerichte die „richtige Entscheidung“ treffen in dem Sinne, dass schuldige Personen bestraft bzw. Unschuldige nicht bestraft werden.
Rund 29 Prozent der Bevölkerung meinen demnach, die Gerichte würden nur selten oder nie falsche Entscheidungen treffen. Etwa 43 Prozent glauben, dass dies manchmal vorkommt. 28 Prozent der Bevölkerung sind der Meinung, dass die Gerichte oft oder sehr oft schuldige Personen freisprechen.
Beim umgekehrten Fall, bei dem unschuldige Personen fälschlicherweise verurteilt werden, ist das Vertrauen der Bevölkerung in die Gerichte etwas größer. Hier ist etwa die Hälfte der Meinung, dass die Gerichte nur selten oder nie eine derartige Fehlentscheidung treffen. Etwa 38 Prozent denken, dass dies nur manchmal vorkommt und lediglich etwa 11 Prozent der Bevölkerung sind der Meinung, dass die Gerichte oft oder sehr oft unschuldige Personen verurteilen.
Als weitere Vertrauensgrundlage wurde untersucht, ob die Gerichte als fair und vorurteilsfrei wahrgenommen werden. Etwas mehr als die Hälfte der Bevölkerung ist danach der Meinung, dass für die Rechtsprechung der Gerichte der Wohlstand einer Person unerheblich ist. Dagegen gehen rund 45 Prozent davon aus, dass arme Personen vor Gericht schlechter behandelt werden als reiche.
Außerdem wurde abgefragt, ob die Menschen den Gerichten zutrauen, fair und unparteiisch zu urteilen. Etwa 63 Prozent sind der Meinung, dass die Gerichte oft oder sehr oft faire und unparteiische Entscheidungen treffen. Weitere 22,7 Prozent der Bevölkerung sind der Auffassung, dass sie dies nur manchmal tun, und die restlichen 14,2 Prozent denken, dass die Gerichte nur selten oder nie faire und unparteiische Entscheidungen treffen.
Migranten haben ein geringeres Zutrauen in die prozessuale Fairness der Gerichte als Einheimische ohne Migrationshintergrund. Dafür bewerten sie deren Effektivität im Hinblick auf das Risiko, dass eine schuldige Person freigesprochen wird, höher.
Welche Strafzwecke herrschen vor?
Neben dem Vertrauen in Polizei und Gerichte wurde im Deutschen Viktimisierungssurvey auch untersucht, wie die Bürger verschiedene Strafzwecke bewerten und welche strafrechtlichen Sanktionen sie bei verschiedenen Straftaten für angemessen halten.
Am wichtigsten sind danach der Schutz vor dem Täter, die Stärkung des Rechtsbewusstseins und die Abschreckung, sie werden als Strafzwecke am häufigsten genannt (jeweils Werte über 90 Prozent). Dagegen fällt die Nennung der "Resozialisierung des Täters" am seltensten, wenngleich immer noch recht häufig aus (80 Prozent). Gegenüber der Befragung aus 2017 gibt es kaum Abweichungen.
Hinsichtlich der Sanktionsformen wird für Gewaltdelikte und Wohnungseinbruchsdiebstahl eine Freiheitsstrafe am häufigsten als angemessen betrachtet, bei sonstigen Eigentums- und Vermögensdelikten hingegen eine Geldstrafe oder Auflagen. Die Präferenzen hinsichtlich der Sanktionsformen für verschiedene Delikte sind im Zeitverlauf stabil. Seit 2012 ist lediglich bei der durchschnittlich präferierten Dauer von Freiheitsstrafen ohne Bewährung für Raubdelikte eine auffällige Entwicklung zu beobachten. Diese hat sich von neun auf 16 Monate erhöht. Der Bericht sieht zusammenfassend allerdings keine deutlichen Hinweise auf eine Verschärfung der Strafeinstellungen.
Mit Material der dpa
Neue Kriminalstatistik und Bevölkerungsbefragung: . In: Legal Tribune Online, 02.04.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/34713 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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