Ein Prozess in Neubrandenburg platzt und der Angeklagte wird aus der U-Haft entlassen, weil ein Richter erkrankt und ein weiterer kurz vor der Rente steht. Sofort entbrennt ein politischer Streit um die Personalausstattung der Justiz.
Nach dem Platzen eines Prozesses am Landgericht (LG) Neubrandenburg wegen Richtermangels hat Landesjustizministerin Katy Hoffmeister personelle Verstärkung für das Gericht angekündigt. Sie habe die Situation in Neubrandenburg im Blick, sagte Hoffmeister am Mittwoch in Schwerin. "Zur Kompensation von krankheitsbedingten Ausfällen wurde das Landgericht Neubrandenburg bereits mit mehreren Richtern verstärkt. Eine weitere Verstärkung wird kurzfristig erfolgen." Sie stehe uneingeschränkt hinter den Beschäftigten in der Justiz, betonte die Ministerin.
Zugleich tobte am Mittwoch ein Streit in der Landespolitik um die Personalausstattung der Justiz. Die rechtspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Jacqueline Bernhardt, äußerte sich verwundert über Ministerpräsidentin Manuela Schwesig, die sich besorgt über die Situation gezeigt hatte. "Bereits seit Jahren weist meine Fraktion auf die zu geringe Personalausstattung in der Justiz hin und kritisiert deren Auswüchse wie etwa U-Haft-Entlassungen wegen nicht fristgerecht anberaumter Termine", sagte Bernhardt. "Jede einzelne unserer Forderungen nach mehr Personal in der Justiz wurde in den vergangenen Haushaltsberatungen auch von Frau Schwesigs SPD rigoros abgelehnt." Die vom Koalitionsausschuss zuletzt gewährten zusätzlichen 23 Stellen für Richter und Staatsanwälte seien nur ein Tropfen auf den heißen Stein.
Am Dienstag war am LG Neubrandenburg der Prozess um eine zu Tode gefolterte Frau aus Alt Rehse geplatzt. Grund war die längere Erkrankung eines Richters und die baldige Pensionierung eines weiteren Richters der Kammer. Der Haftbefehl gegen den 53 Jahre alten Angeklagten, der seit mehr als zwei Jahren hinter Gittern saß, wurde aufgehoben. Das LG Neubrandenburg hat seit Monaten Probleme wegen länger erkrankten Berufsrichtern. Derzeit sind drei der acht Strafrichter nicht im Dienst.
Expertengespräch zur Zukunft der Justiz
Die CDU stellte sich hinter Hoffmeister und nannte die 23 zusätzlichen Stellen einen "ersten richtigen Schritt". Ein Sprecher der Landtagsfraktion betonte zugleich, die Fraktion sei offen für eine Diskussion über die personelle Ausstattung sowie gute berufliche Entwicklungsperspektiven und Arbeitsbedingungen in der Justiz.
Die Justizgewerkschaften im Deutschen Beamtenbund (dbb) hatten sich am Dienstagabend mit Vertretern des Landtags und des Finanzministeriums getroffen und auf Personalengpässe in der Justiz hingewiesen, wie der dbb mitteilte. Der Landesvorsitzende Dietmar Knecht betonte, dass neben Richtern und Staatsanwälten auch bei anderen Beschäftigtengruppen der Justiz - von Gerichtsvollziehern bis hin zu Strafvollzugsbediensteten - etwas getan werden müsse. Er sprach von mangelnden Beförderungsaussichten, demotivierenden Dienstposten-Bewertungen, ungenügenden Fortbildungen, eingesparten Stellenzulagen, unzureichender Ausstattung mit Sicherheitskleidung, Stellenabbau und unprofessioneller Nachwuchsgewinnung.
Der justizpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Dirk Friedriszik, sagte, seine Fraktion nehme diese Kritik sehr ernst. "Zwar umfasst das kürzlich beschlossene Paket für Sicherheit neben der erhöhten Schichtzulage für Streifenpolizisten auch Stellen für Richter und Staatsanwaltschaften, doch darf nicht übersehen werden, dass es auch auf anderen Arbeitsebenen offenbar Engpässe gibt", räumte er ein. Im Rechtsausschuss sei daher am Mittwoch beschlossen worden, ein Expertengespräch zur Zukunft der Justiz durchzuführen. "Aus den Ergebnissen werden wir dann die nötigen Schlüsse ziehen."
dpa/mgö/LTO-Redaktion
Angeklagter musste aus U-Haft entlassen werden: . In: Legal Tribune Online, 06.09.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/30779 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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