Ob eine Entscheidung schon am Donnerstag fällt, scheint offen. Die Leipziger Richter beschäftigen sich aber nicht zum ersten Mal mit dem Fall. Was sich bereits absehen lässt und warum das letzte Wort nicht aus Leipzig kommen könnte.
Am Donnerstag wird das Richterdienstgericht Leipzig verhandeln, ob der Richter und Ex-AfD-Bundestagsabgeordnete Jens Maier in die sächsische Justiz zurückkehren darf oder vorzeitig in den Ruhestand versetzt wird. Ob Maier vor Gericht erscheint – was er nicht muss – ist genauso offen, wie die Dauer der Verhandlung. Und vor allem: Wird das Gericht am Ende des Tages schon eine Entscheidung treffen?
Die drei Richter in Leipzig beschäftigen sich jedenfalls nicht zum ersten Mal mit dem Fall. Im März 2022 entschieden sie in einem Eilverfahren, dass Maier die Dienstgeschäfte vorläufig untersagt werden können. Es ist eine vorläufige Entscheidung, aber sie enthält auch schon eine Auseinandersetzung mit den zentralen Argumenten für und gegen die Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand. Und sie lässt eine vorläufige Bewertung durch das Gericht erkennen.
Gefahrenabwehr für die Justiz?
Maier war von 2017 bis Ende 2021 Abgeordneter im Bundestag für die AfD, er wird der Strömung "Flügel" zugerechnet. Der Verfassungsschutz sieht den Flügel geprägt von u.a. völkischem Rassismus, der Idee um die Abschaffung des Parlamentarismus und von der Abwertung einzelner Minderheiten. Nachdem er kein neues Mandat erringen konnte, beantragte Maier für das Jahr 2022 seine Rückkehr in den Justizdienst. Eine gesetzliche Regelung verschafft Rückkehrern aus dem Bundestag darauf einen Anspruch.
Die Rückkehr Maiers hat viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen und eine Diskussion über die Konsequenzen für den Richter entfacht. Das sächsische Justizministerium hat sich entschieden, mit Nachdruck einen rechtlichen Weg zu verfolgen, der in juristisches Neuland führt. Nach der bislang wenig bekannten Vorschrift des § 31 im Deutschen Richtergesetz (DRiG) kann ein Richter vorzeitig in den Ruhestand versetzt werden, wenn durch Tatsachen außerhalb seiner Richterarbeit eine schwere Beeinträchtigung der Rechtspflege droht. Anders als im Disziplinarrecht ist dieser Weg nicht als Sanktion gegen den Richter angelegt, sondern eher eine Art Gefahrenabwehr für die Justiz. So müsste Maier bei einer Versetzung auch nicht die Kürzung seines Ruhegehalts als Sanktion befürchten.
Bislang gibt es so gut wie keine Fälle, in denen Richter aufgrund dieser Vorschrift vorzeitig in den Ruhestand geschickt wurden. Der Verfassungsrechtler Klaus Ferdinand Gärditz hat auf zwei Sonderfälle – einmal Kinderpornografie, einmal Kontakte ins Rotlichtmilieu – in der Vergangenheit dieses Paragrafen aufmerksam gemacht.
Ein Justizministerium kann einen Richter oder Staatsanwalt nicht ohne weiteres in den Ruhestand schicken oder überhaupt aus dem Dienst entfernen – und das aus guten Gründen nicht. Denn sonst wäre es für die politische Verwaltung ein leichtes, die unabhängige Richterschaft auf Linie zu bringen, von der Gewaltenteilung zwischen Exekutive und Judikative bleibt dann letztlich nichts mehr übrig. Wann eine schwere Beeinträchtigung der Rechtspflege, wie sie der § 31 DRiG vorsieht, vorliegt, muss das Dienstgericht entscheiden. Es setzt sich nach einem speziellen, aber für allen Fälle festgelegten Schlüssel aus drei Richtern zusammen, die aus unterschiedlichen Gerichtsbarkeiten stammen. Entscheiden werden ein Vorsitzender Richter des Verwaltungsgericht Dresden, ein Richter des Landgerichts (LG) Leipzig und ein Richter des Amtsgerichts Auerbach. Angesiedelt ist das Gericht beim LG Leipzig. Der Weg zur angestrebten Versetzung in den Ruhestand kann für das Justizministerium nur über das Dienstgericht führen.
Gericht im Eilverfahren: "nicht verfassungstreu, unparteiisch, uneigennützig"
Das Justizministerium Sachsen stützt sich in seiner Argumentation ganz wesentlich auf die Einstufung durch den Verfassungsschutz, um zu begründen, warum Maier unter keinen Umständen zurück an ein Gericht darf. Die Begründung des Richterdienstgerichts zur Eilentscheidung aus März 2022 führt die Einstufung als zentrales Argument an. Immer wieder wird darauf zurückgegriffen, etwa, wenn das Ministerium begründet, warum die Versetzung in den Ruhestand "zwingend geboten" sei, so argumentiert das Ministerium: "Die Einstufung als Rechtsextremist in dem Verfassungsschutzbericht führe dazu, dass die Allgemeinheit kein Vertrauen mehr in jegliche richterliche Tätigkeit des Antragsgegners habe." Es fehle damit an der für die Richter wesentlichen Sachlichkeit, Unparteilichkeit und Distanz. Außerdem lebe das Vertrauen der Öffentlichkeit in das Richteramt davon, dass sich die Amtsträger mit der freiheitlich demokratischen Grundordnung identifizierten und für sie eintreten. Dem sei mit der Einstufung durch den Verfassungsschutz die Grundlage entzogen. Am Ende müsste ein Richter "im Namen des Volkes" sein Urteil sprechen können.
Es ist zu erwarten, dass Maier bzw. sein Anwalt in der Verhandlung am Donnerstag diese Einschätzung angreifen werden. Maier hat nämlich im März 2022 beim Verwaltungsgericht Dresden eine Klage eingereicht, die in der sächsischen Justizverwaltung aufmerksam zur Kenntnis genommen wurde. Unter dem Aktenzeichen Az. 6 K 620/22 will Maier erreichen, dass der sächsische Verfassungsschutz ihn nicht als "rechtsextrem" einstuft. In dem Verfassungsschutzbericht aus dem Jahr 2020 wird er als "Obmann" des sogenannten "Flügels" der AfD für Sachsen genannt. Nach Informationen von LTO argumentiert Maier in diesem Verfahren, dass es vor der Einstufung keine vorherige Anhörung gegeben habe und er sich selbst nicht als Rechtsextremist bzw. Fall einer rechtsextremistischen Bestrebung sieht. Im Verfassungsschutzbericht wiedergegebene Äußerungen seien sinnentstellt worden.
Dieser Rechtsstreit in Dresden erinnert an einen wohl wichtigen Punkt. Am Ende wird es vor dem Dienstgericht in Leipzig nicht um die Tatsache der Einstufung durch den Verfassungsschutz an sich gehen, sondern um die Tatsachen, die der Einschätzung zugrunde liegen. Dazu verweist der Verfassungsschutz auf diverse Aktivitäten für den inzwischen formell aufgelösten "Flügel".
Daneben geht es auch um Aussagen Maiers aus der Zeit vor seinem Bundestagsmandat, sowie um Aussagen während seiner Zeit als Abgeordneter abseits des Bundestags. Aussagen im direkten Zusammenhang mit seiner Arbeit als Abgeordneter sind wegen Art. 46 Grundgesetz für eine Verwertung gesperrt, was er daneben aber bei politischen Auftritten oder auf Social Media äußerte, ist sehr wohl verwertbar.
Für das Dienstgericht war bei seiner Entscheidung von März 2022 etwa ein Post auf Twitter mit ausschlaggebend, indem Maier geschrieben haben soll: "Wenn Angeklagte 'AfD-Richter' fürchten, haben wir alles richtig gemacht." Der Tweet aus März 2019 fiel aus Sicht des Dienstgerichts deshalb besonders ins Gewicht, weil Maier hier seine eigene Rolle als Richter zum Gegenstand macht und seine Nachricht den Eindruck erweckt, dass solche Richter ein eigenes Programm verfolgen.
Zusammenfassend kommt das Gericht in der Eilentscheidung zum Ergebnis: Maier erscheine "zum gegenwärtigen Zeitpunkt als Richter nicht mehr tragbar im oben genannten Sinne, nachdem zumindest in einem weiten Kreis der gerade auch von seiner Amtsführung Betroffenen der Eindruck entstanden sein dürfte, der Antragsgegner werde sein Amt nicht verfassungstreu, unparteiisch, uneigennützig und ohne Ansehen der Person führen."
Gegen Entscheidung wäre auch Revision möglich – zum BGH
Das Landgericht Dresden sammelt und ermittelt im Hintergrund noch für ein Disziplinarverfahren gegen Maier, ein anderer juristischer Weg, Material dafür scheint es auch zu geben. Offenbar sieht man den Weg über die Versetzung in den Ruhestand als schnellste und wirkungsvollste Lösung. Rechtliche Erfahrung mit dem § 31 DRiG hat der Anwalt von Maier, Jochen Lober, schon gewinnen können. In einem Verfahren um eine Berliner Richterin, scheiterte der Versuch der Justizverwaltung die AfD-Rückkehrerin aus dem Bundestag aus dem Justizdienst zu entfernen. Die Verwaltung konnte aus Sicht des Verwaltungsgerichts Berlin im Oktober 2022 keine Aussagen der Frau außerhalb des Bundestags aufbieten, die eine Entfernung hätten rechtfertigen können.
Egal, ob das Dienstgericht in Leipzig schon am Donnerstag oder erst einige Tage später seine Entscheidung trifft. Maier bleibt auch dann noch die Option, weiter gegen die Entscheidung vorzugehen. Nach Auskunft der Pressesprecherin für das Dienstgericht wäre dann aber nur die Revision zuzulassen, als nächstes müsste sich dann schon das Dienstgericht des Bundes mit dem Fall beschäftigen, ein Spezialsenat beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe.
Anm. d. Red.: Beitrag in der Version vom 1.12.2022, 09.49 Uhr, korrigiert wurde, dass nicht das sächsische Justizministerium sondern das Landgericht Dresden das Disziplinarverfahren führt.
Darf der rechtsextreme Richter zurück in die Justiz?: . In: Legal Tribune Online, 30.11.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/50337 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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