Eigentlich wollten die Justizminister der Länder im Juni in Bremen tagen. Stattdessen gibt es nun schon am Montag eine Videokonferenz. Auf der Tagesordnung steht vor allem der Austausch zum Umgang mit der Corona-Epidemie in der Justiz.
Schon Anfang April hatte sich die Bremer Senatorin für Justiz und Verfassung, Claudia Schilling (SPD), dazu entschieden, die eigentlich für den 17. und 18. Juni in Bremen geplante Justizministerkonferenz (Jumiko) Corona-bedingt abzusagen - Schilling hat in diesem Jahr den Vorsitz inne. Dennoch gibt es offenbar Redebedarf unter den Justizministern der Länder, die sich ansonsten zweimal jährlich treffen. Deshalb soll nun am kommenden Montag um 12 Uhr eine Videokonferenz stattfinden. Das teilte Schilling auf Anfrage von LTO mit. Die Videokonferenz sei "nicht als Ersatz, sondern als Ergänzung zur eigentlichen Jumiko" geplant.
"Wir haben uns frühzeitig für eine Absage und eine verlängerte Konferenz im Herbst entschieden", so Schilling gegenüber LTO, " gleichwohl wirft die derzeitige Situation zahlreiche justizpolitische Fragen auf, bei denen mir und vielen meiner Kolleginnen in den Ländern ein gemeinsamer Austausch wichtig war."
Auf der Tagesordnung, die LTO vorliegt, steht hauptsächlich der Austausch der Justizminister zu "Herausforderungen der Corona-Epidemie". Dabei soll es insbesondere um die Digitalisierung der Justiz gehen. Nachdem viele Gerichte den Betrieb zunächst weitgehend eingestellt hatten, fahren sie inzwischen wieder hoch. Dennoch müssen Maßnahmen zum Infektionsschutz getroffen werden – eine wichtige Rolle spielen dabei Verhandlungen per Video.
Videoverhandlungen und audiovisuelle Anhörungen
Die Länder Berlin, Bremen, Hamburg, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Thüringen haben einen Beschlussvorschlag vorgelegt, der eine weitergehende Digitalisierung der Justiz fordert. In dem Papier, das LTO vorliegt, heißt es, die Corona-Pandemie solle "als Ausgangspunkt für eine zügige und flächendeckende Ausstattung der Justiz mit den technischen Voraussetzungen für die Nutzung von Videokonferenzen verstanden werden". Dabei müssten auch Datenschutz und Informationssicherheit berücksichtigt werden. Notwendig sei insbesondere mehr und ausreichend qualifiziertes Personal, der Ausbau von IT-Infrastrukturen, die Ausweitung von Telearbeit und online-gestützte Fortbildungen.
Ob es überhaupt einen offiziellen Beschluss geben wird, wie es nach einer regulären Jumiko üblich ist, steht allerdings noch nicht fest.
Auf der Tagesordnung stehen auch audiovisuelle Anhörungen in Betreuungs-, Unterbringungs- und Freiheitsentziehungssachen. Hier geht es darum, dass Richter sich vor einem Beschluss einen persönlichen Eindruck von einem Betroffenen verschaffen müssen – in der Regel fahren sie dazu etwa in die Psychiatrie oder ins Gefängnis. Audiovisuelle Anhörungen sollen das ersetzen, so stellt etwa Hamburg mittlerweile Tablets für Haftprüfungen bereit.
Außerdem soll es um Möglichkeiten gehen, Entscheidungen in Zivilverfahren häufiger ohne mündliche Verhandlung zu treffen sowie um Erleichterungen bei der Ausschlagung einer Erbschaft. Zudem wollen sich die Justizminister über Best-Practice-Beispiele aus den verschiedenen Ländern austauschen: So wird etwa Baden-Württemberg über die elektronische Akte und Videoverhandlungen berichten, Hessen über den digitalen Servicepoint als Anlaufstelle der Justizbehörden und über digitale Möglichkeiten in der Referendarsausbildung und Niedersachsen über ein zentrales Termin- und Sitzungssaalmanagement.
Schilling betonte, man wolle sich darüber austauschen, wo einheitliche Lösungen der Länder und des Bundes nötig seien und wo nicht. Wo es "möglich und sinnvoll" ist, wolle man gemeinsame Linien finden.
Ein Epidemiegerichtsgesetz für alle?
Ein weitgehender justizpolitischer Vorschlag wird derzeit noch zwischen den Ländern diskutiert: Ein Epidemiegerichtsgesetz. Die Idee: Ein Gesetz, das für die Gerichte des Bundes und der Länder (mit Ausnahme der Verfassungsgerichte) solange gilt, wie eine vom Bundestag festgestellte epidemische Lage von nationaler Tragweite andauert udn rahmenbedingungen für den Gerichtsbetrieb aufstellt. Ein entsprechender Entwurf wird derzeit in Schleswig-Holstein erarbeitet.
Der schleswig-holsteinische Justizminister Claus Christian Claussen (CDU) sagte dazu gegenüber LTO: "Das Epidemiegerichtsgesetz steht nicht ausdrücklich auf der Tagesordnung der Video-Jumiko, zahlreiche der dort enthaltenen Regelungen werden aber im Rahmen der Diskussionen thematisiert werden. Es soll die Handlungsfähigkeit der Gerichte während der Corona-bedingten Ausnahmesituation erhalten sowie für künftige epidemische Lagen von nationaler Tragweite sichern."
Der Hamburger Justizsenator Till Steffen (Grüne) erklärte allerdings gegenüber LTO: "Regelungen, die nur in einem Pandemiefall greifen, bieten nur holzschnittartige Lösungen und drohen rechtsstaatliche Grundsätze zu verwässern." Es komme vielmehr darauf an, "auch außerhalb der Krise noch stärker von den Vorteilen der Digitalisierung profitieren". Dabei gehe es um "rechtssichere und solide Lösungen und die Gewährleistung eines zeitgemäßen, effizienten, niedrigschwelligen und barrierefreien Zugangs zum Recht."
Für Claussen, der das Amt erst Anfang Mai von Sabine Sütterlin-Waack übernommen hat, ist es die erste Justizministerkonferenz: "Auch wenn es eine abgespeckte Konferenz ohne persönliche Begegnungen sein wird, bin ich doch gespannt darauf, wie in diesem Kreis über aktuelle rechtspolitische Fragestellungen diskutiert wird."
Die Justizministerkonferenz im Herbst, die normalerweise in Berlin stattfindet, soll auf drei Tage verlängert werden und voraussichtlich im November in Bremen stattfinden.
Corona und Digitalisierung der Gerichte auf der Tagesordnung: . In: Legal Tribune Online, 15.05.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/41637 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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