Die Betreiber sozialer Netzwerke müssen besser mit den Strafverfolgern zusammenarbeiten, fordern die Justizminister der Länder. Das BMJV soll sich zudem für neue Regeln zur Vorratsdatenspeicherung einsetzen und Whistleblower besser schützen.
Vor der Schleswig-Holsteinischen Landesvertretung demonstriert eine kleine Gruppe Campact-Aktivisten mit blauen Schildern und roten Pflastern auf dem Mund gegen Hass im Netz. Und auch drinnen, wo gerade die Justizminister der Länder ihre halbjährliche Konferenz beendet haben, ist klar: Die Bekämpfung von Hate Speech war ein bestimmendes Thema.
Die Justizminister wollen den Druck auf Facebook, Twitter und andere soziale Netzwerke hochhalten. Sie sollen stärker gegen Hass auf ihren Seiten vorgehen und vor allem besser mit den Staatsanwaltschaften zusammenarbeiten. "Wir erwarten von den Betreibern sozialer Netzwerke, dass sie Auskunftsersuchen der Strafverfolgungsbehörden nachkommen", betont die schleswig-holsteinische Justizministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU). "Sie sind dazu verpflichtet, auch wenn das Unternehmen seinen Sitz im Ausland hat." Die Bundesjustizministerin solle deshalb prüfen, wie die Zugriffsmöglichkeiten der Strafverfolgungsbehörden auf die relevanten Daten bei den Netzwerkbetreibern verbessert werden können, wenn der Anfangsverdacht einer Straftat besteht, heißt es in dem Beschluss, den die Minister am Donnerstag bei ihrer Herbstkonferenz fassten.
Bisher verweist etwa Facebook bei Anfragen der Ermittler in der Regel auf das internationale Rechtshilfeverfahren MLAT. Das allerdings ist umständlich und dauert lange, teilweise sind die übermittelten Daten, etwa IP-Adressen, dann schon nicht mehr aktuell, wenn sie bei den deutschen Behörden ankommen. Facebook hat mittlerweile zwar gegenüber dem Bundesinnenministerium zugesagt, künftig nicht mehr auf das MLAT zu verweisen, sondern Anfragen direkt zu bearbeiten. "Aber Facebook reagiert offenbar nur auf hohen Druck. Da müssen wir dranbleiben", so der Hamburger Justizsenator Till Steffen (Grüne).
Prüfen: Online-Beratungsstellen und mehr Löschpflichten
Die Justizminister machen deshalb weitere Vorschläge: So solle die Bundesjustizministerin gemeinsam mit den Ländern prüfen, ob Online-Beratungsstellen für die Opfer von Hasskriminalität im Internet eingerichtet werden könnten, die den Betroffenen Beratung und Unterstützung bieten. Der Vorschlag kam aus Hamburg. " Es ist sehr wichtig, dass wir die Perspektive der Opfer mit in den Blick nehmen", so Steffen. "Wir wollen die Leute bestärken und Wege aufzeigen, wie sie sich wehren können."
Auch die hessische Justizministerin Eva Kühne-Hörmann (CDU) betonte, es sei wichtig, die Meinungsfreiheit im Netz zu stärken. Es dürfe nicht sein, dass "die, die sich äußern, so schnell mundtot gemacht werden, dass sie sich gar nicht mehr äußern". Sie habe in Hessen gute Erfahrungen damit gemacht, bei der Bekämpfung von Hass im Netz mit Nichtregierungsorganisationen wie HateAid und Reconquista Internet zusammenzuarbeiten.
Darüber hinaus halten die Justizminister eine weitere Nachbesserung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) für prüfenswert: Möglicherweise könnten die im NetzDG geregelten Löschpflichten nach einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom Oktober dieses Jahres ausgeweitet werden, so dass nicht nur der konkrete Post, sondern auch wortgleiche rechtswidrige Posts und möglicherweise auch sinngemäß inhaltsgleiche Beiträge gelöscht werden müssten.
Viel Pathos, aber kein "krisenfestes Grundgesetz"
Ein anderes Thema bleibt dagegen umstritten: Die Vorratsdatenspeicherung. Bayern und die CDU-Justizminister, die in der Justizministerkonferenz die Mehrheit stellen, betonen in ihrem Beschluss, eine verbindliche Verkehrsdatenspeicherung sei für die erfolgreiche Bekämpfung von Straftaten "unverzichtbar". Das gelte gerade auch für die Bekämpfung von Hate Speech, so Kühne-Hörmann. Die Bundesjustizministerin solle sich deshalb auf europäischer Ebene "nachdrücklich für die zeitnahe Schaffung gültiger europarechtlicher Vorgaben" einsetzen.
Mit großer Mehrheit hat man sich auf einen weiteren Beschluss geeinigt: Für den Einsatz sogenannter V-Personen, also Vertrauenspersonen, die in kriminellen oder extremistischen Kreisen vernetzt sind und heimlich dem Staat Informationen liefern, müsse eine rechtssichere Regelung geschaffen werden.
Dass die Herbst-Justizministerkonferenz zwischen den 70. Jahrestag des Grundgesetzes und den 30. Jahrestag des Mauerfalls fiel, nahmen die Justizminister zum Anlass für einen Beschluss mit viel historischem Pathos: "Die Justizministerinnen und Justizminister betonen, dass das Grundgesetz auch 70 Jahre nach seinem Inkrafttreten Garant für die Stabilität unseres freiheitlich demokratischen Rechtsstaats ist", heißt es darin. Es sei die gemeinsame Verantwortung der staatlichen Institutionen und der Bürger, die bewährte Verfassungsordnung "auch gegen Anfeindungen zu erhalten, zu stärken und täglich mit neuem Leben zu erfüllen."
Dieser Beschluss ersetzt einen Vorschlag aus Hamburg, der gefordert hatte, das "Grundgesetz krisenfest" zu machen. Dabei ging es unter anderem darum, die Autonomie des Bundesverfassungsgerichts stärker zu schützen, etwa mit einer Zweidrittel-Mehrheit für die Wahl der Verfassungsrichter und mit einer Änderung der Regeln zur Geschäftsverteilung. Auf konkrete Vorschläge wollten sich allerdings die CDU-Minister nicht einlassen. "Siebzig Jahre Grundgesetz sind ein Erfolgsmodell", so Kühne-Hörmann: "Ich sehe nicht, dass wir hier Handlungsbedarf haben."
Pakt für den Rechtsstaat schnell umsetzen
Dafür betonten die Justizminister, dass der Pakt für den Rechtsstaat schnell umgesetzt werden müsse, mit dem der Bund die Länder unterstützen will, insbesondere um dem Personalmangel an den Gerichten zu begegnen. Hier gibt es noch Streit mit der Bundesregierung um Details der Auszahlung.
Die Länder sprachen sich außerdem dafür aus, dass die deutsche Richterakademie, die Fortbildungen für Richter und Staatsanwälte anbietet, weiterhin zur Hälfte vom Bund finanziert wird. Der Bundesrechnungshof hatte den hohen Anteil des Bundes kritisiert. Das Bundesjustizministerium will die fünfzigprozentige Unterstützung aber grundsätzlich beibehalten.
Auf Initiative aus Berlin beschlossen die Justizminister außerdem, den Schutz von Whistleblowern zu stärken. Die Bundesjustizministerin solle dazu die EU-Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen EU-Recht melden, schnell in die Wege leiten. Bei der Umsetzung solle der Schutz dann auch auf Betroffene ausgeweitet werden, die Verstöße gegen nationales Recht melden.
Justizministerkonferenz 2019: . In: Legal Tribune Online, 07.11.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/38599 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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