Änderungen im Asylprozessrecht, Umgang mit Social Bots, schärferes Terrorismusstrafrecht: In Berlin sitzt zwar noch kein neuer Bundesjustizminister mit am Tisch, die Länder diskutieren aber schon mal Forderungen an die künftige Koalition.
Die Justizminister der Länder wollen auf ihrer Konferenz am Donnerstag einen neuen Anlauf nehmen, um die Verwaltungsgerichte in Asylverfahren zu entlasten. Die Besonderheiten des Asylprozessrechts führen dazu, dass es an Leitentscheidungen der Oberverwaltungsgerichte und des Bundesverwaltungsgerichts fehlt, die strittige Fragen allgemeinverbindlich klären könnten.
Der Hamburger Justizsenator Till Steffen (Grüne) spricht sich deshalb dafür aus, in asylrechtlichen Eilverfahren eine zweite Instanz zu eröffnen. Hier brauche es "einheitliche Linien," sagt Steffen gegenüber LTO. "Eine weitere Instanz hilft, genau dies herzustellen." Damit könne über Anträge auf einstweiligen Rechtsschutz insgesamt schneller und einfacher entschieden werden: "Das entlastet die Verwaltungsgerichte, die diesbezüglich jede Unterstützung brauchen können."
Entscheidungen seien dadurch zudem eher absehbar. Das helfe den Verwaltungsbehörden und auch den Flüchtlingen, so Steffen weiter. "Zudem bekommen Flüchtlinge durch eine weitere Instanz mehr Rechtsschutz."
Verwaltungsrichter fordern seit langem Änderungen im Prozessrecht, um zu einer einheitlicheren Rechtsprechung zu kommen. Auch eine Arbeitsgruppe der Justizministerkonferenz hat sich für Änderungen des Asylprozessrechts ausgesprochen.
Die Zahl der Asylverfahren ist in diesem Jahr sprunghaft angestiegen, die Verwaltungsgerichte kommen mit der Bearbeitung kaum noch hinterher. Schon zum Ende des ersten Halbjahres 2017 waren nach Angaben der Gerichte mehr als 320.000 Verfahren anhängig.
Kennzeichnungspflicht für Social Bots
Außerdem stehen auf der Agenda der Justizminister Regelungen zum Umgang mit Social Bots. Dabei geht es um Computerprogramme, die Nachrichten in sozialen Netzwerken verbreiten und dabei vorgeben, es handele sich um Mitteilungen echter – also menschlicher – Nutzer. Künftig könnten die Betreiber sozialer Netzwerke verpflichtet werden, Beiträge von Social Bots zu kennzeichnen. Das schlägt eine Arbeitsgruppe aus vierzehn Ländern in ihrem Abschlussbericht vor, der LTO vorliegt.
Der Bundesgesetzgeber könnte im Telemediengesetz eine entsprechende Kennzeichnungspflicht vorsehen. Zudem solle die Bundesregierung aufgefordert werden, sich auf europäischer Ebene für entsprechende Regelungen einzusetzen. Um die Kennzeichnungspflicht durchzusetzen, spricht sich die Arbeitsgruppe für effektive Bußgelder bei Verstößen aus.
Social Bots gelten vor allem deshalb als problematisch, weil einzelne Akteure damit massenhaft Nachrichten im Netz verbreiten können und so den Anschein erwecken, sehr viele Nutzer teilten ihre Meinung. Das könnten sich etwa Parteien im Wahlkampf zu Nutze machen. Einen besonderen Handlungsbedarf im Parteienrecht sehen die Länder aber derzeit nicht.
2/2: Bayern macht Druck bei der Terrorbekämpfung
Die Justizminister diskutieren außerdem zahlreiche Änderungen im Straf- und Strafprozessrecht. Dazu gehören die Vorschläge des Strafkammertags, der kurz nach der Bundestagswahl weitere Reformen gefordert hatte, um das Strafverfahren effektiver und praxistauglicher zu gestalten.
Nachdem das Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen die Speicherpflicht für Telefonanbieter und Internet-Provider vorerst ausgesetzt hat, fordert Bayern eine Regelung, um kurzfristig sicherzustellen dass die Strafverfolgungsbehörden wieder Zugriff auf bei den Mobilfunkanbietern gespeicherte Standortdaten erhalten. Damit lässt sich nachvollziehen, aus welcher Funkzelle über einen Anschluss telefoniert oder eine Internetverbindung genutzt wurde. Die aktuelle gesetzliche Regelung, die den Ermittlern den Zugriff auf verpflichtend gespeicherte Daten ermöglicht, läuft derzeit leer, weil die deutsche Rechtslage nach Ansicht des OVG gegen europäische Datenschutzrichtlinien verstößt.
Bayern und Hessen wollen zudem die Ermittlungsbehörden im Kampf gegen Kriminalität im Darknet stärken. "Wir müssen unseren Strafverfolgungsbehörden auch das notwendige Instrumentarium zur Verfügung stellen, damit sie in die verschlungenen beziehungsweise auf Tarnung angelegten Strukturen des Darknets eindringen können und die Täter noch besser zur Verantwortung gezogen werden", sagt der bayerische Justizminister Winfried Bausback (CSU).
Bayern macht außerdem Druck für ein schärferes Terrorismusstrafrecht. Hier bestehe "einiger Nachbesserungsbedarf," so Bausback. Insbesondere müsse die sogenannte Sympathiewerbung für terroristische Vereinigungen wieder unter Strafe gestellt werden. Derzeit sieht § 129a Strafgesetzbuch (StGB) zwar eine Freiheitstrafe von bis zu fünf Jahren vor, wenn jemand Mitglieder oder Unterstützer für eine terroristische Vereinigung wirbt. Bloße Sympathiebekundungen sind davon jedoch nicht umfasst.
Bausback fordert auch, schon den Versuch von Unterstützungshandlungen ausdrücklich unter Strafe zu stellen. "Es kann nicht sein, dass etwa Waffenlieferanten für den IS, die an einer Grenze gestoppt werden, allenfalls über juristische Krücken verfolgt werden können, weil ihre Hilfe den Adressaten noch nicht erreicht hat." Die Strafbarkeit des Versuchs solle deshalb ebenfalls in § 129a StGB ergänzt werden.
Sexualstrafrecht neu strukturieren
Voraussichtlich werden die Landesjustizminister sich für weitere Reformen im Sexualstrafrecht aussprechen – das wäre dann eine umfangreiche Aufgabe für die künftige Koalition. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) hatte eine Sachverständigenkommission eingesetzt, die im Juli dieses Jahres zahlreiche Vorschläge für eine Neuregelung des Sexualstrafrecht gemacht hat. Damit sollen diverse Wertungswidersprüche und Unstimmigkeiten beseitigt werden.
Die von der SPD geführten Länder wollen sich außerdem für einen besseren Schutz von Whistleblowern einsetzen. Das Land Berlin schlägt vor, Vertrauenspersonen zur Korruptionsbekämpfung in den Kreis der Berufsgeheimnisträger aufzunehmen, so dass ihnen –ähnlich wie Rechtsanwälten und Ärzten – im Strafverfahren ein Zeugnisverweigerungsrecht zusteht. Damit wären sie nicht gezwungen ihre Quelle zu nennen, wenn sich ein Whistleblower mit Hinweisen an sie wendet.
Weitere Punkte auf der Tagesordnung sind unter anderem die Herausforderungen für die Justiz im Bereich Legal Tech, Möglichkeiten zur Harmonisierung der juristischen Prüfungen und der Reformbedarf im Zivilprozess. Die Konferenz findet am Donnerstag in Berlin statt, den Vorsitz hat das Land Rheinland-Pfalz.
Annelie Kaufmann, Herbstkonferenz der Justizminister: Einheitliche Linien im Asylverfahren . In: Legal Tribune Online, 08.11.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/25425/ (abgerufen am: 18.07.2024 )
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