Die Sozialdemokraten sehen die Europawahl als eine "Schicksalswahl". Am Wochenende wurden die Weichen gestellt: Justizministerin Katarina Barley geht als Spitzenkandidatin aus Deutschland ins Rennen und wird wohl nach Brüssel wechseln.
Die SPD warnt vor einem dramatischen Rechtsruck in Europa und setzt im Kampf dagegen auf Katarina Barley: Die bisherige deutsche Justizministerin ist am Sonntag mit einer Zustimmung von 99 Prozent zur SPD-Spitzenkandidatin für die Europawahl am 26. Mai bestimmt worden. Zum europäischen Spitzenkandidaten aller sozialdemokratischen Parteien wurde allerdings bereits am Samstag in Lissabon der Vizechef der EU-Kommission, der Niederländer Frans Timmermans, gewählt. Während er EU-Kommissionspräsident werden will, könnte Barley eine führende Rolle im Europaparlament übernehmen.
Bei 194 gültigen Stimmen votierten 192 Mitglieder bei einer Delegiertenkonferenz in Berlin für Barley. Die 50-Jährige will ihren Kabinettsposten aufgeben und nach der Wahl nach Brüssel wechseln. Sie rief ihre Partei zu einem energischen, "geilen" Wahlkampf auf, das europäische Einigungsprojekt stehe am Scheideweg. "Wir müssen alle raus aus der Komfortzone". Angesichts von SPD-Umfragewerten unter 15 Prozent sagte die Deutsch-Britin: "Wir sind eine großartige, schlagkräftige Partei. Ich finde, das sollten wir viel öfter nach vorne stellen." Man müsse das "soziale Europa" stärken. So forderte sie einen europäischen Mindestlohn und eine europäische Arbeitslosenversicherung. Den deutschen Mindestlohn von 8,84 Euro bezeichnete Barley als "verdammt niedrig".
Unmut um Besetzung weiterer Listenplätze
Auf Platz zwei der SPD-Liste wurde der Fraktionschef der europäischen Sozialdemokraten im Europaparlament, Udo Bullmann, mit 97,4 Prozent gewählt. Im Vorfeld gab es nach einem Eingreifen des Vorstands viel Streit um die Kandidaten-Liste. Es blieb nun dabei, dass die stellvertretende Juso-Chefin Delara Burkhardt (26) auf Listenplatz fünf kandidiert und damit wohl in das Europaparlament einzieht - zum Ärger des SPD-Landesverbands Schleswig-Holstein war der nominierte Enrico Kreft ausgebootet worden. Er verlor eine Kampfkandidatur um Platz 20 schließlich mit nur 33 Stimmen gegen den Europaabgeordneten Jo Leinen. Auf den aussichtsreichsten ostdeutschen Platz 11 wurde Constanze Krehl aus Sachsen gewählt. Bei einem Wahlergebnis von 15 Prozent gelten etwa 15 Plätze als sicher für den EU-Parlamentseinzug.
Der gesamt europäische Spitzenkandidat der Sozialdemokraten Timmermans wird im Wahlkampf der große Rivale des konservativen Kandidaten Manfred Weber (CSU), der für die Europäische Volkspartei antritt. Beide wollen Nachfolger von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker werden. EVP-Wahlkampfdirektor Dara Murphy begrüßte, dass auch die Sozialdemokraten nun einen Kandidaten ausgesucht hätten. Man freue sich auf die Debatten. Beim Kongress der Sozialdemokraten habe man aber nur Altbekanntes gehört.
Sozialdemokraten sprechen von "Schicksalswahl"
In einer umjubelten Rede in Lissabon versprach Timmermans einen Pakt für ein sozialeres Europa und Widerstand gegen nationalistische Populisten. "Bei diesen Wahlen geht es um die Seele Europas", sagte der frühere niederländische Außenminister. Konservative wie die Europäische Volkspartei, für die Weber antritt, wollten nur den Status quo verwalten, während Nationalisten das europäische Projekt zerstören wollten. Seine Ziele seien bessere Löhne, mehr Schutz für kleine Dienstleister wie Pizzaboten, eine faire Besteuerung von Digitalriesen und Superreichen, ein Abbau der Lohnlücke zwischen Männern und Frauen, Schutz vor sexueller Gewalt und ein Klima- und Umweltschutz mit Hilfen für die vom Wandel betroffenen Bürger.
In der Migrationspolitik warb er für Integration und eine viel engere Zusammenarbeit mit Afrika. Die Aufgabe sei vergleichbar mit der Aussöhnung von Frankreich und Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg. "Es ist eine Schicksalsfrage", sagte er. Verfalle man darauf, Zuwanderer nicht mehr als Menschen zu sehen, sterbe die eigene Menschlichkeit – "dann sind wir keine Europäer mehr". Timmermans war anschließend am Sonntag auch bei der SPD-Konferenz in Berlin dabei.
Bei der vergangenen Europawahl 2014 landete die SPD mit Spitzenkandidat Martin Schulz bei 27,3 Prozent. Schulz betonte am Sonntag bei Twitter in Anlehnung an das SPD-Wahlkampfmotto: "Europa ist die Antwort" - grenzüberschreitende Herausforderungen wie Klimawandel, Migration und Steuertricks von Konzernen löse man nur gemeinsam. Generalsekretär Lars Klingbeil sagte, der Ex-Berater von US-Präsident Donald Trump, Stephen Bannon, arbeite in Brüssel mit vielen Kräften daran, Europa kaputt zu machen. "Das ist wahrscheinlich die wichtigste Europawahl, die es in der Geschichte der Europäischen Union gegeben hat."
dpa/mgö/LTO-Redaktion
Justizministerium: . In: Legal Tribune Online, 10.12.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/32625 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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