Wieder gelangten rund 6.000 neue Verfahren nach Karlsruhe, in Asylsachen immerhin weniger als erwartet. Dennoch muss sich das Gericht seine Kapazitäten gut einteilen: 2019 lauern Mietpreisbremse, Sterbehilfe und Vorratsdatenspeicherung.
Als der Präsident des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) Andreas Voßkuhle am Dienstag in Karlsruhe auf die Eingangszahlen in Asylsachen zu sprechen kam, gingen sogleich einige Blicke im Raum auf die Suche nach dem zuständigen Richter Ulrich Maidowski. Im vergangenen Jahr saß der nämlich nicht beim Jahrespresseempfang, sondern stattdessen in seinem Dienstzimmer über einem Eilantrag, mit dem eine Rechtsanwältin eine bereits laufende Abschiebung nach Afghanistan stoppen wollte. Eigentlich hätte Maidowski an diesem Tag selbst über die angestiegenen Zahlen bei Asylfällen berichten sollen.
Dieses Jahr war er unter den Anwesenden, eine dramatische Eilentscheidung stand nicht an. Vielleicht auch deshalb nicht, weil sich die Zahl der Asylverfahren beim obersten deutschen Gericht 2018 stabilisiert hat: Der erwartete Anstieg bei den Verfassungsbeschwerden gegen Gerichtsentscheidungen in Asylverfahren sei ausgeblieben, sagte Voßkuhle. Mit 272 Verfassungsbeschwerden und 13 reinen Eilfällen blieben die Zahlen in diesem Bereich sogar unter denen im Vorjahr.
Tendenz stabil: Rund 6.000 neue Verfahren pro Jahr
Das trägt auch dazu bei, dass sich die Verfahrenszahlen insgesamt stabilisieren. Im Jahr 2018 gelangten knapp 6.000 neue Verfahren ins Register beim Karlsruher Gericht. In den Vorjahren von 2015 bis 2017 bewegten sich die Eingangszahlen zwischen 5.700 und 6.000 neuen Verfahren, davor gab es mit über 6.800 neuen Verfahren 2014 einen besorgniserregenden Höchststand.
Mit den rund 6.000 neuen Verfahren pro Jahr scheint das Gericht klar zu kommen, dennoch arbeiteten die Richter an der Belastungsgrenze. "Es handelt sich um eine Arbeitsbelastung, die mit den vorhandenen Ressource angesichts des hohen Engagements der Mitglieder und Beschäftigten des Gerichts gerade noch zu meistern ist", so Voßkuhle.
Umso wichtiger bleibt für das Gericht, seine begrenzten Ressourcen zu konzentrieren, etwa auf verfassungsrechtlich bedeutungsvolle Fragestellungen, also das Kerngeschäft des Gerichts. Im Jahr 2018 hat das BVerfG in großen Senatsverfahren so etwa zur Bemessung der Grundsteuer entschieden, zum Rundfunkbeitrag sowie zum Streikverbot für Beamte oder zur Patientenfixierung.
BVerfG muss auch unbegründet abweisen können
Sozusagen überlebensnotwendig für die Funktionsfähigkeit des Gerichts sei deshalb das Annahmeverfahren für Verfassungsbeschwerden, das darüber entscheidet, ob eine Beschwerde überhaupt angenommen wird oder nicht. Voßkuhle betonte, dass es für die Bewältigung der Verfahrenslast unabdingbar bleibt, den Richtern die Möglichkeit zu belassen, Beschwerden auch ohne nähere Begründung abzuweisen.
Ein Gesetzesvorschlag der AfD will dem Gericht eine Begründungspflicht auferlegen. Der Vorschlag ist aber alles andere als neu, und eine Begründungspflicht wird kaum geeignet sein, um bei den Abgewiesenen Zufriedenheit oder Befriedung zu bewirken. Ob es der AfD aber überhaupt um den Vorschlag in der Sache geht, oder um einen in der Form des Gesetzentwurfs verpackten Angriff auf die Institution des Bundesverfassungsgerichts als solches, wurde bereits diskutiert.
Wie das Gericht mit seinen Kapazitäten im laufenden Jahr wirtschaftet, dürfte entscheidend werden: 2019 hat das Gericht eine ganze Reihe politischer Schwergewichte auf seinem Entscheidungsprogramm. So plant es, zur Mietpreisbremse und dem Berliner Zweckentfremdungsverbot für Wohnraum zu entscheiden, ebenso wie über das Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe. Daneben warten auch noch die Vorratsdatenspeicherung, der Streit um das "Recht auf Vergessen", das Adoptionsrecht nicht-ehelicher Lebenspartner oder die staatliche Parteienfinanzierung "verfassungsfeindlicher" Parteien auf eine Entscheidung.
BVerfG-Zahlen und Vorschau auf 2019: . In: Legal Tribune Online, 20.02.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/33963 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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