Die Freiheitsbeschränkungen in der Corona-Pandemie hatten auch eine beispiellose Antragsflut beim BVerfG ausgelöst. Inzwischen haben die Richter:innen zumindest fast alle Eilverfahren abgearbeitet und die ersten Hauptverfahren stehen an.
Rund eineinhalb Jahre nach Ausbruch der Corona-Pandemie hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) über die große Masse der eingereichten Eilanträge entschieden und sieht sich die zentralen, besonders heiklen Fragen nun im Detail an. Das geht aus den aktuellen Eingangs- und Erledigungszahlen hervor, die das Gericht der Deutschen Presse-Agentur in Karlsruhe auf Anfrage mitteilte.
Demnach waren bis Ende Juli (Stand: 28. Juli/18.00 Uhr) insgesamt 124 reine Eilanträge eingegangen. Davon wurden alle außer einem bereits beschieden. 121 dieser Eilanträge wurden abgelehnt oder erledigten sich anderweitig. Nur in zwei Fällen hatten die Antragsstellenden Erfolg, dabei ging es um Gottesdienst- und Demonstrationsverbote.
Dazu kamen seit Ausbruch der Pandemie 468 Verfassungsbeschwerden, die zusammen mit einem Eilantrag eingereicht wurden. Hier sind 372 bereits entschieden - lediglich ein Eilantrag hatte Erfolg, auch dabei ging es um ein Demonstrationsverbot. Aus dem Jahr 2020 sind nur noch drei Verfahren offen, aus 2021 sind es 93. Insgesamt waren beim Gericht Ende Juli noch 178 von ursprünglich einmal 696 Verfahren anhängig. Hier sind sämtliche Verfahren mitgerechnet, unabhängig davon ob es einen Eilantrag gab oder nicht.
Im Eilverfahren klären die Richter nur, was schlimmere Folgen hätte: wenn sie die Maßnahme jetzt irrtümlicherweise kippen - oder wenn sie in Kraft bleibt und sich später als rechtswidrig herausstellt. Bei dieser Abwägung hatte so gut wie immer der Lebensschutz als überragend hohes Verfassungsgut Vorrang. Trotzdem können die Erfolgsaussichten offen sein. Eine umfangreiche Prüfung findet erst im späteren Hauptverfahren statt. Es kann also passieren, dass Maßnahmen nachträglich noch für verfassungswidrig erklärt werden.
Bundesnotbremse besonders häufig angegriffen
Besonders häufig wurde seit der zweiten Aprilhälfte gegen die inzwischen ausgelaufene Corona-Notbremse des Bundes geklagt. Denn hier war es erstmals möglich, sich direkt an das Verfassungsgericht zu wenden. Vorher hatten sich Bürgerinnen und Bürger, die die Corona-Maßnahmen nicht akzeptieren wollten, in aller Regel zuerst an den Verwaltungsgerichten durch die Instanzen klagen müssen.
Die Notbremse mit verschärften Regeln musste bundeseinheitlich automatisch gezogen werden, wenn die sogenannte Sieben-Tage-Inzidenz über mehrere Tage die 100 überschritt. Sie ist seit Ende Juni außer Kraft, kann aber grundsätzlich reaktiviert werden.
Eilanträge gegen die umstrittensten Maßnahmen wie nächtliche Ausgangsbeschränkungen hatten die Verfassungsrichterinnen und -richter gleich im Mai abgewiesen. Insgesamt hatten das Gericht wegen der Bundes-Notbremse 20 reine Eilanträge und 281 Verfassungsbeschwerden erreicht, davon noch einmal 199 verbunden mit einem Eilantrag. Inzwischen ist die Antragswelle abgeebbt.
dpa/pdi/LTO-Redaktion
Bisher kaum Erfolge in Karlsruhe: . In: Legal Tribune Online, 17.08.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/45751 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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