Nun hat der Richterwahlausschuss entschieden: Andreas Singer soll neuer OLG-Präsident in Stuttgart werden. Damit endet eine außergewöhnliche Auseinandersetzung zwischen Justizministerin Gentges und Richterschaft.
Der Richterwahlausschuss hat sich am Dienstag für Andreas Singer als neuen Präsidenten des Oberlandesgerichts (OLG) Stuttgart ausgesprochen. Justizministerin Marion Gentges (CDU) will Singer nun zur Ernennung vorzuschlagen. Das teilte das baden-württembergische Justizministerium in Stuttgart mit. Damit hat eine scharfe Auseinandersetzung zwischen Justizministerin und Richterschaft ein Ende.
Mit welcher Mehrheit Singer gewählt wurde, wurde nicht mitgeteilt. Dies falle unter das Beratungsgeheimnis, betonte ein Sprecher des Justizministeriums. Zur Wahl benötigt ein Kandidat jedenfalls eine Zwei-Drittel-Mehrheit.
Das Gremium besteht aus 15 stimmberechtigten Mitgliedern: Acht Vertretern der Richterschaft, sechs Vertreter der Parteien aus dem Landtag und einem Vertreter der Anwaltschaft. Justizministerin Gentges gehört auch dazu, hat aber kein Stimmrecht.
Streit zwischen Justizministerin und Richterschaft
Der Entscheidung für Singer ging ein langer Streit zwischen der Justizministerin und der Richterschaft voraus, der teils in sehr scharfem Ton geführt wurde. Nach dem Ausscheiden der früheren OLG-Präsidentin Cornelia Horz im Mai 2022 hatte Justizministerin Gentges für die OLG-Präsidentschaft eine eigene Kandidatin vorgeschlagen, Beate Linkenheil, eine Abteilungsleiterin aus ihrem Ministerium.
Nach dem Landes-Richter und Staatsanwälte-Gesetzes (LRiStAG) ist aber auch der Präsidialrat, bestehend aus neun gewählten Richtern, im Auswahlverfahren mit einzubeziehen. Und der hatte andere Vorstellungen: Er hatte Linkenheil als Kandidatin abgelehnt und Andreas Singer vorgeschlagen, Linkenheils Vorgänger als Leiter der Abteilung I im Ministerium, derzeit Präsident des Landgerichts (LG) Stuttgart. Er war früher Pressesprecher unter Gentges Vorgänger, FDP-Justizminister Ulrich Goll. Laut Präsidialrat sprach für Singer vor allem seine Erfahrung, da er seit vier Jahren das LG Stuttgart leitet.
Präsidialrat und Justizministerin konnten sich nicht einig werden. Gentges hatte sich daraufhin an das Verwaltungsgericht (VG) Stuttgart gewandt - angesichts einer seit Jahrzehnten weitgehend funktionierenden Praxis war das eine beispiellose Eskalation. Das VG entschied zwar die umstrittenen Rechtsfragen zu den Befugnissen des Präsidialrats nicht, wies Gentges Klage aber als nicht statthaft ab und verwies darauf, dass der Richterwahlausschuss einberufen werden müsse - denn der sei genau dazu gedacht, Konflikte zu lösen, wenn sich Präsidialrat und Justizministerin nicht einig werden. Da Vertreter der Richterschaft im Richterwahlausschuss allerdings in der Mehrheit sind, stützte das VG damit die Position des Präsidialrates. Gentges verzichtete schließlich auf weitere Rechtsmittel.
Kritik aus der Opposition für Gentges Verhalten
Die Opposition kritisierte Gentges am Montag für ihr Verhalten in der Auseinandersetzung. "Ministerin Gentges hätte sich und dem Ansehen der Justiz eine Menge Ärger ersparen können", sagte der SPD-Rechtspolitiker Boris Weirauch.
FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke sagte: "Ein zerschnittenes Tischtuch zur Richterschaft und eine krachende Niederlage vor Gericht; die Bilanz der Ministerin im Zusammenhang mit der Besetzung des Chefpostens am OLG Stuttgart las sich bereits düster." Nun sei ihre Kampagne vor dem Richterwahlausschuss endgültig gescheitert.
dpa/bit/LTO-Redaktion
Nach Streit um Posten: Singer soll OLG-Präsident werden: . In: Legal Tribune Online, 28.02.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/51182 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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