Die Klausuren zum Fachanwaltskurs können nach dem Wortlaut in der FAO nicht online geschrieben werden, so das VG Freiburg. Es stehe dem Satzungsgeber aber frei, das zu ändern. Martin W. Huff stellt die Entscheidung vor.
Wer Fachanwalt werden will, muss zum Abschluss der theoretischen Ausbildung drei Klausuren als Leistungskontrollen schreiben. Das sieht die Fachanwaltsordnung (FAO), erlassen von der Satzungsversammlung der Anwaltschaft aufgrund einer Ermächtigung in der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO), vor. Das Bestehen ist wesentlicher Bestandteil für die Zulassung als Fachanwalt. Bisher werden die Klausuren in Präsenz unter Aufsicht geschrieben.
In Pandemiezeiten war dies oftmals ein schwieriges Unterfangen. Daher wollte ein Lehrgangsanbieter bei der Rechtsanwaltskammer (RAK) Freiburg erreichen, dass Online-Klausuren mit bestimmten Sicherheitsmodalitäten als Aufsichtsarbeiten anerkannt werden. Dabei beschrieb er genau, wie die online-Klausuren ablaufen und die Überwachung stattfinden sollte, damit es zu keinen Betrügereien kommt. Er argumentierte zudem: § 4a der FAO sehe zwar schriftliche Leistungskontrollen als Aufsichtsarbeiten vor, dies sei aber in der heutigen Zeit nicht mehr angemessen und müsse überdacht werden.
Die Kammer lehnte sein Ansinnen ab – der Mann erhob Klage vor dem Verwaltungsgericht (VG) Freiburg. Die RAK bestritt zum einen das Rechtsschutzbedürfnis für eine solche Klage, eine Rechtsbeziehung bestünde immer nur mit dem einzelnen Kammermitglied, wenn er einen Antrag auf Zulassung als Fachanwalt stelle. Zum anderen sei aber auch die Formulierung in der FAO eindeutig und lasse keine online-Klausuren zu.
Das Gericht sah die Klage zwar als zulässig an, wies sie aber als unbegründet ab, weil die FAO keine online-Klausuren vorsehe (Urt. v. 15.02.2022, Az. 8 K 183/21). Hier müsse, wenn die Anwaltschaft solche Klausuren wolle, die FAO vom Satzungsgeber geändert werden.
VG: Anbieter hat eigenes Rechtsschutzinteresse
In den ausführlichen schriftlichen Urteilsgründen bejaht das VG, wohl erstmals, ein Rechtsschutzbedürfnis für eine solche Feststellungsklage eines Lehrgangsanbieters gegenüber einer RAK. Es bestehe ein hinreichend konkretes Rechtsverhältnis zwischen diesen Parteien. Denn die vom Anbieter ausgestellten Zeugnisse über die bestandene theoretische Ausbildung seien vom Antragsteller der RAK vorzulegen und für deren Zulassungsentscheidung maßgebend.
Daher bestehe für den Kläger als Anbieter von Fachanwaltslehrgängen ein wirtschaftliches Interesse an der begehrten Feststellung. Denn wenn die online-Klausuren von der RAK nicht anerkannt würden, könnten Interessierte von der Buchung der Lehrgänge abgehalten werden.
Vorschrift kann angepasst werden
Jedoch sehen die Freiburger Richter in den von dem Kläger geplanten online-Klausuren keine "Aufsichtsarbeiten" im Sinne des § 4a FAO. "Eine Aufsichtsarbeit ist ihrem herkömmlichen Wortsinn nach von einer physischen Anwesenheit einer Aufsichtsperson geprägt", formulieren die Richter. Zwar stamme die Vorschrift aus einer Zeit, in der online-Klausuren schon technisch nicht denkbar waren. Dies führe jedoch nicht dazu, dass ohne eine rechtliche Grundlage nunmehr eine andere Auslegung der Norm geboten sei.
Denn der Satzungsversammlung der Anwaltschaft stehe es frei, die Vorschrift neu zu fassen und den technischen Möglichkeiten anzupassen. Ein Verbot, diese Änderung vorzunehmen, sieht das VG nicht. Die Richter verweisen auch auf die neue Regelung im Hochschulgesetz von Baden-Württemberg, in dem für online-Klausuren eine rechtliche Grundlage geschaffen wurde.
Daher bestehe keine Notwendigkeit, im Wege der Analogie von dem klaren Wortlaut der Vorschrift abzuweichen.
Prozessual und materiell richtige Entscheidung
Dem Urteil des VG Freiburg ist sowohl in prozessualer als auch in inhaltlicher Hinsicht zuzustimmen. Prozessual ist es richtig, den Anbieter von Fachanwaltslehrgängen, aber auch anderen Unternehmen, die Dienstleistungen anbieten, die später von den Rechtsanwaltskammern entsprechend anerkannt werden müssen, ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Feststellungsklage zu bejahen.
Denn die Anbieter solcher Lehrgänge wie bisher darauf zu verweisen, es ergehe später eine Entscheidung der Kammer gegenüber den Teilnehmern, ist für die Anbieter ebenso unbefriedigend wie für die teilnehmenden Anwälte. Das gilt für die Anbieter von Fachanwaltskursen ebenso wie für solche zum Nachweis der berufsrechtlichen Kenntnisse nach dem neu geschaffenen § § 43f BRAO, der für eine Anwaltszulassung den Erwerb berufsrechtlicher Kenntnisse von 10 Stunden fordert. Es ist kaum verständlich, warum die Kammer nicht in der Form des Verwaltungsakts entscheidet, ob ein Lehrgang usw. die Voraussetzungen für eine spätere Anerkennung erfüllt.
Gleichwohl ist es richtig, die vom Wortlaut her eindeutige Vorschrift nicht aufzuweichen. Die Satzungsversammlung ist nicht gehindert, die FAO an neue Möglichkeiten anzupassen, wenn sie dies für erforderlich hält. Ggf. sollte sie auch festlegen, welche Anforderungen bei Online-Klausuren erfüllt sein müssen, damit Täuschungsversuche bei der Identität der Teilnehmer und der alleinigen Bearbeitung unterbunden werden können. Hier ist eine Abwägung nötig, denn bekannt gewordene Betrügereien bei in Präsenz stattfindenden theoretischen Führerscheinprüfungen mit Kameras in Masken und Knöpfen im Ohr zeigen, dass auch das Schreiben in Präsenz nicht per se sicherer ist.
VG zu Online-Klausuren in der Fachanwaltsausbildung: . In: Legal Tribune Online, 21.03.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/47892 (abgerufen am: 20.11.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag