Ein zugelassener Syndikusrechtsanwalt, der in Altersteilzeit geht, behält auch in der passiven Phase seine Zulassung, entschied der Anwaltsgerichtshof in Berlin. Der Widerruf seiner Zulassung durch die Rechtsanwaltskammer war rechtswidrig.
Der Anwaltsgerichtshof (AGH) Berlin hat entschieden, dass ein zugelassener Syndikusrechtsanwalt auch in der passiven Phase seines Altersteilzeitvertrages seine Zulassung behält (Urt. v. 13.03.2024, Az. I AGH 7/21). Als Syndikusrechtsanwalt arbeitet man nicht für eine Kanzlei, sondern ist bei einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber wie beispielsweise einem Unternehmen beschäftigt.
Der in diesem Fall klagende Syndikusrechtsanwalt hatte 2018 mit seinem Arbeitgeber einen Altersteilzeitvertrag geschlossen, der vorsah, dass er von 2019 bis 2020 in vollem Umfang weiterarbeiten sollte und von 2021 bis Ende 2022 in der passiven Phase der Altersteilzeit die Tätigkeit nicht mehr ausüben muss. Dabei handelt es sich um eines von vielen Modellen, unter denen Personen in Altersteilzeit wählen können. Im sogenannten Blockmodell, das der klagende Syndikus gewählt hatte, wird die Altersteilzeit in zwei gleich lange Phasen unterteilt: In der ersten Phase wird regulär zum halben Lohn weitergearbeitet, in der zweiten Phase wird gar nicht mehr gearbeitet, dabei der halbe Lohn weiter ausgezahlt.
Nachdem der Anwalt die Rechtsanwaltskammer (RAK) Berlin über die passive Phase der Altersteilzeit informiert hatte, widerrief diese im August 2021 dessen Zulassung als Syndikusrechtsanwalt gemäß § 46b Abs. 2 Satz 2 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO). Die Kammer begründete das damit, dass der Syndikusrechtsanwalt seine Tätigkeit nicht mehr ausübe, auch wenn das Arbeitsverhältnis formell weiterbestehe.
Verstoß gegen Diskriminierungsverbot nach Art. 3 Abs. 1 GG
Das sah der AGH Berlin anders und hob den Widerrufsbescheid der RAK Berlin auf.
Erstens ändert der Altersteilzeitvertrag laut dem Gericht nichts an den Kriterien, die zur Zulassung als Syndikusrechtsanwalt geführt haben. Die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis bestünden auch in der Passivphase fort.
Zweitens solle demjenigen, der Altersteilzeit in Anspruch nimmt, nach § 1 Altersteilzeitgesetz ein gleitender Übergang vom Erwerbsleben in die Altersrente ermöglicht werden. Er solle durch die Inanspruchnahme von Altersteilzeit gerade nicht schlechter gestellt werden, so der AGH. Aus dem Widerruf der Zulassung ergebe sich aber eine solche Schlechterstellung. Denn mit dem Widerruf der Zulassung ende auch die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung, sodass der klagende Syndikus für zwei Jahre doch noch in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen müsste.
Darin sah das Gericht einen Verstoß gegen das allgemeine Diskriminierungsverbot nach Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Denn Syndikusrechtsanwälte würden gegenüber angestellten Rechtsanwälten in Kanzleien ohne sachlichen Grund benachteiligt. Angestellte Rechtsanwälte in Kanzleien bleiben nämlich auch in der Freistellungsphase von der Versicherungspflicht befreit, argumentierte das Gericht.
"Damit hat der AGH klargestellt, dass angestellte Rechtsanwälte und Syndikusrechtsanwälte in der Altersteilzeit gleich behandelt werden müssen", sagt Berufsrechtler Martin W. Huff von der Kanzlei Huff & Speisebecher, der die Entscheidung vor dem AGH für den klagenden Syndikus erstritten hat.
cho/LTO-Redaktion
AGH Berlin sieht Diskriminierung: . In: Legal Tribune Online, 18.03.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/54133 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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