Seit dem 1.Januar dürfen Rechtsanwälte ihre Schriftsätze an die Gerichte nur noch auf elektronischem Weg versenden. Wer das nicht beherzigt, dem drohen ernste Konsequenzen. Martin W. Huff beleuchtet ein aktuelles Urteil des LG Frankfurt.
Es hat so kommen müssen: Obwohl eigentlich allen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten hätte klar sein müssen, dass vom 1. Januar 2022 an Korrespondenz mit den Gerichten aufgrund der klaren Vorschrift des § 130d Zivilprozessordnung (ZPO) nur noch auf elektronischem Weg rechtlich wirksam möglich ist, scheint dies sich noch nicht bei allen herumgesprochen zu haben.
Jetzt hat das Landgericht (LG) Frankfurt am Main (Urt. v. 19.1.2022, Az. 2-13 O 60/21) aufgrund einer unzulässigen Vertretungsanzeige eines Rechtsanwalts zügig ein Versäumnisurteil erlassen.
Was war geschehen: Der Kläger nahm den Beklagten auf Zahlung einer restlichen Stammeinlage in Anspruch und beantragte in der Klage auch vorsichtshalber den Erlass eines Versäumnisurteils, wenn nicht eine rechtzeitige Vertretungsanzeige eingehen sollte. Am 21.Dezember 2021 erhielt der Beklagte die Klage zugestellt.
Mit Schreiben vom 3. Januar 2022, per Fax am darauffolgenden Tag an das Gericht übermittelt und im Original per Briefpost am 5. Januar 2022 beim LG eingegangen, zeigte ein Rechtsanwalt für den Beklagten seine Verteidigungsbereitschaft an. Elektronisch ging keine Post beim Gericht ein.
Das LG erließ daraufhin am 19. Januar 2022 ein Versäumnisurteil und verurteile den Beklagten zur Leistung einer restlichen Stammeinlage von knapp 8500 Euro.
Verteidigungsbereitschaft nicht wirksam angezeigt
Das Gericht begründete seine Entscheidung ausführlich und hinreichend deutlich: Der Beklagte hätte seine Verteidigungsbereitschaft nicht wirksam angezeigt. Fax und Brief seien unbeachtlich.
Die Verteidigungsanzeige hätte, so das LG, gemäß §§ 130d S. 1 ZPO als elektronisches Dokument übermittelt werden müssen. Dies muss nicht zwingend der Weg über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) sein, sondern kann auch – für Rechtsanwält:innen eher ungewöhnlich – über andere zugelassene Übermittlungswege genutzt werden (vgl. § 4 Abs. 1 der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach, ERVV) wie bspw. akkreditierte EGVP (Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach)-Clients oder DE-Mail mit Absenderbestätigung.
Seit dem 01. Januar 2022 seien gemäß § 130d S. 1 ZPO vorbereitende Schriftsätze sowie schriftlich einzureichenden Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwältin eingereicht werden, als elektronisches Dokument zu übermitteln. Dabei gelte diese Vorschrift grundsätzlich für alle anwaltlichen schriftlichen Anträge und Erklärungen nach der ZPO. Zu den von der Vorschrift umfassten Erklärungen gehört auch die Verteidigungsanzeige im schriftlichen Vorverfahren, die nach § 276 Abs. 1 S. 1 ZPO schriftlich anzuzeigen ist.
Der von § 130d ZPO vorgegebene Übermittlungsweg gemäß § 130a ZPO - in der Regel die Einreichung über das beA - ist nach dem 1. Januar 2022 der einzig zulässige Weg.
Ausnahme nur bei technischer Störung
Eine Ausnahme gelte nur bei einer technischen Störung, die aber dann glaubhaft gemacht werden müsse. Die sie hier in keiner Weise vorgetragen worden.
Die Form der Einreichung sei eine Frage der Zulässigkeit und von Amts wegen zu beachten. Auf die Einhaltung der Vorgaben des § 130d ZPO könnten die Parteien nicht verzichten, auch eine rügelose Einlassung des Gegners helfe nicht.
Die Einschränkung auf die Übermittlung als elektronisches Dokument hat zur Folge, dass auf anderem Wege eingereichte Schriftsätze unbeachtlich, etwa eine Klage oder eine Berufung als unzulässig abzuweisen bzw. zu verwerfen sind. Prozesserklärungen sind unwirksam und Fristen werden durch sie nicht gewahrt. Diese Rechtsfolge entspricht dem klaren Willen des Gesetzgebers und sei auch sachgerecht. Denn ohne diese Rechtsfolgenbewehrung könnte die Pflicht zur flächendeckenden Aktivnutzung des elektronischen Rechtsverkehrs nicht wirksam etabliert werden, meinen die Frankfurter Richter abschließend.
Anwalt haftet dem Mandanten
Zunächst ist zu hoffen, dass der Rechtsanwalt nunmehr auf dem richtigen Weg Einspruch gegen das Versäumnisurteil eingereicht hat und nunmehr eine inhaltliche Auseinandersetzung geführt wird.
Die Kosten des Versäumnisurteils wird der Rechtsanwalt aber seinem Mandanten erstatten müssen. Denn es handelt sich um einen eindeutigen Fall einer Anwaltshaftung. Der Rechtsanwalt ist den gesetzlich vorgeschriebenen Weg nicht gegangen, Fax und Brief waren am 4. Januar 2022 der falsche Weg, um mit dem Gericht zu korrespondieren.
Leider waren knapp 10 Prozent der Anwaltschaft am Jahresende noch nicht beim beA registriert. Es war also zu erwarten, dass diese Fallgestaltung vorkommen würde.
Das LG Frankfurt hat eine klare Entscheidung gefällt, den richtigen Weg zum Gericht als Zulassungsvoraussetzung angesehen und dann die zutreffenden, prozessual vorgesehenen Konsequenzen gezogen.
Jetzt darf weiter aufmerksam beobachtet werden, wie die Gerichte mit den elektronischen Posteingängen umgehen. Die ersten Erfahrungen sind noch sehr unterschiedlich: In der Fachgerichtsbarkeit kommt schon viel auf elektronischem Wege zurück. In der ordentlichen Gerichtsbarkeit dauert es oft lange, bis eine Reaktion dann noch auf dem Postweg erfolgt. Der Weg zur vollständigen elektronischen Korrespondenz aller Beteiligter ist jedenfalls noch lang.
Pflicht zur Übermittlung auf elektronischem Weg: . In: Legal Tribune Online, 23.02.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/47625 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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