Die Aufwandsentschädigungen für Ehrenämter wie Vorstände oder Beiräte unterliegen nicht der gesetzlichen Sozialversicherung. Die BSG-Entscheidung vom Mittwoch sorgt nicht nur bei den Anwaltskammern für Erleichterung, erklärt Martin W. Huff.
Wer in bestimmten Funktionen ehrenamtlich tätig ist, erhält insbesondere für das zeitliche Engagement eine Aufwandsentschädigung. Diese wird meist pauschal (pro Sitzung, pro Monat o.ä.) bezahlt, denn oftmals lässt sich die aufgewandte Zeit nicht genau ermitteln, schwankt zum Teil auch von Monat zu Monat erheblich. Dabei nehmen viele Mitglieder von Vorständen, etwa von Rechtsanwaltskammern, nicht nur repräsentative, sondern auch Verwaltungsaufgaben wahr. So sind etwa die Präsidenten der Rechtsanwaltskammern auch die Dienstherren der Behörde und ihre Schatzmeister haben - in der Bundesrechtsanwaltsordnung genau definierte - Zuständigkeiten, z.B. beim Beitreiben von Mitgliedsbeiträgen.
Die Deutsche Rentenversicherung Bund vertrat in den vergangenen Jahren zunehmend die Ansicht, dass es sich bei diesen Tätigkeiten um eine "abhängige Beschäftigung" im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV handele. Sie erließ Beitragsbescheide, in denen sie gegenüber den Kammern etc. feststellte, dass es sich bei ihren Vorständen um Arbeitnehmer handele, also Beiträge zur Sozialversicherung zu entrichten seien.
Dem hat das Bundessozialgericht (BSG) mit seinem Urteil vom Mittwoch ein ein Ende gesetzt. Die Kasseler Richter haben klar gestellt, dass Aufwandsentschädigungen für Ehrenämter (Vorstände/Beiräte) grundsätzlich nicht der gesetzlichen Sozialversicherung unterliegen (Urt. v. 16.8.2017, Az. B 12 KR 14/16 R). Für sie sind also keine Beiträge z.B. für die Renten-, Kranken und Arbeitslosenversicherung zu zahlen. Das gilt auch dann, wenn in dem Ehrenamt, etwa in Vorständen von Kammern, Innungen, aber auch Vereinen, neben den üblichen Repräsentationsaufgaben auch Verwaltungsaufgaben wahrgenommen werden.
BSG: Vorstandsvorsitzender im Ehrenamt ist nicht abhängig beschäftigt
Im entschiedenen Fall ging es um den Kreishandwerksmeister der Kreishandwerkerschaft Nordfriesland-Süd. Dort war eine Geschäftsstelle eingerichtet und es gibt hauptamtliches Personal, darunter einen Geschäftsführer. Der Handwerker als Vorsitzender des Vorstands erhielt eine geringe Aufwandsentschädigung von jährlich knapp 7.000 Euro. Dies sah die DRV als Lohn für eine Beschäftigung an und setzte Sozialabgaben fest.
Dagegen klagte die Kreishandwerkerschaft. Sie gewann vor dem Sozialgericht Schleswig. Doch im Februar 2016 gab das Landessozialgericht Schleswig-Holstein der Rentenversicherung Recht und sorgte damit für einige Unruhe im Kammerwesen.
Auf die zugelassene Revision hat der 12. Senat des BSG das Urteil des LSG aufgehoben und die Berufung der Deutschen Rentenversicherung Bund gegen das SG-Urteil zurückgewiesen. Das SG habe die DRV zu Recht verpflichtet, ihren Prüfbescheid zurückzunehmen, soweit darin wegen abhängiger Beschäftigung des Kreishandwerksmeisters pauschale Arbeitgeberbeiträge zur Gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) gefordert worden sind.
Die Tätigkeit des ehrenamtlichen Kreishandwerksmeister erfüllt, so die Richter sehr deutlich, nicht die Kriterien abhängiger Beschäftigung im Sinne von § 7 Abs. 1 SGB IV, sie begründet damit auch keine Pflicht zur Entrichtung von Beiträgen zur GRV.
2/2: Nicht weisungsabghängig, nicht zu Erwerbszwecken, Verwaltungstätigkeit unschädlich
Eine abhängige Beschäftigung orientiert sich am Typus des Arbeitnehmers, der seine Arbeitsleistung gegen Entgelt zu Erwerbszwecken erbringt. Hieran fehlte es vorliegend.
Weder unterlag der Kreishandwerksmeister Weisungen bezüglich der Art, Zeit oder Ort seiner Tätigkeit noch war er einem Arbeitnehmer vergleichbar in die Arbeitsorganisation der Kreishandwerkerschaft eingebunden. Ebenso wenig erbrachte er sein ehrenamtliches Engagement um einer finanziellen Gegenleistung willen. Vielmehr zeichnete sich die Tätigkeit dadurch aus, dass sie - wie dies bei ehrenamtlichem Engagement typisch ist - nicht zu Erwerbszwecken oder auch nur in der Erwartung einer finanziellen Gegenleistung ausgeübt wurde. Soweit er über Repräsentationsaufgaben hinaus auch Verwaltungstätigkeiten zu verrichten hatte, entsprachen diese seiner organschaftlichen Stellung als Vorsitzender des Vorstandes der Kreishandwerkerschaft und führten nicht zur Arbeitnehmereigenschaft, so die Kasseler Richter.
Darüber hinausgehende, dem allgemeinen Arbeitsmarkt zugängliche Arbeiten hatte er nicht zu verrichten; Geschäfte der laufenden Verwaltung oblagen einem eigens dafür angestellten Geschäftsführer.
Vor allem aber hat er seine Tätigkeit unentgeltlich und ohne objektivierbare Erwerbsabsicht ausgeübt. Die pauschale Aufwandsentschädigung ist unschädlich, denn durch die damit einhergehende Erleichterung, den Aufwand für das Ehrenamt nicht konkret auf Heller und Pfennig beziffern zu müssen, wird die Bereitschaft gestärkt, ein Ehrenamt auszuüben.
Anhaltspunkte für die Ausübung einer die Grenzen der ehrenamtlichen Organstellung überschreitenden, zusätzlichen, neben dem Ehrenamt stehenden und als Beschäftigung zu qualifizierenden Tätigkeit sah das BSG nicht.
Erleichterung im Kammerwesen
Das Urteil sorgt für erhebliche Erleichterung gerade im gesamten Kammerwesen, von den Industrie- und Handelskammern bis hin zu Innungen etc.
Zum einen hätten Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung die Kassen der Kammern – und damit auch die zu zahlenden Mitgliedsbeiträge – belastet. Zum anderen wäre auch der bürokratische Aufwand erheblich gewesen. Zudem wären in vielen Fällen auch kaum Einnahmen zu erzielen gewesen, denn viele Ehrenamtler sind Mitglieder von Versorgungswerken und von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit oder gar nicht Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung.
Die Klarheit der Aussagen der obersten Sozialrichter ist sehr zu begrüßen. Die Pressemitteilung des Gerichts enthält aber auch einen Appell an den Gesetzgeber: Zugunsten des gesellschaftlich gewünschten ehrenamtlichen Engagement braucht es gesetzliche Änderungen, die für Klarheit sorgen.
Der Autor Martin W. Huff ist Geschäftsführer der Rechtsanwaltskammer Köln und Rechtsanwalt in der Kanzlei Legerlotz Laschet Rechtsanwälte in Köln.
Martin W. Huff, BSG zu ehrenamtlicher Tätigkeit: Aufwandsentschädigungen sind kein Einkommen im sozialrechtrechtlichen Sinne . In: Legal Tribune Online, 17.08.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23987/ (abgerufen am: 18.07.2024 )
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