"Gesetzesbefehl korrekt ausgeführt": Die Aufnahme eines britischen Anwalts in die RAK Hamburg durfte nach dem Brexit widerrufen werden, so der BGH. Die für den Betroffenen fatale, aber richtige Entscheidung, erläutert Martin W. Huff.
Über die Folgen des Brexits, also dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union zum 31.1.2021, für die Anwaltslandschaft in Deutschland hatte es von Anfang an umfangreiche Diskussionen gegeben. Diese betrafen zum einen die Frage, wie denn die in Großbritannien registrierten Kanzleien, organisiert zumeist als Personengesellschaft LLP (Limited Liability Partnership), in Deutschland weiterarbeiten können. Aber auch die Frage, was mit englischen Rechtsanwälten geschieht, die in Deutschland als "europäische Rechtsanwälte" Mitglied einer regionalen Rechtsanwaltskammer sind.
Die letzte Frage hat jetzt der Anwaltssenat des Bundesgerichtshofs (BGH) in einem am Dienstag veröffentlichten Beschluss geklärt (Beschl. v. 7.3.2024, AnwZ [Brfg] 29/23) geklärt: Britische Rechtsanwälte, die nur als europäische Rechtsanwälte in Deutschland tätig und Mitglied einer Rechtsanwaltskammer (RAK) sind, verlieren ihre Mitgliedschaft in dieser, weil die Voraussetzungen für eine solche Mitgliedschaft nach dem Brexit nicht mehr vorliegen.
Seit 2002 Mitglied der RAK Hamburg
Zum Hintergrund des Falles: Ein deutscher und britischer Staatsbürger war seit 1996 als Solicitor im Vereinigten Königreich zugelassen. Im Jahr 2002 erfolgte nach den Vorschriften des Gesetzes über die Tätigkeit europäischer Rechtsanwälte in Deutschland (EuRAG) die Aufnahme in die RAK Hamburg, der Solicitor (dt. Rechtsanwalt) war danach überwiegend in Deutschland in einer Rechtsanwaltsgesellschaft tätig. Mit der Aufnahme in die Kammer war er berechtigt, mit seiner ausländischen Berufsbezeichnung in Deutschland anwaltlich tätig zu werden. Meist geschieht dies etwa mit dem Hinweis "Mitglied der Rechtsanwaltskammer Hamburg". Er darf dann wie ein deutscher Rechtsanwalt beraten.
Zudem sieht das Gesetz vor, dass wer als europäischer Rechtsanwalt mehr als drei Jahre in Deutschland auf dem Gebiet des deutschen Rechts und des Gemeinschaftsrechts tätig war, gem. § 11 EuRAG die Zulassung als deutscher Rechtsanwalt beantragen kann. Dies aber hatte der Solicitor bis zum Brexit nicht getan.
Der Gesetzgeber hatte als Folge des Brexits die britischen Rechtsanwälte aus der Liste der europäischen Rechtsanwälte gestrichen. Daraufhin widerrief die RAK Hamburg im Mai 2021 die Aufnahme des Solicitors in der RAK. Wird der Widerruf rechtskräftig, verliert der Solicitor seine Befugnis in Deutschland rechtsberatend tätig zu werden.
"Kein Ermessensspielraum"
Gegen den Widerruf klagte der Solicitor erfolglos. Der Anwaltsgerichtshof (AGH) Hamburg wies seine Klage ab. Der Widerruf sei eine Rechtsfolge des Brexits, die Kammer habe die Aufnahme widerrufen müssen und hätte hier keinen Ermessensspielraum gehabt. Zudem hätte der Kläger rechtzeitig die Zulassung als Rechtsanwalt rechtzeitig beantragen können, da er nach seinem eigenen Vortrag die entsprechenden Voraussetzungen erfülle. Die Antragstellung in der mündlichen Verhandlung sei zu spät gewesen und nicht mehr zu berücksichtigen.
Gegen das Urteil des AGH Hamburg, der die Berufung nicht zugelassen hatte, beantragte der Kläger beim BGH die Zulassung der Berufung. Diesen Antrag lehnte der Anwaltssenat jetzt in einem ausführlichen Beschluss ab.
Es bestünden, so der Senat, keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Hamburger Entscheidung, auch sei eine grundsätzliche Bedeutung für die Zukunft nicht zu erkennen.
BGH: RAK musste "Gesetzesbefehl" befolgen
Die Anwaltsrichter begründen ihre Entscheidung damit, dass die gesetzliche Regelung eindeutig sei und dass die Kammer diesem "Gesetzesbefehl" hätten folgen müssen. Auch die Formulierung "grundsätzlich" in der Gesetzesbegründung führe zu keinem anderen Ergebnis. Nach Ansicht des BGH hätte der BGH auch keine Übergangsregelungen treffen müssen.
Die nachteiligen Folgen für den Deutsch-Briten sieht das Gericht durchaus: Der Widerruf der Kammer-Mitgliedschaft bedeute einen erheblichen Eingriff in die Berufsfreiheit, er sei aber nicht existenzvernichtend. Der BGH weist darauf hin, dass der Kläger im Übrigen rechtzeitig seine Zulassung als Rechtsanwalt hätte beantragen können, da er nach seinem eigenen Vortrag alle Voraussetzungen dafür erfüllt hätte. Denn die Gefahr des Widerrufs der Aufnahme in die Kammer sei seit Anfang 2020 absehbar gewesen.
Zudem hätte der Kläger seine Aufnahme in die Kammer als Angehöriger eines Mitgliedsstaats der Welthandelsorganisation, also als "WTO-Rechtsanwalt" gem. §§ 206, 207 Bundesrechtsanwaltsordnung beantragen können. Dann hätte er zwar nur im englischen Recht und im Völkerrecht beraten können, aber so in einem geringeren Umfang in Deutschland tätig bleiben können. Daher sei insgesamt der Widerruf der Mitgliedschaft in der RAK Hamburg rechtmäßig gewesen.
Risiken hinreichend bekannt
Die Entscheidungen des AGH Hamburg und des BGH sind in sich konsequent. Sie sind die Folge des Brexits, die für die Betroffenen eigentlich seit dem Votum für den Brexit im Jahr 2018 erkennbar. Auch in der Fachöffentlichkeit war auf die entsprechenden Risiken hingewiesen worden.
Warum der Kläger nicht rechtzeitig seine Zulassung als Rechtsanwalt beantragt hat und damit allen Problemen aus dem Weg gegangen wäre, wird aus beiden Entscheidungen nicht klar. Auch ist wirklich kein Ausnahmefall zu erkennen, hier hätte eine entsprechende Vorsorge getroffen werden können. Viele englische Anwälte sind diesen Weg auch seit 2018 gegangen.
BGH zur Anerkennung als Rechtsanwalt in Deutschland: . In: Legal Tribune Online, 02.05.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/54467 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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