"Böse Themen zur Zukunft der Anwaltschaft"- unter diesem Motto stand die diesjährige Anwaltskonferenz der BRAK. Legal Tech und Nachwuchssorgen waren die herausragenden Themen. Martin W. Huff über einen Berufsstand unter Druck.
Wie "böse" ist es um die deutsche Anwaltschaft bestellt? Fakt ist: Legal Tech, Nachwuchssorgen und Finanzierungsfragen machen dem Berufsstand zu schaffen. Auf einer Konferenz in Berlin diskutierten Anwälte ein breites Themenspektrum. Es reichte von der Frage, ob moderne Technik künftig das Gesetz über außergerichtliche Rechtsdienstleistungen (RDG) abschafft bis wie die Zukunftschancen von Kanzleien sind und wie sich ihre Finanzierung regeln lässt. Zwar wurden viele Entwicklungen dargestellt, Patentrezepte aber kaum angeboten.
Die deutsche Anwaltschaft, die zur Zeit alleine durch den neu geschaffenen Syndikusrechtsanwalt wächst, hat Zukunftssorgen. Insbesondere kleinere und mittlere Kanzleien, die nicht in Ballungsräumen angesiedelt sind, sehen ihre Zukunft nicht "rosarot". Sowohl was die Suche und das Finden geeigneter junger Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte betrifft als auch bei der Besetzung von Ausbildungsplätzen mit Rechtsanwaltsfachangestellten. Hinzu kommen die Entwicklungen der modernen Technik, die gerade viele standardisierte Mandate in der Breite von den Kanzleien abziehen wird und immer mehr auf mit den Anbietern technischer Serviceleistungen zusammenarbeitende Sozietäten verlagert.
Die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) hatte sechs Referenten darum gebeten, in Kurzreferaten ihre Thesen zur Zukunft der Anwaltschaft vorzustellen. Diese wurden dann zum Teil sehr kontrovers unter den über 100 Teilnehmern der Konferenz diskutiert. Dabei waren die Schlaglichter sehr unterschiedlich, am Ende stand jedoch die Gewissheit, dass für die Anwälte die Lage außerhalb der großen Städte und der großen Kanzleien nicht einfach ist und sich immer mehr zeigt, dass der Anwaltsberuf in einem stärkeren Wandel begriffen ist, als er es selber gemeinhin meint.
Legal Tech-Anwendungen auf dem Vormarsch
Der Auftakt der Konferenz behandelte die Frage, ob Roboter über kurz oder lang das RDG überflüssig machen. Marco Klock, Gründer des Unternehmens rightmart Software GmbH in Bremen, meinte zwar, dass sein Unternehmen durch Zusammenarbeit mit einer Kanzlei das RDG einhalte, dieses aber letztlich überflüssig sei und dem Mandanten heute keinerlei Schutz mehr gewähre. Durch moderne Technik könnten Überprüfungen von Massenbescheiden in besserer Qualität durchgeführt werden als mit Hilfe eines Anwalts.
Klock skizzierte eine Zukunft, in der auf anwaltliche Hilfe nicht nur bei den standardisierten Verfahren verzichtet werden kann: Legal-Tech Anwendungen könnten eines Tages insbesondere im Verbraucherrecht Subsumtionen vornehmen, wie sie heute noch der Anwalt macht. In der anschließenden Diskussion wurde deutlich, dass die Dienstleistung des Anwalts technikaffiner definiert werden müsse, eventuell auch unter Änderung des RDG. Gestritten wurde darüber, ob der Mandant wirklich in Massenverfahren noch die persönliche Beratung durch den Anwalt wünsche oder ob er es auch akzeptiere, wenn solche Beratungen auf elektronischem Wege – durchaus von der Kanzlei angeboten - abgewickelt würden.
Die Einführung derartiger Legal Tech-Anwendungen knüpfte zwangsläufig auch an die kontrovers diskutierte Frage an, ob Anwaltskanzleien durch entsprechende Beteiligungen von Dritten finanziert werden dürfen. Diese heilige Kuh des anwaltlichen Berufsrechts wurde von Rechtsanwalt Rüdiger Ludwig aus Hamburg, der auch Mitglied im Vorstand der Rechtsanwaltskammer Hamburg ist, sehr infrage gestellt. Ludwig vertrat die Auffassung, dass es in der heutigen Zeit möglich sein müsse, Gelder für die Kanzlei nicht nur über die Fremdfinanzierung durch Banken, sondern auch über den Einstieg von berufsfremden Gesellschaftern zu ermöglichen. Dies dürfe allerdings nicht dazu führen, dass die inhaltliche Arbeit von den Dritten bestimmt werde. Dem wurde natürlich heftig widersprochen. Aber es wurde auch deutlich, dass gerade durch die Notwendigkeit der Investitionen in die Zukunft von Kanzleien hier ein Wandel stattfinden müsse.
Zu wenig Frauen, zu wenig Nachwuchs
Sorge bereitet der Anwaltschaft auch der Nachwuchs. Rechtsanwalt und Notar Eghard Teichmann aus dem niedersächsischen Achim bedauerte zwei Entwicklungen sehr: Es sei überhaupt schwierig, Anwälte für eine Tätigkeit "auf dem Land" zu gewinnen. Wenn diese aber kämen, dann nur im Angestelltenverhältnis und nicht als wirtschaftlich verantwortliche Unternehmer. Dabei stellte er klar, dass die Verdienstchancen in spezialisierten kleineren Kanzleien auf dem Land zum Teil besser sein, als in den Ballungsgebieten. Aber: Alle wollten in die Städte und die Chance einer Tätigkeit auf dem Land nicht nutzen. Teichmann kritisierte die Tendenz, Amtsgerichte aus rein wirtschaftlichen Überlegungen zu schließen. Dadurch werde die Anwaltstätigkeit außerhalb einer Stadt mit dem Sitz eines Landgerichts unattraktiv.
Auf einen weiteren Missstand wies die Akademische Oberrätin Ulrike Schultz von der Fernuniversität in Hagen hin: Noch immer gebe es zu wenige Frauen als Partnerinnen in Anwaltskanzleien. In den größeren Kanzleien seien nur gut 10 Prozent Frauen als Vollpartner registriert. Und das, obwohl mittlerweile nahezu 50 Prozent Frauen das zweite juristische Staatsexamen abschlössen. Gründe für diese Situation wurden im Rahmen einer hitzigen Diskussion einige genannt: Für Frauen sei eine Tätigkeit als Syndikusrechtsanwältin oder in der Justiz letztlich attraktiver, so dass sie nach einigen Jahren der Tätigkeit in einer Kanzlei diese wieder verließen. Das wiederum könnte auch damit zusammenhängen, dass in Kanzleien immer noch Fragen von Elternzeit und Teilzeit nicht ausreichend sinnvoll geregelt seien. Dieses Konkurrenzverhältnis zwischen den Berufen werde sich auch nicht so schnell auflösen, meinten Diskutanten.
Und auch was den Nachwuchs im Büro des Anwalts anbelangt, ist die Situation alles andere als zufriedenstellend: Rechtsanwaltsfachangestellte seien vielerorts weiterhin Mangelware: Junge Menschen würden eher attraktivere Tätigkeiten in der Justiz und in Unternehmen als Ausbildungsberuf bevorzugen und in die Ballungsräume abwandern, stellte Rechtsanwalt Dr. Christoph Müllers, Mitglied im Ausschuss Berufsbildung der BRAK, fest. Er kritisierte, dass man sich offenbar nicht ausreichend überlege, welches Tätigkeitsprofil mit welchen Aufgaben für Rechtsanwaltsfachangestellte attraktiv sei. Hier müsse sich die Anwaltschaft insgesamt, aber auch gerade die regionalen Rechtsanwaltskammern noch deutlich stärker um Nachwuchs bemühen. Hierzu bedürfe es offenbar weiterer Anreize. So überlege das Justizministerium in Nordrhein-Westfalen gerade, Auszubildende für den mittleren Dienst schon als Anwärter wieder in das Beamtenverhältnis zu übernehmen.
Deutlich wurde an dem Nachmittag in Berlin, dass es viele Baustellen der Anwaltschaft gibt, dass jede Kanzlei sich Gedanken um ihren Standort machen muss und die Anwaltschaft selber noch vor einem radikaleren Wechsel steht, als sie selber heute oftmals noch meint.
Der Autor Martin W. Huff ist Geschäftsführer der Rechtsanwaltskammer Köln und Rechtsanwalt in der Kanzlei LLR in Köln.
Martin W. Huff, Konferenz der BRAK: . In: Legal Tribune Online, 18.04.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/28135 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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