Bei der Übermittlung von Schriftsätzen über das beA bestehen hohe Sorgfalts- und Kontrollpflichten. Wer die nicht einhält, kann keine Wiedereinsetzung verlangen. Dies hat der BGH noch einmal klargestellt. Martin W. Huff berichtet.
Es ist im anwaltlichen Alltag schnell passiert: Da wird ein falsches Dokument über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) an das Gericht übermittelt. Manchmal ist dies folgenlos, aber nicht immer. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einer am Mittwoch veröffentlichten Entscheidung über einen insofern typischen Fall entschieden und im Ergebnis eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verneint (Beschl. v. 21.3.2023, Az. VIII ZB 80/22).
Was war passiert: Für den eine Berufung führenden Rechtsanwalt war die Berufungsfrist bis zum 2. März 2022 verlängert worden. Am 25. Februar 2022 ging beim Berufungsgericht ein Schriftsatz mit einem kryptischen Dateiennamen ein, der noch einmal den Fristverlängerungsantrag und zudem eine Geburtsurkunde einer Tochter der Partei enthielt. Eine Berufungsbegründung gab es nicht. Es stellte sich heraus, dass im Sekretariat der falsche Schriftsatz versendet wurde und gerade nicht die Berufungsbegründung.
Der betroffene Rechtsanwalt verlangte die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Er habe davon ausgehen dürfen, dass der von ihm freigegebene Schriftsatz auch übermittelt worden sei. Es sei dabei zu einer Verwechselung gekommen. Diese sei auch darauf zurückzuführen, dass die Übermittlung von Schriftsätzen mit bestimmten Sonderzeichen etc. auf dem elektronischen Weg nicht möglich sei. Die Verwechselung sei einfach nicht aufgefallen. Zudem sei in den ersten Monaten der verpflichtenden Nutzung des beA ein abgemilderter Verschuldensmaßstab anzuwenden.
BGH: Dateiname ist signifikante Fehlerquelle
Dieser Vortrag half dem Kollegen nicht. Der BGH sieht die Beschwerde gegen die Versagung der Wiedereinsetzung als unzulässig an, weil die entsprechenden Rechtsfragen bereits ausreichend geklärt seien. Der BGH beschreibt dann hohe Sorgfaltspflichten in einer Kanzlei. Schon bei der Übermittlung von Schriftsätzen über das Telefax hätte es die Pflicht gegeben, zu kontrollieren, was an das Gericht gesandt wurde und ob es vollständig war.
Im Grundsatz gäbe es jetzt die gleichen Pflichten beim beA. Hier müsse – insoweit weitergehend als beim Telefax – besonders kontrolliert werden, welchen Inhalt die Dateien haben, die übermittelt worden sind. Es sei keine Überspannung der anwaltlichen Sorgfaltspflichten, wenn in der Kanzlei auch die Anhänge und deren Inhalt überprüft werden müssen, schreiben die Richter. Auf den Namen der Dateien dürfe man sich nicht verlassen, da dies eine signifikante Fehlerquelle darstellen könne. Hier sei der Anwaltschaft auch eine "Sichtkontrolle" zumutbar.
Der BGH verweist für seine Auffassung auch auf die Veröffentlichungen der Bundesrechtsanwaltskammer in den beA-Newslettern, in denen ebenfalls solche Sorgfaltspflichten als angemessen angesehen werden. Eine Verpflichtung des Berufungsgerichts, zeitnah den Inhalt des übermittelten Dokuments zu überprüfen, sieht der BGH weiterhin, wie schon in vorhergegangenen Entscheidungen, nicht.
Die Entscheidung setzt die Reihe der BGH-Rechtsprechung zur beA-Nutzung konsequent fort. In der Kanzlei muss kontrolliert werden, was übermittelt worden ist. Dies geht eigentlich auch ganz einfach, in dem man sich die übermittelten Dokumente im beA-Ausgangspostfach oder in seinem Anwaltsprogramm noch einmal ansieht. Der Fall zeigt auch, dass man mit einer festen Regelung zur Vergabe von verständlichen Dateinamen Fehler vermeiden kann.
BGH erhöht noch einmal die Sorgfaltspflichten fürs beA: . In: Legal Tribune Online, 11.05.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/51752 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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