Wenn Anwälte Fristen verpassen, war es auffällig häufig ein seltener Fehler der ansonsten stets zuverlässig arbeitenden Angestellten. Wer Wiedereinsetzung beantragt, kann sich aber nicht allein auf einen solchen berufen, so der BGH erneut.
Anwälte, die keine Sicherung zur Kontrolle und Organisation des Fristenwesens in ihrer Kanzlei haben, trifft ein Verschulden, wenn ihre Angestellten Fristen falsch oder gar nicht notieren. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) hervor, die kürzlich veröffentlicht worden ist, und die die Rechtsprechung des BGH weiter festigt (Beschl. v. 15.02.2022, Az. VI ZB 37/20).
In dem Fall hatte der klagende Mann die Frist zur Berufungsbegründung verpasst und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Begründung führte er an, dass das Firstversäumnis allein auf einem Versehen der Rechtsanwaltsfachgestellten seiner Anwältin beruhe. Seine Anwältin habe ihrer seit 14 Jahren als Rechtanwaltsfachangestellten tätigen und stets zuverlässigen Angestellten das Urteil mit der konkreten Arbeitsanweisung übergeben, sowohl die einmonatige Notfrist zur Einlegung der Berufung als auch die zweimonatige Frist zur Berufungsbegründung zu notieren. Normalerweise befolge sie mündliche Anweisungen stets und führe sie korrekt aus. Aus Unachtsamkeit heraus habe die Angestellte aber nur die Berufungsfrist, nicht aber die Frist zur Berufungsbegründung notiert. Dazu legte der klagende Mann eine eidesstattliche Versicherung der Rechtsanwaltsfachangestellten vor.
Eintragung sofort veranlassen oder Sicherungsmechanismus in den Kanzleialltag integrieren
Das Berufungsgericht hatte den Antrag auf Wiedereinsetzung jedoch zurückgewiesen und verwarf die Berufung entsprechend als unzulässig. Der Vortrag des klagenden Mannes schließe eigenes organisatorisches Verschulden seiner Prozessbevollmächtigten, das er sich gem. § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen müsse, nicht aus, hieß es zur Begründung. Anwälte, die die Notierung von Fristen einer gut ausgebildeten, als zuverlässig erprobten und sorgfältig überwachten Bürokraft überlassen, müssten durch eine entsprechende Organisation des Fristenwesens in ihrer Anwaltskanzlei sicherstellen, dass die Fristen zuverlässig festgehalten und kontrolliert werden. Das Fehlen jeder Sicherung bedeute einen schweren Organisationsmangel, erst Recht wenn die Anweisung nur mündlich erteilt werde.
Das Berufungsgericht ging nach dem Vortrag des klagenden Mannes nicht davon aus, dass die Büroorganisation seiner Anwältin diesen Anforderungen genügt habe. So seien organisatorische Sicherungsmaßnahmen für Fälle, in denen mündliche Einzelanweisungen zur Fristenkontrolle ausnahmsweise in Vergessenheit gerieten, nicht dargetan.
Der BGH bestätigte nun die Vorinstanz. Da die Anwältin ihrer Angestellten die Eintragung in den Fristenkalender lediglich mündlich mitgeteilt hatte, hätte sie Vorkehrungen dahingehend treffen müssen, dass die Eintragung entweder sofort erfolgt oder die mündliche Einzelanweisung nicht in Vergessenheit gerät und die Fristeneintragung unterbleibt. Das Vorliegen solcher Sicherheitsvorkehrungen habe der klagende Mann aber weder dargelegt noch glaubhaft gemacht.
Der BGH entscheidet immer wieder in Fällen mangelnder Sicherungsmaßnahmen, die Anwälte zwecks Fristeinhaltung vornehmen müssten, auch im Zusammenhang mit dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA).
acr/LTO-Redaktion
BGH zur Wiedereinsetzung: . In: Legal Tribune Online, 11.04.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/48116 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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