Eine Kandidatin bestand die Notarprüfung nicht. Den Ausgang der Prüfung empfand sie als ungerecht: Es sei unzulässiger Stoff abgefragt worden, nämlich mehr als die geforderten "Grundzüge". Was diese umfassen, konkretisierte nun der BGH.
Ist der Prüfungsstoff auf die "Grundzüge" eines Rechtsgebiets beschränkt, werden damit Fragenkreise erfasst, die sich im Rahmen der notariellen Tätigkeit zumindest hin und wieder stellen können. Unter anderem das entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in einem kürzlich veröffentlichten Beschluss (v. 16.11.2020, Az. NotZ(Brfg) 5/20).
Eine Kandidatin hatte an der Notarprüfung teilgenommen, doch leider lief es nicht so, wie erhofft. Als sie von ihrem Prüfungsergebnis Kenntnis erlangt hatte, wandte sie sich an das Kammergericht (KG). Dort machte sie zum einen spezielle Umstände während gerade ihrer Prüfung geltend, insbesondere Lärm während der Prüfung, der sie in unfairer Weise gestört habe. Auch sei ihre Lösung ungerecht bewertet worden. Zum anderen monierte sie, dass generell unzulässiger Stoff - nämlich mehr als "Grundzüge" eines Rechtsgebiets - abgefragt worden sei.
Das KG wies die Klage ab, auch vor dem BGH bekam die Kandidatin nun kein Recht. Hinsichtlich der Lärmbelästigung habe die Kandidatin sich schlicht zu spät beschwert, die Antragsfrist von einem Monat habe sie nicht eingehalten. Auch für die übrigen Kritikpunkte hinsichtlich der ihrer Auffassung nach ungerechten Bewertung fand der BGH keine Anhaltspunkte. Abgesehen von diesen persönlichen Faktoren ist die BGH-Entscheidung aber losgelöst spannend, weil er konkretisierte, was zu den "Grundzügen" eines Rechtsgebiets zählt. Der BGH entschied nämlich, dass in der Prüfung gerade kein unzulässiger Prüfungsstoff abgefragt worden sei.
Notare müssen mehr als bloß Standardsituationen bewältigen können
In der konkreten Prüfungsaugabe musste die Kandidatin die Anmeldung eines einzelkaufmännischen Unternehmens und einer neu errichteten GmbH & Co. KG zum Handelsregister vornehmen und dabei auch einen Ausgliederungsvertrag entwerfen, durch den das gesamte Vermögen des einzelkaufmännischen Unternehmens ausgegliedert und auf die GmbH & Co. KG übertragen wird. Die durchgefallene Kandidatin argumentierte, dass der für die Notarprüfung vorgesehene Prüfungsstoff aber lediglich "das Recht der Personengesellschaften und Körperschaften einschließlich der Grundzüge des Umwandlungs- und Stiftungsrechts" umfasse. Die an sie gestellten Aufgaben seien dagegen weit über das hinaus gegangen, was noch zu den "Grundzügen" zählen dürfe.
Das sah der BGH jedoch anders. Er führte vielmehr aus, dass die Beschränkung auf "Grundzüge" eines Rechtsgebiets bedeute, dass einerseits die allgemeinen Grundlagen dieses Sachgebiets, andererseits aber auch einzelne Fragenkreise im Überblick geprüft werden können. Diese einzelnen Fragenkreise müssten dafür zwar "von erheblicher Bedeutung sein", doch diese erhebliche Bedeutung beziehe sich auf die notarielle Amtstätigkeit. Mit anderen Worten: Fragenkreise, die in der Notarprüfung abgefragt werden dürfen, müssen sich im typischen Berufsalltag eines Notars gerade nicht "oftmals oder gar regelmäßig" stellen.
Es reicht nach Auffassung der Karlsruher Richterinnen und Richter also aus, wenn sie sich "hin und wieder" im Arbeitsalltag eines Notars stellen würden. Denn die notarielle Amtstätigkeit, so der BGH, beschränke sich nicht auf "die Bewältigung von Standardsituationen". Lediglich Einzelwissen in seltenen und atypischen Spezialfragen, die sich in der beruflichen Praxis kaum jemals stellen würden, dürfe nicht als präsentes Wissen abgefragt werden. Doch mehr als die Beantwortung solcher Fragen, die hin und wieder von einem Notar bearbeitet werden müssten, sei von der Kandidatin in der Prüfung nicht verlangt worden, entschied der BGH.
Damit hat der Widerspruch der Kandidatin gegen ihr Prüfungsergebnis keinen Erfolg, ihre Notarprüfung zählt als nicht bestanden.
ast/LTO-Redaktion
BGH zur Notarprüfung: . In: Legal Tribune Online, 11.01.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/43947 (abgerufen am: 07.11.2024 )
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