Wegen eines Fehlers seiner Anwältin muss ein Mann Unterhalt und Versorgungsausgleich an seine Ex-Frau zahlen. Denn obwohl das AG bei der Rechtskrafterklärung einen Fehler machte, hätte die Anwältin das sehen und handeln müssen, so der BGH.
Ein Familiengericht (Amtsgericht (AG) Alzey) hat durch Beschluss eine Ehe geschieden, den Versorgungsausgleich durchgeführt und den Mann zur Zahlung von nachehelichem Unterhalt und Zugewinnausgleich an die Frau verpflichtet. Trotz fehlerhafter Rechtskraftbelehrung durch das Gericht bleibt es bei dieser Entscheidung. Denn die Anwältin des Mannes machte dann selbst einen Fehler, den der Mandant sich zurechnen lassen muss, entschied der Bundesgerichtshof (BGH, Beschl. v. 06.03.2024, Az. XII ZB 408/23).
In dem Fall hatte das Gericht den Beschluss versehentlich umfassend für rechtskräftig erklärt. Allerdings war lediglich die Scheidung rechtskräftig, im Übrigen standen noch Rechtsmittel offen. Das Familiengericht selbst hatte der Anwältin mitgeteilt, dass die Zustellung des fehlerhaften Beschlusses unwirksam sei. Daraufhin nahm die Anwältin des Mannes eine bereits fristgerecht eingelegte Beschwerde zurück und legte später Beschwerde gegen den berichtigten Beschluss ein. Die Rücknahme der fristgerechten Beschwerde wurde der Anwältin und ihrem Mandanten jedoch zum Verhängnis.
Frist begann trotz fehlerhafter Belehrung
Die beantragte Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand § 117 Abs. 5 Familienverfahrensgesetz (FamFG), § 233 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) scheiterte nämlich am Verschulden der Anwältin. Dieses nahm der Bundesgerichtshof (BGH) an, da der Fehler des Familiengerichts – "ausgehend von dem bei einem Rechtsanwalt vorauszusetzenden Kenntnisstand" – offenkundig gewesen sei und keinen Anlass gegeben habe, die Rechtsbehelfsbelehrung falsch zu verstehen.
Die Wiedereinsetzung hätte aber ein unverschuldetes Versäumen der Beschwerdefrist verlangt, und das sah der Senat hier nicht. Denn den Hinweis auf das Rechtsmittel der Beschwerde an sich habe es gegeben, nur beim Rechtskraftvermerk habe das Familiengericht einen Fehler gemacht. Dieser Fehler sei aus fachlicher Sicht offenkundig gewesen. Daher habe die Anwältin sich nicht auf die Vermutungsregel des § 233 Satz 2 Alt. 2 ZPO berufen können. Danach wird bei fehlerhaften Rechtsmittelbelehrungen regelmäßig vermutet, dass kein Verschulden vorliegt.
BGH: Ein Anwalt muss Grundzüge des Verfahrensrechts kennen
Nach Auffassung des Senats muss von einem Rechtsanwalt "erwartet werden, dass er die Grundzüge des Verfahrensrechts und das Rechtsmittelsystem in der jeweiligen Verfahrensart kennt". Sich dieser Kenntnis zu verschließen, nur weil das Gericht einen Fehler macht, hält der Senat für schuldhaft. "Denn wenn die Rechtslage zweifelhaft ist, muss der bevollmächtigte Anwalt den sicheren Weg wählen", so der Senat mit Verweis auf seine ständige Rechtsprechung.
Aufgrund des Verschuldens der Anwältin scheiterte die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. In der Folge ist die Verpflichtung des Mandanten zur Zahlung von nachehelichem Unterhalt rechtskräftig. Der Mandant hat aber die Möglichkeit, die Anwältin wegen ihres Verschuldens in Regress zu nehmen.
kj/LTO-Redaktion
BGH zur umfassenden Rechtskrafterklärung: . In: Legal Tribune Online, 13.06.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/54758 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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