Schauspieler Johnny Depp und Amber Heard streiten sich vor Gericht in einem beispiellosen Prozess voller privater Details. Sehr zur Freude der deutschen Boulevardmedien. Dabei müssten sie eigentlich Grenzen beachten, meint Lucas Brost.
Seit zwei Wochen richten sich die Schweinwerfer auch der deutschen Medien auf einen Rosenkrieg im Gerichtssaal: Der US-Schauspieler Johnny Depp und seine Ex-Frau, US-Schauspielerin Amber Heard, liefern sich eine gerichtliche Schlammschlacht, wie es sie lange nicht zu sehen gab. Depp und Heard werfen sich gegenseitig häusliche Gewalt und Verleumdung vor.
Depp behauptet, seine Ex-Frau habe in einem 2018 von der Washington Post veröffentlichten Kommentar zum Thema häusliche Gewalt falsche Aussagen gemacht. In dem Kommentar wird Depp zwar nicht namentlich erwähnt, nach Ansicht des US-Schauspielers habe sie gleichwohl seinem Ruf geschadet. So nehme sie in dem Statement Bezug auf die Beziehung zu Depp und spreche u.a. von häuslicher Gewalt. Heard sieht wiederum durch Depps öffentliche Anschuldigungen, sie habe sich des Meineids und Betrugs schuldig gemacht, ihren eigenen Ruf geschädigt.
Depp verlangt wegen Verleumdung rund 50 Millionen Dollar Schadensersatz sowie eine Geldbuße von mindestens 350.000 Dollar von Heard. Die Schauspielerin ihrerseits verlangt wegen Verleumdung Schadensersatz in Höhe von 100 Millionen Dollar sowie eine Geldbuße in Höhe von ebenfalls mindestens 350.000 Dollar.
Britisches Gericht: Depp muss sich Gewaltvorwurf gefallen lassen
Depp und Heard haben 2015 geheiratet und sich bereits nach 15 Monaten Ehe wieder getrennt. Vor Gericht stehen sie nicht das erste Mal. In einem Prozess in London hatte Depp gegen die Boulevardzeitung Sun wegen eines Artikels geklagt, in dem behauptet worden war, er habe Heard körperlich misshandelt. Nach einem wochenlangen Rechtsstreit erlitt Depp eine Niederlage, seine Klage wurde im November 2020 abgewiesen.
Ähnlich wie im deutschen Äußerungsrecht muss nach dem britischen Defamation Act 2013 derjenige, der eine rufschädigende Äußerung tätigt, deren Wahrheit beweisen. Dies gelang der Sun in diesem Verfahren zur Überzeugung der Richter. Die Zeitung darf Depp als wife beater – also Ehefrauenschläger – bezeichnen. Depp wollte sich mit dem Urteil der britischen Richter nicht abfinden, seine Anwältin kündigte einen Einspruch an, der jedoch ebenfalls verworfen wurde.
Die US-Klage gegen Heard hatte Depp bereits vor dem britischen Urteilsspruch im Jahr 2019 erhoben. Anders als im Sun-Verfahren stehen im US-Verfahren nicht nur die Äußerungen als solche, sondern deren Folgen im Vordergrund. Depp wirft Heard vor, durch den Kommentar in der Washington Post, in dem sie häusliche Gewalt thematisierte, seine Karriere ruiniert zu haben und verlangt daher Schadensersatz. Ob er damit durchdringt scheint fraglich, denn im britischen Prozess wurden über Wochen Beweise für die Gewalttätigkeit von Depp vorgeführt. Mitarbeiter und Verwandte sagten persönlich aus, Gutachten wurde verlesen – am Ende waren die Richter überzeugt, dass Depp durch die Sun entsprechend bezeichnet werden durfte. Zwar ist das US-Gericht nicht an die Feststellungen der britischen Richter gebunden, ein Fingerzeig mag der britische Prozess aber mindestens sein.
Die ersten Tage im US-Prozess verliefen bereits derart spektakulär, dass sie enorme mediale Aufmerksamkeit auch in Deutschland auf sich zogen. Während der Verhandlung wurde u.a. ein Video vorgespielt, das Johnny Depp betrunken und randalierend in seiner Wohnung zeigte. Zudem wurden persönliche Textnachrichten verlesen und psychologische Gutachten über den jeweils anderen vorgelegt. Besonders skurril: Depp warf Heard vor, Menschenkot ins Ehebett gelegt zu haben.
Prozess im Scheinwerferlicht – In Deutschland undenkbar
Die US-Gerichtsberichterstattung lebt von den TV-Bildern, in diesem Fall zweier sichtlich gezeichneter Protagonisten, die sich mit gegenseitigen Vorwürfen überziehen. Die Kameras sind unbarmherzig, sie filmen während der Prozesse jede Gesichtsregung. Dass der Prozess in deutschen Medien eine solche Berücksichtigung findet, mag auch darin begründet sein, dass eine entsprechende Berichterstattung über inländische Gerichtsprozesse ausgeschlossen wäre.
In deutschen Gerichtssälen verbietet § 169 Abs. 1 S. 2 GVG jedwede Ton- und Filmaufnahmen zum Zwecke der öffentlichen Vorführung oder Veröffentlichung. § 169 Abs. 2 S. 1 GVG erlaubt ausnahmsweise Tonaufnahmen der Verhandlung, aber ausschließlich zu wissenschaftlichen und historischen Zwecken, wenn es sich um ein Verfahren von herausragender zeitgeschichtlicher Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland handelt. Diese Regelung wurde erst nach dem NSU-Prozess eingeführt. Für eine Tonaufzeichnung des komplexen Verfahrens zur Sicherstellung einer hinreichenden Dokumentation durch das Gericht fehlte es seinerzeit an einer Rechtsgrundlage.
Einer der bekanntesten deutschen "Scheinwerfer"-Prozesse – das Kachelmann-Verfahren – fand ohne Tonaufnahme und hinter verschlossener Tür statt. Dessen ungeachtet brachten einige Medien intimste Details an die Öffentlichkeit und verfolgten den Beschuldigten auf Schritt und Tritt. Nach deutschem Äußerungsrecht zu Unrecht, wie der Bundesgerichtshof in verschiedenen Fällen feststellte.
Medienpranger in Deutschland verboten
Denn bei einer Gerichtsberichterstattung müssen die Medien Grenzen beachten, die der Pressefreiheit aus dem mit gleichem Rang verfassungsrechtlich gewährleisteten Recht des Betroffenen auf Schutz seiner Persönlichkeit und auf Wahrung seiner Ehre erwachsen (BGH v. 30.11.1971 – VI ZR 115/70, BGHZ 57, 325, 330). Im Pressekodex heißt es daher, dass Ziel der Berichterstattung in einem Rechtsstaat "nicht eine soziale Zusatzbestrafung Verurteilter mit Hilfe eines 'Medien-Prangers' sein" darf (Richtlinie 13.1).
Exakt diese soziale Zusatzbestrafung dürfte jedoch Johnny Depp befürchten, wenn in dem laufenden Gerichtsverfahren Videos gezeigt werden, die ihn betrunken und randalierend abbilden – unabhängig von einem späteren Urteilsspruch. Würde das Depp-Heard-Verfahren vor einem deutschen Gericht verhandelt, gäbe es diese ausführlichen Bilder nicht. Es bestünde daher auch keine Möglichkeit, den Betroffenen derart visuell "vorzuführen".
Dass das Verfahren in den USA stattfindet, bedeutet nicht, dass für die Berichterstattung der deutschen Medien andere Maßstäbe gelten. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt auch die US-Bürger Heard und Depp, denn es handelt sich um ein "Jedermann"-Grundrecht. Vor diesem Hintergrund verwundert die Unbekümmertheit, mit der die deutschen Medien über das Verfahren berichten. Denn an die Objektivität und Sachlichkeit der Gerichtsberichterstattung sind nach deutschem Äußerungsrecht strenge Anforderungen zu stellen. Die Wiedergabe von scharfen Äußerungen von Prozessbeteiligten kann zulässig sein, wenn sie das Prozessklima charakterisieren.
Nicht über jedes Detail aus einem Prozess darf auch berichtet werden
Der Bundesgerichtshof zieht jedoch eine Grenze, wenn es um intime Details geht. So ist etwa die Veröffentlichung von Gesundheitsdetails auch persönlichkeitsverletzend, wenn der Beklagtenvertreter diese Formulierung in seinem Plädoyer verwendet hat (BGH v. 30.1.1979 – VI ZR 163/77, AfP 1979, 307, 310). Die Berichterstattung über angebliche psychische Störungen von Amber Heard dürfte daher zu weit gehen, zumal die Psychologin durch Johnny Depps Anwälte mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt wurde. Auch die visuelle Vorführung des alkoholisierten Johnny Depp bewegt sich an der Grenze des Zulässigen.
Dass die Berichterstattung zu deutschen Gerichtsverfahren vergleichsweise nüchterner ausfällt, ist eine Folge der fehlenden Bilder. Die "Bilderflut" aus US-Prozessen dient jedoch nicht bloß dem öffentlichen Informationsinteresse. Das Depp-Heard-Verfahren zeigt dies in aller Deutlichkeit: Es bedient ein voyeuristisches Bedürfnis der Betrachter an einer gescheiterten Beziehung zweier erfolgreicher Schauspieler. Der Koalitionsvertrag des Bundesregierung sieht eine verbesserte Dokumentation von Strafverfahren vor, was durchaus begrüßenswert ist. TV-Kameras sollten zum Schutze der Persönlichkeit dem Gerichtssaal aber weiter fern bleiben.
Der Autor Dr. Lucas Brost ist Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht und Gründungspartner der Medienkanzlei BROST CLAẞEN mit Sitz in Köln.
Schlammschlacht vor US-Gericht: . In: Legal Tribune Online, 03.05.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/48319 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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