Weil Zypern vor der eigenen Küste Gas fördern will, fühlt sich die Türkei provoziert – und schickt Kriegsschiffe. Das Manöver verstößt gegen internationales Seerecht, meint Oliver Daum.
Ankara hat Wort gehalten. Als Zypern 2001 vor der eigenen Küste nach Gas suchen ließ, sprach die Türkei von einer Provokation und drohte mit der Entsendung von Kriegsschiffen. Nun hat die Türkei mit sechs Kriegsschiffen ein Seegebiet Zyperns blockiert.
Die Gasvorkommen Zyperns liegen östlich vor der Inselküste im sogenannten Explorationsfeld Nr. 3 (Karte). Die vermuteten Bestände sind so groß, dass sie den gegenwärtigen Erdgasbedarf Zyperns für die nächsten 270 Jahre decken können.
Mit der Ausbeutung der Gasfelder wurde ein italienisches Energieunternehmen beauftragt. Das Spezialschiff "Saipem 12000" hat sein Ziel bislang jedoch nicht erreicht, weil es durch sechs türkische Kriegsschiffe daran gehindert wird.
Streit um Rohstoffe vor geteilter Insel Zypern
Seine Ansprüche auf die Rohstoffe um Zypern leitet die Türkei offenbar aus der militärischen Besatzung Nordzyperns ab. Die Insel ist seit der Invasion türkischer Truppen 1974 politisch geteilt. Der Norden steht unter dem Schutz von rund 35.000 türkischen Soldaten.
Sein provokatives Vorgehen rechtfertigt Ankara zum einen damit, dass das Schicksal der Bodenschätze den Gesprächen über eine Wiedervereinigung vorbehalten bleiben müsse. Zypern alleine stünden jedenfalls keine souveränen Rechte an den natürlichen Ressourcen zu.
Zum anderen halte die türkische Marine gerade ein militärisches Manöver ab, und der Zugang zum Übungsgebiet – welches zufälligerweise das Gasfeld Nr. 3 überlagert – sei für die internationale Schifffahrt gesperrt. Beide Ansätze überzeugen nicht.
Ankaras eigenwillige Haltung zur Zypern-Frage
Als einziger Staat erkennt die Türkei zwar die Türkische Republik Nordzyperns (TRNZ) als Staat an, nicht aber die Republik Zypern im Süden der Insel. Der UN-Sicherheitsrat sieht das anders.
Der vielleicht mächtigste Rat der Welt hat die Staatenproklamation der TRNZ in der Resolution 541 (1983) als "legally invalid" erklärt und alle Staaten aufgefordert, die TRNZ nicht anzuerkennen.
Es gilt also zu akzeptieren, dass die TRNZ kein Staat ist und andere Meinungen gegen UN-Recht verstoßen.
Der nördliche Teil der Insel stellt vielmehr ein völkerrechtliches De-facto-Regime dar, dem die Staatengemeinschaft keine eigenen Hoheitsrechte zugestehen will. Darüber hinaus ist die Republik Zypern entgegen der Haltung Ankaras ein international anerkannter Staat, der seit 1960 unabhängig ist. Als solcher, und als Mitgliedstaat des UN-Seerechtsübereinkommens (SRÜ), verfügt Zypern über eine Ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ) mit souveränen Rechten.
Die AWZ ist wie eine Kornkammer, nur auf See. Dem jeweiligen Staat stehen innerhalb seiner AWZ gem. Art. 56 SRÜ die souveränen Rechte an den lebenden und nichtlebenden Ressourcen zu. Das sichert Fischbestände, Rohstoffe und im Falle Zyperns, das Gasfeld Nr. 3. Souverän bedeutet, dass alle anderen Staaten auf die Ressourcen nicht zugreifen dürfen.
Dabei soll es nach dem SRÜ keine sich überschneidende AWZs verschiedener Staaten geben. Droht infolge der maximalen Ausweitung der AWZ von 200 Seemeilen eine Überscheidung, können die Küsten- bzw. Inselstaaten Kooperationsverträge schließen. So geschehen im Falle Zyperns mit Ägypten 2003, mit dem Libanon 2007 und mit Israel 2010.
Eine Ausschließliche Wirtschaftszone gilt ausschließlich
Damit ist auch bereits begründet, warum die Rechtfertigung der Türkei nicht greift. Denn Zypern steht als Mitgliedstaat des SRÜ eine eigene Wirtschaftszone zu, wobei die Betonung auf ihrer Ausschließlichkeit liegt. Auf die Ressourcen der zyprischen AWZ hat die Türkei als Fremdstaat also keinerlei Ansprüche.
Auch von der TRNZ womöglich abgeleitete Rechte kommen nicht in Frage: Erstens ist die TRNZ kein Staat, dem eine AWZ zusteht. Und zweitens, selbst wenn die TRNZ ein Staat wäre, stünde ihr eine eigene AWZ zu, die sich nicht mit derjenigen Zyperns überschneiden würde. Solange die Insel nicht politisch wiedervereint ist, darf Zypern selbstverständlich das Gasfeld Nr. 3 alleine ausbeuten.
Mit einem Bein auf der Seite des Rechts
Was die Durchführung des militärischen Manövers in der AWZ Zyperns angeht, steht die Türkei mit einem Bein auf der Seite des Rechts. Auch wenn es mit Brasilien, Indien und Malaysia Staaten gibt, die militärische Übungen in fremden AWZs als völkerrechtswidrig betrachten, erlaubt die Mehrheit der Staaten sie – und führt diese auch selbst in fremden AWZs durch.
Auch der Internationale Gerichtshof (IGH) würde der Türkei insoweit Recht geben, wie sich aus dem Nicaragua-Urteil ergibt. Darin bestätigte der IGH praktisch, dass militärische Manöver in fremden AWZs abgehalten werden dürfen. Hintergrund ist, dass die Manöver zu den Freiheiten der Hohen See zählen, die nach dem Seerecht auch in fremden AWZs gelten. Die souveränen Rechte des AWZ-Staates müssen dabei jedoch gem. Art. 58 Abs. 3 SRÜ berücksichtigt werden, sie dürfen nicht über Gebühr eingeschränkt werden.
Weil die Türkei aber gleich das komplette Gasfeld Nr. 3 gesperrt hat, kann von einer gebührenden Berücksichtigung keine Rede mehr sein. Das dürfte der IGH auch so sehen.
Das türkische Vorgehen lässt sich mit rechtlichen Argumenten insgesamt schwerlich rechtfertigen. Auch die in den Medien kolportierte Seeblockade ändert hieran nichts, weil die Türkei gar keine Seeblockade ausgerufen hat.
In Ankaras Auftreten liegt ein grober Verstoß gegen das internationale Seerecht. Es wäre wohl besser gewesen, man hätte ausnahmsweise das Wort gebrochen.
Der Autor Ass. jur. Dr. Oliver Daum hat im Bereich Seerecht/Seekriegsrecht promoviert und ist freier Mitarbeiter des Instituts für Sicherheitspolitik an der Uni Kiel.
Oliver Daum, Türkei und Zypern streiten um Rohstoffe: . In: Legal Tribune Online, 08.03.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/27409 (abgerufen am: 07.11.2024 )
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