Der Freispruch im Impeachment-Verfahren gegen Donald Trump war vorhersehbar. Nimmt man die etablierten Grundsätze der amerikanischen Verfassungspraxis als Maßstab, dann war der Freispruch sogar zwingend, erklärt Nick Oberheiden.
Donald Trump kann sich als Sieger feiern lassen: Das Amtsenthebungsverfahren gegen den US-Präsidenten ist gescheitert. Dieser Ausgang war absehbar, nicht erst seit die Demokraten Ende vergangene Woche mit ihrem Vorstoß gescheitert waren, Zeugen zu vernehmen und Akten als Beweise zuzulassen.
Selbst die größten Optimisten unter den demokratischen Abgeordneten hatten nie Grund zu glauben, eine erforderliche Mehrheit von 67 der 100 Senatoren für eine Verurteilung von Trump zu erhalten. Einzig die Spekulation darauf, durch die Befragung zusätzlicher Zeugen die Reputation des Präsidenten weiter in Zweifel zu ziehen, war zumindest nicht unrealistisch. Dafür sieht die amerikanische Verfassung das Impeachment aber nicht vor.
Unpopulärer Regierungsstil kein Grund zur Amtsenthebung
Als der amerikanische Senator James Grimes 1868 im Anschluss an seine Stimmenabgabe gegen eine Absetzung von Präsident Andrew Johnson im ersten Impeachment-Verfahren in der amerikanischen Geschichte zu seiner überraschenden Unterstützung des Präsidenten gefragt wurde, hatte Grimes eine verblüffend einfache Antwort. "Ich kann nicht zustimmen, die … Errungenschaften der Verfassung zu zerstören, nur um einen unakzeptablen Präsidenten loszuwerden."
Der Demokrat Johnson war der übermächtigen republikanischen Kongressmehrheit ein Dorn im Auge. Er galt als äußerst schwierig, selbstsüchtig und politisch wenig kompromissbereit. Am Ende fehlten nur wenige Stimmen, darunter die von Senator Grimes, um Johnson des Amtes zu entheben.
Nicht viel anders war die Ausgangslage im Amtsenthebungsverfahren gegen Präsident Bill Clinton. Er musste um die Fortsetzung seiner Amtsgeschäfte fürchten, nachdem bekannt wurde, dass er im Rahmen einer außerehelichen Affäre unter Eid gelogen hatte. Im Dezember 1998 erhob das seinerzeit republikanische Repräsentantenhaus die Anklage.
Trotz der Tatsache, dass Clinton den Vorwurf des Meineids nur schwer entkräften konnte, verfehlten die Ankläger die erforderliche Stimmenmehrheit von 67 Senatoren mit lediglich 45 Stimmen (Meineid) und 50 Stimmen (Justizbehinderung) deutlich. Die überparteiliche Mehrheit konnte nicht erkennen, dass der Präsident eine Gefahr für die Verfassung darstellte.
Anklage materiell-rechtlich zum Scheitern verurteilt
Präsident Trump wurde vorgeworfen, gegenüber ukrainischen Offiziellen staatliche Wirtschafts- und Militärhilfe der USA an die Bedingung geknüpft zu haben, Korruptionsermittlungen gegen Hunter Biden, den Sohn des ehemaligen US-Vizepräsidenten Joe Biden, einzuleiten. Damit habe er sein Amt missbraucht (abuse of power). Zudem warf man dem Präsidenten Behinderung des Kongresses (obstruction of congress) vor, weil er seine Berater instruiert hatte, am Ermittlungsverfahren nicht als Zeugen teilzunehmen.
Die Anklagepunkte gegen Johnson und Clinton unterscheiden sich materiell-rechtlich in einem ganz wesentlichen Punkt von den Ermittlungen gegen Präsident Trump: Amtsmissbrauch und Kongressbehinderung sind dem amerikanischen Recht unbekannt. Die Anklage der Demokraten stützte sich also auf zwei speziell für dieses Verfahren konstruierte, völlig offene und undefinierte Rechtserfindungen. Selbst wenn man die umstrittene Ansicht vertritt, dass eine Impeachment-Anklage nicht auf einer existierenden Rechtsgrundlage basieren muss, haben sich die Demokraten von Beginn an mit der Wahl eines unbestimmten Tatbestandes selbst in eine juristische Notlage manövriert.
Präsident Clinton wurde eines Verbrechens angeklagt, welches im amerikanischen Recht existierte. Er selbst revidierte seine berühmten Worte ("I did not have sexual relations with that woman"), als die Beziehung nicht mehr zu leugnen war. Seine Verteidigung berief sich auf lediglich semantische Feinheiten seiner eidesstattlichen Erklärung.
Demokraten haben sich prozessual verkalkuliert
Nimmt man selbst einfachste Prinzipien der amerikanischen Beweisführung als Maßstab, so kam die Klageführung der Demokraten im Trump-Verfahren aus der Sicht des Prozessrechtes zu keinem Zeitpunkt über Vermutungen und Motivinterpretationen hinaus. Der Nachweis der Absicht, wie sie für ein vergleichbares Justizbehinderungsdelikt als Tatbestandsmerkmal erforderlich ist, war nie in Reichweite. Unbestritten hat Präsident Trump, so wie alle 44 US-Präsidenten vor ihm, das Recht, bestimmte Gespräche mit seinen Anwälten und Beratern geheim zu halten. Die Ausübung dieses Exekutivprivilegs und die Beanspruchung des Anwaltsgeheimnisses zur quasi-strafrechtlichen Grundlage einer Amtsenthebung zu erheben, führt dieses Recht und den Rechtsstaat ad absurdum.
Die Strategie der Demokraten, die kontroverse Frage der etwaigen Überdehnung des Exekutivprivilegs dem Prozess im Senat zu überlassen, war der zweite Kardinalfehler dieser unüberlegten Anklage. Anstatt die Vernehmung von vermeintlichen Kronzeugen wie den ehemaligen Nationalen Sicherheitsberater John Bolton gerichtlich im Rahmen der Anklagevorbereitung des Repräsentantenhauses zu erzwingen, spekulierten die Demokraten darauf, die erforderliche überparteiliche Mehrheit von 51 der 100 Senatoren (47 Demokraten sowie mindestens 4 republikanische Überläufer) im Senat zu erreichen. Auch wenn die Debatte, ob etwaige Zeugen der Exekutivanordnung zum Trotz im Senat aussagen würden, zu den spannendsten Fragen des Verfahrens zählte, mündete dies im Ergebnis in einer vernichtenden prozessualen Blamage für die Demokraten.
Präsident hat weitreichende Exekutivbefugnisse
Was muss also passieren, damit ein amerikanischer Präsident des Amtes enthoben wird? Wenn schon eine vermeintliche, normativ verankerte Straftat im Einzelfall wie bei Clinton überwunden werden kann, was ist dann das zu schützende Rechtsgut, was die unentschuldbare präsidiale Grenzüberschreitung? Nach den historischen Diskussionen der Gründerväter der amerikanischen Verfassung sowie den Argumenten im Rahmen der Verfahren gegen Johnson, Clinton und Trump kann das zu schützende Rechtsgut nur eine bewusste Verletzung der Gewaltenteilung sein.
In diesem System der Gewaltenteilung besitzt Präsident Trump als oberstes Exekutivorgan und Commander-in-Chief weitreichende Weisungsbefugnisse. Er ist verantwortlich für die gesamte Außen- und Sicherheitspolitik der USA. Erst unlängst hat der U.S. Supreme Court die Unabhängigkeit des Präsidenten in diesem Kernbereich der nationalen Sicherheit mit der Bestätigung der Verfassungsmäßigkeit der Einreiseverbote gegenüber Bürgern bestimmter Staaten (sog. travel ban) bestätigt. Chief Justice Roberts erklärte dazu: "We cannot substitute our own assessment for the Executive’s predictive judgments on such matters, all of which are delicate, complex, and involve large elements of prophecy." ("Wir können das Urteilsvermögen der Exekutive nicht durch unsere eigene Bewertung in dieser Art von Fällen ersetzen, die sämtlich heikel und kompliziert sind und ein großes Maß an Vorhersagen").
Mit einer Fortsetzung der Ermittlungen ist zu rechnen
Die Aktivitäten des Sohnes von Ex-Vizepräsident Joe Biden in der Ukraine warfen zahlreiche, bis heute nicht beantwortete Fragen auf. Trotz aller Bemühungen konnten die Demokraten nicht begründen, warum es Präsident Trump nicht erlaubt sein sollte, die zumindest fragwürdigen Geschäfte von Hunter Biden ansprechen zu dürfen. Alle Versuche, ein sogenanntes quid-pro-quo, also eine Verbindung zwischen staatlicher Wirtschaftshilfe und persönlicher Vorteilerlangung nachzuweisen und dafür eine Mehrheit zu bekommen, scheiterten.
Die daraufhin bemühte These der Demokraten, dass es einem amerikanischen Politiker verboten sein soll, Informationen über seinen politischen Gegner aus Auslandsquellen herbeizuziehen, war nicht glaubwürdig. Ein solch kategorisches Verbot ist wirklichkeitsfremd, nicht zuletzt auch im Lichte der zahlreichen Versuche der Demokraten, Beweise für Korruption gegen Trump aus seinen russischen Immobiliengeschäften zu erhalten. Amerikanische Auslandsgeheimdienste beziehen Informationen stets auch von nicht-amerikanischen Quellen, sofern diese Informationen glaubwürdig, verifiziert und relevant sind.
Ein Ende des Streits ist auch nach dem Scheitern des Impeachments nicht ersichtlich. Im gegenwärtig stark polarisierten Klima der amerikanischen Politik scheint der Freispruch als Schlusspunkt für die Demokraten kaum akzeptabel. Es ist vielmehr zu erwarten, dass das demokratisch dominierte Repräsentantenhaus nunmehr die Ermittlungen neu aufrollt und die im Senatsverfahren abgelehnten Zeugen vorlädt. Sollte es dazu kommen, wäre ein Korruptionsverfahren gegen Hunter Biden durch den republikanisch kontrollierten Senat die denkbare Gegenreaktion. Hilfreicher wäre es, den Streit im November durch die Wähler entscheiden zu lassen.
Dr. iur. Nick Oberheiden, J.D. (UCLA) ist Jurist und amerikanischer Rechtsanwalt und Inhaber der Kanzlei Oberheiden, P.C. in Dallas, Texas, USA (www.federal-lawyer.com). Oberheiden ist in nahezu allen Verfahren von nationaler Bedeutung involviert und vertritt hochrangige Politiker, Wirtschaftsführer und internationale Mandanten in Bundesverfahren vor dem amerikanischen Justizministerium, dem FBI sowie dem Außen- und Verteidigungsministerium.
Freispruch für US-Präsident Trump: . In: Legal Tribune Online, 06.02.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/40145 (abgerufen am: 05.11.2024 )
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