Anfang August veröffentlichte der Bundesbauminister eine Liste, aus der hervorgeht, dass viele Länder Bundeszuschüsse für den sozialen Wohnungsbau nicht zweckgerecht ausgeben. Trotzdem fordert der Bund das Geld nicht zurück. Die Folge: In Deutschland fehlen vier Millionen Sozialmietwohnungen. Sozialer Wohnungsbau durch die Länder auf Bestellung des Bundes - das wäre die Lösung, meint Joachim Wieland.
Die Mieten steigen. In vielen Großstädten sind bezahlbare Wohnungen Mangelware. Dennoch werden immer weniger Sozialwohnungen gebaut. Während es 2009 noch 23.600 waren, lag die Zahl der neugebauten Sozialwohnungen 2011 nur noch bei 19.300.
Der Bund zahlt den Ländern seit 2007 zwar jährlich 518 Millionen Euro, damit diese neue Sozialwohnungen bauen können. Insgesamt geben Bund und Länder in jedem Jahr auch etwa 1,5 Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau aus. Da viele Mietpreisbindungen auslaufen, sinkt der Bestand an Sozialwohnungen aber ständig. Vor allem ältere Menschen mit kleinem Einkommen haben große Schwierigkeiten, bezahlbare kleine Wohnungen zu finden.
Bund seit Föderalismusreform nicht mehr zuständig
Bis 2006 wies Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 Grundgesetz (GG) dem Bund die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für das Wohnungswesen zu. Auf dieser Grundlage erlies des Bundesgesetzgeber 2001 das Gesetz über die soziale Wohnraumförderung. Danach gab der Bund den Ländern Finanzierungshilfen für den Bau sozialer Mietwohnungen.
Nach der Föderalismusreform musste sich der Bund jedoch aus dem sozialen Wohnungsbau zurückgezogen. Diese Verantwortungsentflechtung hat zu Verantwortungslosigkeit geführt. So überwies der Bund zwar von 2007 bis 2013 den Ländern übergangsweise weiter Geld für den sozialen Wohnungsbau, um die zweckgerechte Verwendung kümmerte er sich aber nicht.
Längst nicht alle Länder nutzten das Geld für den Bau neuer Sozialwohnungen, sondern stopften damit oft andere Haushaltslöcher. Trotz entsprechendem Bedarf wurden immer weniger Sozialwohnungen gebaut.
Länder stopften mit Fördergeldern Haushaltslöcher
Die Übertragung der Zuständigkeit für den sozialen Wohnungsbau auf die Länder hat sich als nur theoretisch richtig erwiesen. Es nachvollziehbar, den Ländern die alleinige Verantwortung für den sozialen Wohnungsbau zu geben, da dieser den regionalen Bedürfnissen entsprechen muss und nicht auf eine zentrale Lenkung angewiesen ist.
Es leuchtet auch ein, dass die Länder sich für eine Übergangszeit in Art. 143c GG Kompensationszahlungen des Bundes für die Abschaffung der früheren Finanzhilfen gesichert haben. Aus dem Stand heraus hätten viele Landeshaushalte die Finanzierungsbeiträge des Bundes kaum übernehmen können. So wurden die Verantwortlichkeiten zwar zunächst nur auf der Seite der Gesetzgebung entflochten und nicht auch bei der Finanzierung. Dadurch schien aber die Zukunft des sozialen Wohnungsbaus gesichert und Wohnungsnot verhindert.
Es zeigte sich jedoch schnell, dass einige Länder die eigene Haushaltsnot drückender empfanden als die Wohnungsnot ihrer Bürger. Zwar schufen Bayern, Hamburg, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein tausende neuer Sozialwohnungen. In Baden-Württemberg, Hessen, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz wurden immerhin einige neue Wohnungen gebaut. In Berlin, Bremen, dem Saarland und den ostdeutschen Ländern wurden die Zuschüsse des Bundes aber für Wohnungssanierungen, die Abzahlung von alten Verpflichtungen oder für ganz andere Zwecke verwendet. Neue Sozialwohnungen sind dort kaum entstanden.
Das ist angesichts der Haushaltsnotlagen und der geringen Steuerkraft dieser Länder zwar nachvollziehbar. Es zeigt aber, dass es offenkundig ein Fehler war, den Ländern allein die Verantwortung für den sozialen Wohnungsbau zu überlassen. Unter dem Druck der Schuldenbremse sind finanzschwache Länder kaum in der Lage, die Aufgabe sachgerecht zu erfüllen.
Sozialer Wohnungsbau auf Bestellung
Es muss wieder mehr Geld in den sozialen Wohnungsbau fließen, damit mehr Sozialwohnungen gebaut werden und Wohnungsnot gerade in Großstädten wirksam bekämpft wird. Wenn der Bund aber nur Geld gibt, reicht das nicht aus.
Zwar ist eine Zweckbindung der Bundesmittel für den sozialen Wohnungsbau gesetzlich geregelt. Eine Verordnung sieht sogar vor, dass die zweckgerechte Verwendung der Bundesmittel überprüft wird und zweckwidrig verwendete Gelder zurückgezahlt werden müssen. Davon hat der Bund aber keinen Gebrauch gemacht. Dazu mag ihn bewogen haben, dass die Zweckbindung vom 1. Januar 2014 an gemäß Art. 143c Abs. 3 S. 2 GG entfällt. Die Länder müssen die Bundesmittel dann nur noch für irgendwelche Investitionen verwenden – wenn überhaupt weitere Gelder fließen werden, was zunächst einmal nur für 2014 gesichert ist.
Angesichts dieser Rechtslage wird man eher mit weniger als mit mehr neuen Sozialwohnungen rechnen müssen. Ein Ausweg aus dieser Misere könnte dadurch gefunden werden, dass der Bund bei den Ländern Sozialwohnungen gleichsam bestellt und nur Geld gibt, wenn nachweislich neue Sozialwohnungen gebaut worden sind. Eine Zweckentfremdung von Bundesmitteln wäre dann ausgeschlossen. Notwendig wäre dafür allerdings eine Änderung von Art. 143c GG, was allerdings die Entflechtung von Verantwortung, die mit der Bundesstaatsreform erreicht werden sollte, ein Stück weit zurücknehmen würde.
Der Autor Prof. Dr. Joachim Wieland, LL.M., ist Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, Finanz- und Steuerrecht an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer.
Joachim Wieland, Sozialer Wohnungsbau: . In: Legal Tribune Online, 19.08.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9382 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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