46 Staaten haben ein Übereinkommen zur internationalen Vollstreckung von Mediationsvergleichen unterzeichnet. Wann die EU-Staaten mitmachen und wie effektiv solche Vergleiche ohne Richter sein können, erklären Claus Thiery und Sandra Renschke.
Nachdem Anfang Juli die Haager Konferenz ein Übereinkommen verabschiedete, das die grenzüberschreitende Anerkennung und Vollstreckung von Gerichtsurteilen in Zivil- und Handelssachen zum Gegenstand hatte, haben nur einen Monat später 46 Staaten in Singapur das auf Ebene der Vereinten Nationen ausgehandelte Übereinkommen zur internationalen Vollstreckung von Mediationsvergleichen unterzeichnet.
Blaupause für die sog. Singapur-Konvention ist die New Yorker Konvention über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche aus dem Jahr 1958. Die New Yorker Konvention gilt mit 160 Vertragsstaaten – darunter auch Deutschland – als großer Erfolg auf dem Gebiet der Schiedsgerichtsbarkeit. Sie verpflichtet die Staaten, Schiedssprüche anzuerkennen und zu vollstrecken, ohne dass dazu ein gerichtlicher Titel erforderlich wäre.
Ähnlich wie die New Yorker Konvention für die Schiedsgerichtsbarkeit soll das eingangs angesprochene Haager Übereinkommen für den Bereich der staatlichen Gerichtsbarkeit funktionieren. Sein Zweck ist es, Hindernisse bei der globalen Durchsetzung von Gerichtsurteilen in grenzüberschreitenden Fällen abzubauen.
Keine Regelungen für die Anerkennung und Durchsetzung auch im Ausland gab es bislang aber, wenn zwei Parteien eine Streitigkeit ohne Inanspruchnahme von Gerichten beilegen konnten, indem sie einen Vergleich schlossen, z.B. im Rahmen einer Mediation.
Die Angst vor dem wertlosen Vergleich
Anders als bei einem Schiedsspruch, der von oben durch ein Schiedsgericht erlassen wird, handelt es sich bei einem Vergleich um einen schuldrechtlichen Vertrag, der allein auf dem Willen der Streitparteien beruht. Dem Mediator kommt bei seinem Abschluss eine entscheidende Rolle zu. Er unterstützt die Streitparteien darin, eine Einigung zu erzielen, indem er zwischen ihnen vermittelt und Möglichkeiten aufzeigt, den Konflikt zu lösen.
Bei solchen konsensualen Einigungen spricht viel dafür, dass sich die Parteien an den erzielten Vergleich halten. Kommt es aber anders und erfüllt eine Partei in einem grenzüberschreitenden Konflikt ihre vereinbarten Verpflichtungen nicht, musste ein Gläubiger bisher im Zweifel doch ein gerichtliches Verfahren führen. Nur so konnte er dann auf Grundlage eines gerichtlichen Vollstreckungstitels gegen den Schuldner vollstrecken.
Die Befürchtung, dass ein erzielter Vergleich so am Ende wertlos sein könnte, mag daher dazu geführt haben, dass Unternehmen bei internationalen Wirtschaftsstreitigkeiten häufig von einer Mediation absahen und stattdessen sofort den Weg zu einem Schiedsgericht wählten.
Mehr Vertrauen in Mediationsvergleiche
Das möchte die Singapur-Konvention ändern. Sie soll das Vertrauen in Vergleiche stärken, die im Rahmen einer Mediation geschlossen wurden (sog. Mediationsvergleich), indem sie es möglich macht, diese auch im Ausland zu vollstrecken.
Freilich ist es aus juristischer Sicht nicht unproblematisch, einem Mediationsvergleich – also einem rein schuldrechtlichen Vertrag zwischen zwei Parteien – die Qualität eines Vollstreckungstitels beizumessen. Üblicherweise unterliegen Vollstreckungstitel einer vorherigen juristischen Kontrolle, insbesondere durch ein Gericht oder einen Notar. Bei Abschluss eines Mediationsvergleichs gibt es eine solche Kontrollinstanz dagegen nicht. Nach der Singapur-Konvention muss der Mediator kein Jurist sein.
Und doch hat das Übereinkommen das Potenzial, Mediationsverfahren als effektives Instrument zur Streitschlichtung im internationalen Handelsverkehr zu etablieren. Sofern das gelingt, wäre das aus Unternehmenssicht ein echter Erfolg. Eine Mediation bietet im Vergleich zu einem Schiedsverfahren für Unternehmen entscheidende Vorteile: Mediationsverfahren sind in der Regel kürzer und weniger kostenintensiv als Schiedsverfahren. Mediation kann somit langwierige Streitigkeiten vermeiden, die für die Geschäfte eines Unternehmens hinderlich sind und seinen Ruf beeinträchtigen können.
Die Voraussetzungen der Singapur-Konvention
Bei vorbehaltlosem Beitritt zu dem Übereinkommen müssen die Vertragsstaaten einen Meditationsvergleich grundsätzlich vollstrecken. Für die Vollstreckung müssen drei Voraussetzungen erfüllt sein und es darf kein Ablehnungsgrund vorliegen.
Erste Voraussetzung ist, dass der Vergleich im Wege der Mediation erzielt wurde. Der Begriff ist dabei weit zu verstehen, auf die Bezeichnung als Mediation kommt es nicht an. Maßgeblich ist vielmehr, dass die Parteien mit Hilfe einer dritten Person eine gütliche Beilegung der Streitigkeit erreicht haben. Auf gerichtlich protokollierte Vergleiche ist die Singapur-Konvention nicht anwendbar.
Dem Mediationsvergleich muss weiter eine internationale Handelsstreitigkeit zu Grunde liegen. Das bedeutet zum einen, dass nur B2B-Geschäfte erfasst sind, also Geschäfte zwischen Unternehmen. Zum anderen muss die Handelsstreitigkeit einen Bezug zu mindestens zwei Staaten aufweisen.
Die vollstreckende Partei muss dann der zuständigen Behörde den von beiden Parteien unterschriebenen Vergleich vorlegen und nachweisen, dass dieser durch eine Mediation erzielt wurde. Diesen Nachweis erbringt insbesondere die Unterschrift des Mediators unter dem Vergleich.
Schließlich darf kein Ablehnungsgrund – für den der Vollstreckungsgegner beweispflichtig ist – vorliegen. Die möglichen Ablehnungsgründe benennt die Singapur-Konvention abschließend; darunter etwa die Nichtigkeit des Vergleichs oder den Umstand, dass die Vollstreckung einen Ordre Public-Verstoß darstellen würde.
Die Vertragsstaaten können bei ihrem Beitritt allerdings auch den Vorbehalt erklären, das Übereinkommen nur dann anzuwenden, wenn die Parteien des Mediationsvergleichs der Anwendung des Übereinkommens zugestimmt haben.
Bislang kein Beitritt der EU oder der EU-Mitgliedsstaaten
Die USA und China waren die Ersten, die neben anderen Ländern wie Indien, Südkorea und der Schweiz das Übereinkommen unterzeichnet haben. Weder die EU noch ein EU-Mitgliedstaat haben bisher ihren Beitritt erklärt. Das liegt wohl daran, dass derzeit noch geprüft werden muss, ob die EU als Ganzes die für einen Beitritt nötige Kompetenz hat. Bis zur Klärung dieser Frage sollen auch die einzelnen EU-Mitgliedstaaten noch nicht beitreten.
In Kraft treten wird die Singapur-Konvention erst, sobald mindestens drei Staaten sie formal ratifiziert haben. Schon jetzt dürfte aber feststehen, dass das Übereinkommen für viele global agierende Unternehmen zukünftig relevant sein dürfte, wenn es darum geht, Streitigkeiten beizulegen. So dürften Unternehmen zukünftig häufiger Mediationsverfahren anstreben – wenn nicht ausschließlich, dann jedenfalls im Vorfeld oder während eines Schiedsverfahrens.
Ob die Singapur-Konvention für Mediationsverfahren einen vergleichbaren Erfolg wie die New Yorker Konvention für Schiedsverfahren verzeichnen kann, wird entscheidend davon abhängen, wie effektiv die Vertragsstaaten die Bestimmungen des Übereinkommens umsetzen. Dabei wird auch eine Rolle spielen, wie viele Vertragsstaaten dem Übereinkommen unter dem Vorbehalt beitreten, das Übereinkommen nur dann anzuwenden, wenn die Parteien des Mediationsvergleichs seiner Anwendung zugestimmt haben. Angesichts seiner Vorteile dürfte die Anwendbarkeit des Übereinkommens dann in grenzüberschreitenden Handelsverträgen zum Standard werden.
Über die Autoren:
Claus Thiery ist Partner und Leiter des Geschäftsbereichs Dispute Resolution bei CMS in Deutschland. Er berät und vertritt seine Mandanten in Organhaftungsfällen sowie zu komplexen handels-, insolvenz- und gesellschaftsrechtlichen Konflikten, meist mit grenzüberschreitendem Bezug.
Sandra Renschke ist Rechtsanwältin am Münchner Standort von CMS und ebenfalls im Bereich Dispute Resolution tätig. Sie berät und vertritt Mandanten vor Gerichten und Schiedsgerichten in internationalen handels- und wirtschaftsrechtlichen Streitigkeiten.
Singapur-Konvention für internationale Handelskonflikte: . In: Legal Tribune Online, 19.08.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/37125 (abgerufen am: 25.11.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag