An diesem Donnerstag wird der Bayerische Verfassungsgerichtshof über ein Volksbegehren zum Mietenstopp entscheiden. Es dürfte die erste gerichtliche Entscheidung zur Frage sein, ob Bundesländer solche Regelungen beschließen dürfen.
Bisher war Bayern nur ein Nebenschauplatz zu einer von Berlin angestoßenen Diskussion. In der Bundeshauptstadt trat am 23. Februar der sogenannte Mietendeckel in Kraft. Damit sind die Mieten für 1,5 Millionen Wohnungen in Berlin auf dem Stand vom Juni 2019 eingefroren. Wird eine Wohnung wieder vermietet, muss sich der Vermieter an neue, vom Staat festgelegte Obergrenzen und die zuletzt verlangte Miete halten. Ab November* müssen überhöhte Bestandsmieten sogar gesenkt (gekappt) werden. Das Land stützt sich auf seine Kompetenz für das Wohnungswesen.
Ob das zugrundeliegende Berliner Gesetz zur Neuregelung gesetzlicher Vorschriften zur Mietenbegrenzung (MietenWoG Bln) verfassungskonform ist, ist heftig umstritten. Es liegen Verfahren beim Bundesverfassungsbericht (BVerfG) und beim Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin (VerfGH Bln) vor. Es geht dabei zwar auch um materielle Fragen wie die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs ins Eigentum, aber als Hauptstreitpunkt wird überwiegend die Frage gesehen, ob das Land Berlin überhaupt die Gesetzgebungskompetenz für den Mietendeckel hat.
Eine erste Wegweisung könnte nun ausgerechnet aus Bayern kommen. Denn in dem Verfahren, das der Bayerische Verfassungsgerichtshof (BayVerfGH) am kommenden Donnerstag entscheiden wird, geht es ganz zentral um die Gesetzgebungskompetenz der Länder bei wohnungspolitisch motivierten Eingriffen ins Mietrecht.
Das Verfahren aus Bayern
Das Verfahren vor dem BayVerfGH dreht sich um die Zulässigkeit des Volksbegehrens "Sechs Jahre Mietenstopp". In 162 bayerischen Gemeinden mit angespanntem Wohnungsmarkt sollen Vermieter sechs Jahre lang die Miete nicht mehr erhöhen dürfen. Ausnahmen soll es nur geben, wenn die Miete unter 80 Prozent der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt oder wenn Modernisierungsmaßnahmen durchgeführt wurden. Der Mietenstopp-Vorschlag sieht keine Absenkung von Mieten vor, ist also nicht ganz so weitgehend wie der Berliner Mietendeckel. Initiiert wurde das Volksbegehren vom Mieterverein München, dem Deutschen Mieterbund Bayern, der bayerischen SPD, der bayerischen Linkspartei und dem DGB München sowie der Initiative "ausspekuliert". Über 50.000 Unterschriften wurden gesammelt, 25 000 wären erforderlich gewesen.
Das Volksbegehren wurde jedoch vom Bayerischen Innenministerium nicht zugelassen. Das Land könne ein derartiges Gesetz nicht beschließen, hieß es zur Begründung. Der Bund habe die konkurrierende Kompetenz für das Mietrecht und dort eine abschließende Regelung getroffen. Ob der vorgeschlagene Mietenstopp auch materiell verfassungswidrig wäre, ließ das Innenministerium offen.
Wenn die Landesregierung ein Volksbegehren nicht zulässt, muss nach Art. 64 des bayerischen Landeswahlgesetzes automatisch der BayVerfGH entscheiden. Dieser hat am 18. Juni mündlich verhandelt. In der Verhandlung zeichnete sich laut Medienberichten noch kein Ausgang ab. Das Urteil wird am 16. Juli verkündet.
Die zentrale Fragestellung ist also diesselbe wie in den Berliner Verfahren: Darf ein Land gesetzliche Vorgaben für die vertraglich vereinbarte Miethöhe machen, um bezahlbare Mieten zu sichern?
Zwar hat eine Entscheidung des BayVerfGH natürlich keine rechtliche oder politische Bindungswirkung für den Streit um den Berliner Mietendeckel. Selbst wenn der BayVerfGH entscheidet, dass Länder keine Gesetzgebungskompetenz für solche Eingriffe haben, wird das Berliner Abgeordnetenhaus seinen Mietendeckel wohl nicht sofort zurücknehmen. Das BayVerfGH-Urteil wird für den Berliner Streit aber vor allem ein fundierter juristischer Diskursbeitrag sein.
Die Verfahren zum Berliner Mietendeckel
Die verbindliche Entscheidung zum Berliner Mietendeckel wird also nicht in Bayern fallen. Wo sie stattdessen fällt - in Berlin oder in Karlsruhe -, das ist noch nicht entschieden.
Beim VerfGH Bln ist eine abstrakte Normenkontrolle anhängig, die von Abgeordneten der Berliner Oppositionsfraktionen CDU und FDP eingebracht wurde. Außerdem liegt die Verfassungsbeschwerde einer privaten Vermieterin vor.
Beim BVerfG ist die Zahl der Verfahren, die sich mit dem Berliner Mietendeckel befassen, sogar größer. Auch hier liegt eine abstrakte Normenkontrolle gegen das Berliner Gesetz vor, eingereicht von 248 Bundestagsabgeordneten der CDU/CSU und der FDP. Hinzu kommen eine konkrete Normenkontrolle des Landgerichts Berlin sowie mehrere individuelle Verfassungsbeschwerden.
Doch wer entscheidet nun zuerst? Es gibt keine gesetzliche Reihenfolge. Absprachen zwischen den Gerichten hat es ebenfalls noch nicht gegeben. Die Natur der Sache könnte dafür sprechen, dass das BVerfG zunächst entscheidet, weil sich die Frage, ob dem Land Berlin eine Gesetzgebungskompetenz zusteht, vor allem aus dem Grundgesetz ergibt - dessen Auslegung nicht zur Kernaufgabe eines Landesverfassungsgerichts gehört.
Die Konstellation ist aber noch komplexer als auf den ersten Blick zu erkennen ist. Denn am BVerfG sind beide Senat mit dem Mietendeckel befasst. Die abstrakte und die konkrete Normenkontrolle ist im Zweiten Senat anhängig, weil im Schwerpunkt die fehlende Gesetzgebungszuständigkeit gerügt wird. Berichterstatter ist aufgrund einer Auffangzuständigkeit Verfassungsrichter Peter M. Huber. Dagegen liegen die Verfassungsbeschwerden nach § 14 BVerfassungsgerichtsgesetz generell im Ersten Senat, auch wenn die materiellen Grundrechtsfragen nicht den Schwerpunkt bilden. Berichterstatterin ist Verfassungsrichterin Yvonne Ott, die am Ersten Senat für das Mietrecht zuständig ist. Auch hier hat es noch keine Absprachen zwischen den Senaten gegeben.
Das Zusammenspiel der Verfahren
Wenn der VerfGH Bln zuerst entscheiden wollte, wäre dies sicher möglich. Denn Verfahren am BVerfG sind bekannt langwierig, selbst wenn das Karlsruher Gericht sich beeilt. Endgültig wäre eine derartige Entscheidung aber nur, wenn der VerfGH Bln den Mietendeckel kippt. Den wenn das Gesetz für nichtig erklärt wurde, würde den BVerfG-Verfahren der Gegenstand fehlen.
Dieses Szenario wäre aber wenig wahrscheinlich, da der VerfGH Bln proportional besetzt ist und die von den aktuellen Regierungsparteien SPD, Linke und Grüne vorgeschlagenen Richter mit sechs zu drei Sitzen ein strukturelles Übergewicht haben. Sollte der Berliner Verfassungsgerichtshof zuerst entscheiden und den Mietendeckel nicht beanstanden, könnte das BVerfG - das heißt einer der beiden BVerfG-Senate - formal immer noch anders entscheiden. Allerdings wäre auch hier die positive Entscheidung des VerfGH Bln ein wichtiger juristischer Diskursbeitrag, den die Karlsruher Richter nicht leichtherzig ignorieren würden.
Sollte eines der angerufenen Gerichte den Berliner Mietendeckel aus Kompetenzgründen kippen, so wäre jedenfalls eine schnelle Entscheidung wünschenswert. So könnte dieses Urteil die Notwendigkeit einer bundespolitischen Diskussion über einen Mietendeckel verdeutlichen. Ein Bundesmietendeckel wäre dann wahrscheinlich ein großes kontroverses Thema im anstehenden Wahlkampf für die im Herbst 2021 geplante Bundestagswahl. Bisher scheiterte ein entsprechendes Bundesgesetz am politischen Nein der CDU/CSU.
Dabei könnte schon die Entscheidung des BayVerfGH am Donnerstag ein guter Anlass für die Debatte um einen Bundes-Mietendeckel sein, wenn er das bayerische Volksbegehren aus Kompetenzgründen für unzulässig erklärt.
*Klarstellung am 16.07.2020, 17.46 Uhr.
Mietenstopp und Mietendeckel: . In: Legal Tribune Online, 14.07.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/42187 (abgerufen am: 25.11.2024 )
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