Walt Disney hat Micky 1928 zum Leben erweckt. Mit dem Film "Steamboat Willie" wurde die Maus weltberühmt. Dieses Jahr, 95 Jahre später, wird sie in den USA gemeinfrei. Ob das auch in Deutschland gilt, prüft Sarah Baumann.
Micky Maus hatte Geburtstag und wurde vergangenes Jahr stolze 95 Jahre alt. Das Urheberrecht für Micky Maus als Zeichentrickfigur lief Ende 2023 in den USA aus, wodurch sie dort ab dem 1. Januar 2024 gemeinfrei wurde.
Das heißt aber nicht, dass die Maus nun auch in Deutschland vogelfrei ist und von jedem beliebig verwendet werden darf. So war es etwa ihrem Zeichentrickkollegen Winnie Puuh 2022 ergangen, der kurze Zeit später Hauptdarsteller des Horrorfilms "Winnie the Pooh: Blood and Honey" wurde.
Der Grund: Das Urheberrecht in den USA unterscheidet sich von dem in Deutschland. Außerdem gilt die Freiheit bei Micky nur für die Version von 1928 aus dem Film "Steamboat Willie". Zusätzlich spielt auch das Markenrecht eine Rolle bei diesem Thema.
Klingt kompliziert. Aber keine Angst: Wir dröseln das jetzt einmal gemeinsam auf.
Gemeinfreiheit in Deutschland und in den USA
Im Kern geht es um die Gemeinfreiheit. Sie bedeutet, dass das Werk ohne Einverständnis des Urhebers verwendet und verbreitet werden darf. Dadurch können neue Werke aus dem Ursprungswerk entstehen. Das ist in Deutschland im Urhebergesetz (UrhG) geregelt. Dazu muss das Werk zunächst urheberrechtlichen Schutz genießen, was nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG auch für Zeichnungen möglich ist, also auch für die Zeichnung von Micky. Nach § 64 UrhG erlischt der Schutz 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers oder bei einer Miturheberschaft 70 Jahre nach dem Tod des längst lebenden Miturhebers (§ 65 Abs. 1 UrhG). Dann ist ein Werk nach deutschem Recht gemeinfrei.
In den USA tritt die Gemeinfreiheit bei einer Co-Autorenschaft dagegen erst 95 Jahre nach der Erstveröffentlichung des Werks ein, also unabhängig vom Tod des Urhebers. Dies gilt in den USA aufgrund des "Copyright Term Extension Act" (CTEA). 1998 verlängerte dieses Gesetz in den USA die bestehenden Schutzfristen um 20 Jahre. Zuvor betrug die Schutzdauer bei einer Miturheberschaft lediglich 75 Jahre. Das Ziel war es, den Rechteinhabern dieselben Urheberrechte wie in Europa zu gewähren. Die Walt Disney Company setzte sich stark für die Verabschiedung dieses Gesetzes ein, weshalb es auch als "Mickey Mouse Act" bekannt ist.
Wie ist das nun auf die Micky-Maus-Zeichnung von 1928 anzuwenden? In den USA ist es unproblematisch: Die Maus-Version aus "Steamboat Willie" wurde 1928 von Walt Disney und Ub Iwerks erschaffen. Da beide an der Entstehung beteiligt waren, liegt eine Co-Autorenschaft vor. Dadurch endet die Schutzfrist 95 Jahre nach der Erstveröffentlichung. Diese 95 Jahre sind Ende 2023 abgelaufen, wodurch die 1928er-Version seit diesem Jahr in den USA gemeinfrei ist.
Nach deutschem Recht ist aber der Tod des Urhebers relevant. Walt Disney ist zwar bereits 1966 verstorben, Ub Iwerks jedoch erst 1971. Wir befinden uns im Jahr 2024, also sind es noch 18 Jahre bis zur Gemeinfreiheit in Deutschland.
Zwei Rechtsordnungen, zwei unterschiedliche Ergebnisse: Und jetzt?
Schutzlandprinzip und Staatsverträge
Das UrhG sieht normalerweise das Schutzlandprinzip vor. Danach gilt das Recht desjenigen Landes, in dem Schutz für ein Werk beansprucht wird. § 121 Abs. 4 S. 1 UrhG verweist insoweit auf die Anwendung von Staatsverträgen. Die Revidierte Berner Übereinkunft (RBÜ) ist ein solcher Staatsvertrag. Diese Übereinkunft existiert in ihrer Grundfassung schon seit 1886, die USA sind ihr erst 1989 beigetreten. Die RBÜ statuiert das Schutzlandprinzip. Das bedeutet, es ist das Recht des Staates anzuwenden, für dessen Gebiet der Schutz beansprucht wird, also der Staat, in dem das Werk genutzt wird.
Das heißt, dass die "Steamboat Willie"-Maus in Deutschland gemäß der RBÜ erst ab 2042 ohne die Einwilligung des Urhebers verwendet werden darf.
Fertig sind wir mit der Prüfung dann aber noch nicht. Denn die RBÜ statuiert auch, dass eine ursprünglich geltende Schutzfrist – also bei Micky 95 Jahre nach Veröffentlichung in den USA – aufgrund der RBÜ nicht verlängert werden kann. Die RBÜ kann Schutzfristen also nur verkürzen, nicht aber verlängern. Das heißt, wenn in den USA die Schutzfrist abgelaufen ist, gilt sie auch in Deutschland als abgelaufen. Dieser "Schutzfristenvergleich" würde dazu führen, dass die Micky-Zeichnung von 1928 seit diesem Jahr in Deutschland beliebig verwendet werden darf.
Doch es wäre ja langweilig, wären wir hier schon fertig. Der Abkommen und Sonderregelungen nicht genug gibt es noch das Abkommen zwischen dem Deutschen Reich und den Vereinigten Staaten über den gegenseitigen Schutz der Urheberrechte von 1892. Spoiler: Hier finden wir endlich die Antwort auf unsere Frage.
Denn nach diesem Abkommen werden US-amerikanische Werke in Deutschland wie inländische Werke behandelt und es wird eben kein Schutzfristenvergleich vorgenommen. Bei der Frage, ob Micky Maus in Deutschland verwendet werden darf, werden nur die deutschen Schutzfristen berücksichtigt. Die "Steamboat Willie"-Micky-Maus wird in Deutschland daher erst am 1. Januar 2042 gemeinfrei.
Alle, die bereits ihr Zeichenpapier und den Bleistift gezückt haben, müssen mit der Verwendung der Maus also noch ein paar Jahre warten.
Und dann ist da noch das Markenrecht
Wenn wir nun 18 Jahre in die Zukunft reisen, können wir dann Micky Maus in Deutschland frei verwenden, zum Beispiel wie Winnie Puuh als Hauptfigur in einem Horrorfilm? Leider nein.
Das Urheberrecht ist nur eine Seite der Medaille. Die andere Seite ist das Markenrecht. Eine Marke ist ein rechtlich geschütztes Zeichen, das den Markeninhaber vor unbefugter Verwendung des Zeichens schützt. Eine Marke kennzeichnet normalerweise Waren und Dienstleistungen, meistens als Wort- oder Bildmarke.
Im Gegensatz zum Urheberrecht entstehen Markenrechte aber nicht automatisch mit der Erstellung eines Werks (im Markenrecht "Zeichen" genannt), sondern müssen aktiv angemeldet und eingetragen werden.
Walt Disney hat genau das im Jahr 1928 mit der Trickfigur aus "Steamboat Willie" getan. Außerdem läuft der Markenrechtsschutz nicht irgendwann automatisch aus. Die Marke ist stattdessen so lange geschützt, wie sie benutzt wird. Und auch das trifft auf die Maus von 1928 zu: Obwohl es seit 1928 viele verschiedene Versionen von Micky gibt – die berühmten weißen Handschuhe trägt Micky zum Beispiel erst seit 1929 –, wird die erste Version immer noch regelmäßig genutzt. Das bedeutet, dass ihr Markenrechtsschutz noch besteht.
Immerhin: Das Markenrecht schützt nur die kommerzielle Nutzung eines Zeichens. Die künstlerische Verwendung von Micky aus dem Jahr 1928 ist in Deutschland also ab 2042 gemeinfrei möglich. Und das ist jetzt auch wirklich die finale Antwort. Hurra! Oder wie Micky sagen würde: "Oh Junge!"
Die Autorin Sarah Baumann ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Kanzlei Morrison Foerster. Sie hat 2023 ihr 1. juristisches Staatsexamen absolviert und ist vor allem an Fragestellungen rund um das IT-Recht interessiert. In ihrer Arbeit als Wissenschaftliche Mitarbeiterin beschäftigt sie sich außerdem mit dem Bereich Intellectual Property.
Micky Maus' besonderer Geburtstag: . In: Legal Tribune Online, 16.02.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/53886 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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