Europaweit diskutiert, in Deutschland nur scheinbar geklärt: Wann kann sich der angebliche Patentverletzer mit dem Argument verteidigen, er habe einen Anspruch auf eine Lizenz zu fairen und nicht-diskriminierenden Konditionen (FRAND)? Das LG Düsseldorf hat die Frage nun dem EuGH vorgelegt und sparte dabei nicht mit Kritik an den Auffassungen von EU-Kommission und BGH, meint Anette Gärtner.
Patente sind Monopolrechte. Sie gewähren ihrem Inhaber das Recht, grundsätzlich jedem Dritten zu verbieten, Produkte zu fertigen und zu vertreiben, die in den Schutzbereich des Patents fallen. Wer dieses Recht verletzt, muss außerdem Schadensersatz zahlen. So weit, so gut.
Doch was geschieht, wenn ein Produkt die Lehre eines Patents verwirklichen muss, um einem technischen Standard zu entsprechen, wenn also das Patent standardessentiell ist? Bereits 2004 stellte der Bundesgerichtshof (BGH) im Urteil Standard-Spundfass (Urt. v. 13.07.2004, Az. KZR 40/02) fest, dass sich der angebliche Verletzer mit der Einrede verteidigen kann, ihm stünde eine Lizenz zu fairen und nicht-diskriminierenden Bedingungen (FRAND) zu. Denn die legitime Durchsetzung eines Patents endet dort, wo der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung beginnt.
Hohe Hürden für FRAND-Einwand
Da hierzulande europaweit die meisten Patentverletzungsverfahren geführt werden, hatten die deutschen Gerichte seit Standard-Spundfass mehr als ausreichend Gelegenheit, die Dogmatik weiterzuentwickeln, bevor FRAND auch in anderen Mitgliedstaaten entdeckt wurde.
Seit der BGH-Entscheidung Orange Book Standard (Urt. v. 06.05.2009, Az. KZR 39/06) steht allerdings auch fest, dass der angebliche Verletzer sich nur auf den Einwand berufen kann, wenn er sich wie ein "ordentlicher Lizenznehmer" verhält. Er muss ein unbedingtes Angebot machen, das der Patentinhaber nicht ablehnen kann, ohne sich wettbewerbswidrig zu verhalten. Der Lizenzsucher muss außerdem Rechnung legen und – wenn keine Einigung mit dem Patentinhaber zustande kommt – die fiktive Lizenzgebühr notfalls hinterlegen.
Die Instanzgerichte präzisierten in der Folgezeit die Anforderungen, denen das Angebot genügen muss. Gemäß dem vielbeachteten Beschluss GPRS-Zwangslizenz II des OLG Karlsruhe (Beschl. v. 13.06.2012, Az. 6 U 136/11) ist der Patentinhaber nicht gehalten, ein Angebot anzunehmen, wenn der Lizenzsucher sich vorbehält, nur für diejenigen Produkte Lizenzgebühren zu zahlen, die in den Schutzbereich des Patents fallen. Ebenso "tödlich" soll es sein, wenn der Lizenzsucher darauf besteht, das Patent durch einen Einspruch oder ein Nichtigkeitsverfahren zu Fall bringen zu dürfen.
Angesichts dieser strengen Vorgaben der deutschen Rechtsprechung wundert es kaum, dass nach Zeitlagenmultiplexverfahren (LG Düsseldorf, Urt. v. 13.02.2007, Az. 4a O 124/05) kein Fall mehr bekannt wurde, in dem der FRAND-Einwand zu einer Klageabweisung geführt hätte.
Extrempositionen können nicht richtig sein
Die Gerichte anderer Mitgliedstaaten (namentlich des Vereinigten Königreichs und der Niederlande) legen weniger strenge Maßstäbe an. Die Europäische Kommission hat sogar die Frage aufgeworfen, ob es bereits rechtsmissbräuchlich sei, wenn der Patentinhaber seinen Unterlassungsanspruch durchsetzt, obwohl der Verletzer zu Lizenzverhandlungen bereit wäre.
Angesichts der unklaren Situation bittet die Düsseldorfer Patentstreitkammer des Landgerichts* nun den EuGH um Klärung, welchen Inhalt ein Lizenzangebot haben muss, damit der Patentinhaber es nicht ablehnen darf (Beschl. 21.03.2013, Az. 4b O 104/12). Anders gesagt: Was bedeutet FRAND?
Der Vorlagebeschluss zeigt klar auf, dass keine der Extrempositionen richtig sein kann. Nach Ansicht der Düsseldorfer Richter irrt die EU-Kommission, wenn sie meint, bereits die Bereitschaft zu Lizenzgesprächen genüge. Der Verletzer dürfe sich nicht durch eine - womöglich nicht ernst gemeinte - Erklärung der Haftung entziehen und damit die Durchsetzung des Patents verhindern.
Kontrahenten stehen einander in wechselnden Parteirollen gegenüber
Weniger scharf, aber unmissverständlich fällt auch die Kritik an der deutschen Rechtsprechung nach Standard-Spundfass aus. Die Patentstreitkammer meint, es sei nicht sachgerecht, immer den Interessen des Patentinhabers den Vorzug zu geben. Im Spannungsfeld von Patent- und Kartellrecht müsse vielmehr ein Interessenausgleich gefunden werden.
Die Düsseldorfer Richter regen daher an, die Maßstäbe zu korrigieren, und dafür bei dem Kriterium des "unbedingten Angebots" anzusetzen. Nach Ansicht der Kammer ist es durchaus nachvollziehbar, wenn der Lizenzsucher nur für solche Produkte Lizenzgebühren zahlen will, die von der Lehre des Patents Gebrauch machen. Darüber hinaus solle dem Lizenzsucher nicht der Angriff auf Lizenzschutzrechte untersagt werden. Denn die Allgemeinheit habe kein Interesse am Fortbestand unwirksamer Patente.
So manchem Patentinhaber wird dies wenig gefallen. Allerdings stehen einander insbesondere in der Mobilfunkbranche die Kontrahenten immer wieder in wechselnden Parteirollen gegenüber. Die patentrechtliche Welt ist nicht klar in "Patentinhaber" einerseits und "Verletzer" andererseits aufgeteilt. Das Thema FRAND ist somit potentiell für alle Beteiligten von hoher Bedeutung. Das sollte der EuGH erkennen und klar definieren, was fair, reasonable and non-discriminatory letztlich ist.
Die Autorin Dr. Anette Gärtner ist Fachanwältin für Gewerblichen Rechtsschutz und Counsel im Münchener Büro der internationalen Anwaltssozietät Clifford Chance.
* Anmerkung der Redaktion (26.03.2013, 17:40 Uhr): Hier stand zunächst Oberlandesgericht.
Anette Gärtner, Patentstreitkammer fragt EuGH: . In: Legal Tribune Online, 26.03.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8410 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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