Die männlichen Kollegen verdienen zwar mehr, aber das hat ja Gründe, also ist es keine Diskriminierung, entschied das LAG Niedersachsen. Das EntgTranspG ist als Mittel also gut, nur lässt es sich nicht durchsetzen, meint Kathrin Bürger.
Bereits unmittelbar nach Inkrafttreten des Entgelttransparentgesetzes (EntgTranspG) stellte sich die Frage, was ein Arbeitnehmer überhaupt vortragen muss, um eine Diskriminierung zu rechtfertigen und eine Vergütungsanpassung nach oben zu erhalten. Diese Frage war in der arbeitsrechtlichen Literatur umstritten und mannigfaltige Ansichten wurden vertreten. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachen hat eine erste Einschätzung getroffen (Urt. v. 01.08.2019, Az. 5 Sa 196/19). Wenn das Bundesarbeitsgericht dieser Rechtsprechung folgt, ist das Gesetz weitgehend Makulatur.
Die Krux mit der Vergleichsgruppe
Geklagt hatte eine Arbeitnehmerin, die als Abteilungsleiterin mit 5.685,90 Euro brutto sowie einer sog. übertariflichen Zulage in Höhe von 550 Euro brutto bei dem Unternehmen beschäftigt war. Sie wollte wissen, was ihre männlichen Kollegen verdienen. Das Unternehmen informierte die Arbeitnehmerin über den Median der dort beschäftigten männlichen Abteilungsleiter. In die Vergleichsgruppe fielen alle männlichen Arbeitnehmer, die eine Tätigkeit als Abteilungsleiter ausüben und Führungsaufgaben seit 2012 erbringen. Begründet wurde dies damit, dass auch die Arbeitnehmerin seit diesem Zeitpunkt Führungsaufgaben wahrnimmt.
Die Arbeitnehmerin zeigte sich mit der getätigten Auskunft nicht einverstanden, woraufhin das Unternehmen erneut Auskunft erteilte, wonach der Median des Grundgehalts sämtlicher männlichen Abteilungsleiter 6.292,00 Euro brutto beträgt. Die Arbeitnehmerin erfuhr aber auch, dass in der Vergleichsgruppe ein Abteilungsleiter aufgenommen war, der bereits seit 1999, mithin 13 Jahre länger als die klagende Arbeitnehmerin, eine Tätigkeit als Abteilungsleiter mit Führungsaufgaben erbringt. Der Median für die Zulagen liege – so die Auskunft des Arbeitgebers – bei 600 Euro brutto monatlich.
Gehalt der Männer um acht Prozent höher
Die Vergütung in dem Unternehmen war nach Unternehmensangaben auch für die außertariflich bezahlten Mitarbeiter stark an die Tariflohnerhöhungen angelehnt. So würden Tariflohnerhöhungen an diese weitegegeben. Im Übrigen werde die Vergütung alle zwei bis drei Jahre überprüft, die Abteilungsleiter wiesen sehr unterschiedliche Betriebszugehörigkeiten auf und es werde mit Führungskräften aus eigenen Reihen als auch mit Quereinsteigern gearbeitet. Aus der Kumulation dieser Gründe ergebe sich die unterschiedliche Vergütung.
Es war beim LAG unstreitig, dass damit das Durchschnittsgehalt der vergleichbar beschäftigten männlichen Abteilungsleiter um acht Prozent höher als das der beschäftigten weiblichen Abteilungsleiter war. Unter allen Abteilungsleitern ist die bestbezahlteste Person eine Frau.
Die Arbeitnehmerin begehrte letztlich vor dem LAG eine Zahlung aufgrund der Vergütungsdifferenz sowie die Feststellung, dass eine monatliche Zulage in Höhe von 600 Euro brutto geschuldet sei.
Diskriminierung nicht allein wegen unterschiedlicher Vergütung
Anders als zuvor das Arbeitsgericht Göttingen wies das LAG die Klage vollständig ab. Der Anspruch der Arbeitnehmerin scheitere bereits daran, dass sie keine Entgeltbenachteiligung dargelegt habe. Unabhängig von der - umstrittenen – einschlägigen Anspruchsgrundlage für die Anpassung der Vergütung, bedürfe es nach der Beweislastnorm § 22 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) eines Vortrags, der mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf eine Vergütungsbenachteiligung aufgrund des Geschlechts schließen lasse.
Diesen sah das LAG hier nicht. Das Gehalt der Klägerin liege zwar unter dem Median, diese Auskunft allein sei allerdings nicht ausreichend, um eine Diskriminierung festzustellen. Aus der Auskunft des Unternehmens ergebe sich nicht, wie sich die Vergütung des eigenen – hier weiblichen – Geschlechts zusammensetzt. Es gebe, so das LAG weiter, auch keine Beweiserleichterung zu ihren Gunsten basierend auf der bloßen Auskunft des Unternehmens, selbst wenn die Vergütungsdifferenz einen erheblichen Umfang darstellen würde.
Allein die Tatsache, dass Kollegen acht Prozent mehr verdienen, reiche daher nicht aus. Das Unternehmen habe darüber hinaus auch nachvollziehbare Gründe für die abweichende Gehaltsstruktur dargelegt, wie unterschiedlich lange Betriebszugehörigkeiten bzw. die Einstellung von Quereinsteigern.
Die Arbeitnehmerin hat gegen diese Entscheidung bereits Revision zum Bundesarbeitsgericht (Az. 8 AZR 488/19) eingelegt.
Vortrag sollte nach der Intention des Gesetzes ausreichen
Die Arbeitnehmerin hat das vorgetragen, was das EntgTranspG ihr zur Verfügung gestellt hat, nämlich die erlangte Information über die Vergütung der männlichen Arbeitskollegen. Es ist naheliegend, dass ein klagender Arbeitnehmer nicht die vollständige Information über das Gehalt seiner eigenen Referenzgruppe hat.
Die von der Klägerin gelieferte Information sollte ausweislich der Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drs. 18/11133, S. 57) jedoch als ausreichend angesehen werden, da mit der Auskunft nach § 10 EntgTranspG sowohl die Benachteiligung als auch die Entgeltdifferenz geltend gemacht werden kann. Auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) geht partiell in seiner Rechtsprechung davon aus, dass schon der Vortrag der Ausübung gleichwertiger Arbeit und bestehende Entgeltungleichheit ausreichen kann, um eine Benachteiligung wegen des Geschlechts festzustellen (vgl. EuGH, Urt. v. 26. 06. 2001, Az. C-381/99; EuGH, Urt. v. 28.02.2013, Az. C-427/11).
Das BAG hat allerdings bereits ausgeführt, dass sich eine Vermutung für ein benachteiligendes Verhalten aus statistischen Daten nur dann ergeben könne, wenn diese konkret auf den betreffenden Arbeitgeber bezogen sind und dessen Verhalten als Merkmalsträger betreffen (BAG, Urt. v. 21.06.2012, Az. 8 AZR 364/11 ). Ob man dies hier pauschal übertragen kann, bleibt abzuwarten.
Mittel ohne Durchsetzbarkeit
Die Entscheidung befasst sich mit dem maßgeblichen Problem des EntgTranspG. Das Gesetz hat den Arbeitnehmern ein Mittel an die Hand gegeben, letztlich aber nicht dafür gesorgt, dass dieses auch durchsetzbar ist.
Seit der Einführung des EntgTranspG ist umstritten, wie ein genauer Vortrag für eine Entgeltdiskriminierung aussehen könnte. Klagende Arbeitnehmer sind daher gut beraten, sich bis zur BAG-Entscheidung nicht nur auf die indizielle Wirkung des Medians zu verlassen, sondern mehr zur Diskriminierung vorzutragen.
Arbeitgeber können sich nunmehr erstmal auf diese Entscheidung berufen. Diese entbindet Unternehmen allerdings nicht, ein auf objektive Kriterien gestütztes System der Entgeltfindung und -gewährung zu etablieren. Die Rechtsprechung billigt die Ablösung eines unvollständigen bzw. diskriminierenden Systems insoweit, als dass dann die Verpflichtung zur Anpassung nach oben ihr Ende findet (vgl. BAG, Urt. v. 08.12.2011, Az. 6 AZR 319/09). Regelungen mit Übergangscharakter werden nämlich immer dann als angemessen und erforderlich angesehen, wenn diese die Diskriminierung schrittweise verschwinden lassen.
Die Autorin Dr. Kathrin Bürger ist Fachanwältin für Arbeitsrecht und Partnerin bei Beiten Burkhardt in München.
LAG Niedersachsen zur Entgelttransparenz: . In: Legal Tribune Online, 14.01.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/39655 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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