Die Abfrage von Kontodaten galt einst als Anti-Terror-Maßnahme. Seit 2005 sollen aber auch Steuer- und Sozialbetrüger aufgespürt werden. Inzwischen dürfen Gerichtsvollzieher bei unkooperativen Schuldnern Einsicht beantragen, die Zahl der Abfragen hat sich seither praktisch verdoppelt. Droht eine Aushöhlung des Bankgeheimnisses?
Finanzämter, Sozialbehörden und Gerichte prüfen im Kampf gegen Steuerbetrug und Sozialmissbrauch immer häufiger die Konten von Privatpersonen. Im vergangenen Jahr hat sich die Zahl der Abfragen gegenüber dem Vorjahr auf 141.640 verdoppelt. Das Bundesfinanzministerium bestätigte am Freitag einen entsprechenden Bericht der Süddeutschen Zeitung.
Gesetzliche Grundlage für eine Kontoabfrage ist § 24c Kreditwesengesetz (KWG). Danach kann das Bundeszentralamt für Steuern auf Kontodaten zugreifen, zu deren Speicherung die Banken verpflichtet sind. Voraussetzung ist, dass dies zur Erfüllung seiner aufsichtlichen Aufgaben oder zum Aufspüren von Gewinnen aus schweren Straftaten - etwa unerlaubte Bankgeschäfte, Geldwäsche oder Betrug - erforderlich ist und es besonders eilt. Die Bank selbst darf von dem Abruf der Daten duch das Bundeszentralamt nicht erfahren. Gelöscht werden die Daten drei Jahre nach der Auflösung des Kontos.
Dabei geht es nur um die Kontonummer sowie Stammdaten wie Name, Geburtsdatum und Adresse des Kontoinhabers sowie Angaben über andere Verfügungsberechtigte. Erfragt werden der Tag der Errichtung und Auflösung eines Kontos. Kontostände oder Kontobewegungen werden nicht ermittelt.
Zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Sozialleistungsmissbrauch
Seit 2005 dürfen auch andere Behörden das Bundeszentralamt um Kontoinformationen von Bürgern ersuchen, um Steuerbetrüger ausfindig zu machen und den Missbrauch von Sozialleistung einzudämmen, vgl. § 93 Abs. 7 und 8 der Abgabenordnung (AO). Eine Kontenabfrage erfolgt erst, wenn ein Bürger Zweifel an Angaben etwa in seiner Steuererklärung nicht ausräumen kann. Stellt sich heraus, dass Konten und Depots nicht angegeben wurden, wird der Betroffene um weitere Aufklärung gebeten. Erhärtet sich der Verdacht, kann das Finanzamt von Banken die Offenlegung der Guthaben und Geldbewegungen verlangen. Über den Kontenabruf soll der Betroffene anschließend informiert werden - beispielsweise im Steuerbescheid.
Doch nicht nur bei klassischen Steuerdelikten ist eine Kontenabfrage möglich. Wenn es um Betrug bei staatlichen Leistungen wie Arbeitslosengeld II, Bafög oder Wohngeld geht, können unter bestimmten Voraussetzungen auch Arbeitsagenturen, Sozialämter und Bafög-Stellen Zugriff auf Daten aller Konten und Depots bei Banken und Sparkassen nehmen.
Kontenabrufersuchen im Rahmen einer Rasterfahndung oder Ermittlungen "ins Blaue hinein" sind laut dem Bundeszentralamt unzulässig. Auch wird ein neugieriger Amtsmitarbeiter nicht mal eben Konten seines Nachbarn durchforsten. Privatpersonen können keine Anträge stellen. Zudem prüft das Zentralamt für Steuern, ob das Ersuchen plausibel ist.
Die Vorgaben für die Finanzbehörden wurden 2009 strenger gefasst: Mit der Festlegung der Abgeltungsteuer auf 25 Prozent von Zinsen und Veräußerungsgewinnen wurden Befugnisse beschränkt. Die Kontenabfrage sollte damit eigentlich zur Ausnahme werden, da Ansprüche des Staates im Normalfall bereits abgegolten sind.
Auch Gerichtsvollzieher dürfen Konto-Infos erfragen
Die deutliche Steigerung der Abrufzahlen ist somit auf eine andere Ursache zurückzuführen, nämlich die erst seit 2013 möglichen Anfragen von Gerichtsvollziehern zur Existenz von Konten. Gemäß § 802l Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) dürfen Gerichtsvollzieher nun über das Bundeszentralamt Kontoinformationen erfragen. Sie nutzen das Instrument vor allem, wenn sich Schuldner unkooperativ zeigen. Abfragen müssen für die Vollstreckung erforderlich sein - und die Anspruchssumme mehr als 500 Euro betragen.
Im ersten Quartal dieses Jahres stieg die Zahl der Abfragen aus diesem Grund von gut 24.000 auf mehr als 48.000. Aus Sicht des Justizministeriums ist es zu früh für eine Bewertung des 2013 eingeführten Instruments.
Allerdings stiegen auch die Anfragen der Finanzbehörden. Von den 2013 erledigten Fällen entfielen 68.648 Abfragen auf Finanzbehörden für steuerliche Zwecke. Das waren um die 7.000 mehr als 2012. Daneben betrafen fast 73.000 Fälle Anfragen von Behörden wegen möglichen Leistungsmissbrauchs. Das ist eine deutliches Plus gegenüber den 9.077 im Jahr 2012. Laut Finanzministerium sind 85 Prozent der Anfragen in diesem Bereich auf Gerichtsvollzieher zurückzuführen.
BVerfG hielt Kontoabfragen für verhältnismäßig
Die Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff sieht wie ihr Vorgänger die amtliche Neugierde kritisch. Prüfungen der Aufsichtsbehörden hätten ergeben, dass oft sogar die Begründungen für den konkreten Abruf fehlten und die Betroffenen nicht benachrichtigt würden, sagte sie der Süddeutschen Zeitung. Der Gesetzgeber sei "in der Pflicht, die Befugnis zum Kontenabruf zu überprüfen und auf das unbedingt erforderliche Maß zurückführen". Der Linken-Politiker Jan Korte kritisierte: "Die neuen Zahlen zeigen wieder einmal, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit von den Behörden von Jahr zu Jahr mehr verletzt wird." Die Kontenabfrage entwickle sich offenbar zur Standardmaßnahme. Eine strikte Begrenzung des Kontoabrufverfahrens sei zwingend geboten.
Grund für die Einführung des Kontenabrufverfahrens war, dass im März 2005 eine Amnestie für Steuerbetrüger, die Schwarzgeld im Ausland geparkt hatten, ausgelaufen ist. Das Lockangebot der rot-grünen Koalition führte aber nicht zu dem erhofften Geldsegen für den Staat. Die Amnestie wurde dann durch verschärfte Vorgaben für Kontenabfragen abgelöst - und später auch vom Bundesverfassungsgericht gebilligt. Mit dem "Kontenabrufverfahren" sollen im Interesse der "Steuerehrlichen" die Vorgaben des Verfassungsgerichts erfüllt werden, Steuerbetrüger aufzuspüren. Eingedämmt werden sollen zugleich Leistungsmissbrauch, Wirtschaftskriminalität und Schwarzarbeit.
2007 hatte das Bundesverfassungsgericht über die Verfassungsmäßigkeit von § 24c Abs. 3 S. 1 Nr. 2 KWG und § 93 Abs. 7 und 8 Abgabenordnung (AO) zu entscheiden. Geklagt hatten eine Bank, ein Rechtsanwalt und Notar sowie eine Bezieherin von Wohngeld und ein Empfänger von Sozialhilfe. Erfolgreich waren allein die Verfassungsbeschwerden der beiden Sozialleistungsempfänger, soweit sie sich gegen § 93 Abs. 8 AO richteten. Karlsruhe kritisierte, dass die Norm den Kreis der Behörden, die Kontoinformationen ersuchen dürfen, nicht hinreichend bestimmt festlege. Im Übrigen hielten es die Verfassungsrichter aber durchaus für verhältnismäßig, dass Kontodaten erhoben werden dürfen, um Straftaten, Steuerhinterziehung und Sozialmissbrauch zu bekämpfen. Der Gesetzgeber bekam eine Frist bis Ende Mai 2008, um die Regelung verfassungskonform auszugestalten - was kurz darauf auch geschah (Beschl. v. 12.07.2007, Az. 1 BvR 1550/03 u.a.).
dpa/cko/LTO-Redaktion
Kontoabfragen durch Ämter verdoppelt: . In: Legal Tribune Online, 28.04.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/11805 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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