Andreas Kalbitz hat vor dem LG Berlin einen Zwischenerfolg erzielt. Seine Partei- und Gremienmitgliedschaften in der AfD wurden restauriert. Wie es nun im Verfahren um seinen Ausschluss weitergehen könnte, erläutert Florian Zumkeller-Quast.
Nach seinem erfolgreichen Antrag vor dem Berliner Landgericht (LG) steht fest: Bis auf weiteres ist Andreas Kalbitz vollwertiges Mitglied der Alternative für Deutschland und dort auch weiter im Bundesvorstand (Az. 63 O 50/20).
Erste Parteistimmen forderten daraufhin politische Konsequenzen für den Initiator des Ausschlusses, Parteichef Jörg Meuthen. Dieser konnte jedoch zunächst auf einem Parteikonvent am Wochenende im parteiinternen Machtkampf ebenfalls einen Zwischenerfolg sichern und wird wohl weiter den Ausschluss von Andreas Kalbitz anstreben.
Das erste prozessuale Mittel, das Meuthen und der Vorstandsmehrheit dabei an die Hand gegeben ist, ist selbstverständlich der Gang durch den Instanzenzug. Sowohl eine Berufung beim Kammergericht (KG) als auch - bei deren Erfolglosigkeit - ein Antrag auf einstweilige Anordnung beim Bundesverfassungsgericht auf Wiederherstellung des Ausschlusses durch die AfD wären denkbar.
Allerdings dürfte die Partei mit diesen Rechtsmitteln keine große Aussicht auf Erfolg haben. Schon das Urteil des LG war aufgrund der Umgehung des Parteiengesetz (PartG) erwartbar: Die materiellen und formellen Vorschriften des § 10 Absatz 4 und 5 PartG, in denen die Frage des Parteiausschlusses abschließend geregelt ist, sollen gerade sicherstellen, dass innerparteiliche Opposition nicht unterdrückt und verdrängt wird. Daher sind diese auch der einzige gesetzeskonforme Weg, eine einmal begründete Mitgliedschaft in einer politischen Partei gegen den Willen des betroffenen Mitglieds zu beenden.
Verfahren vor Bundesschiedsgericht auf Betreiben von Kalbitz
Nach ebendiesen Vorschriften müsste ein Schiedsgericht der Partei den Ausschluss beschließen. Laut Medienberichten läuft bereits ein Verfahren zwischen Kalbitz und dem Parteivorstand vor dem Bundesschiedsgericht. Gegenstand dieses Verfahrens ist zwar der Ausschluss von Kalbitz. Indes: Das Verfahren hatte Kalbitz selbst nach dem Vorstandsbeschluss eingeleitet, eine Beendigung seiner Parteimitgliedschaft wird daraus nicht erfolgen.
Zunächst basiert das laufende Verfahren auf § 2 Abs. 6 Bundessatzung der AfD. Dort wird für den Fall, dass das betreffende Mitglied bei Beitritt eine Mitgliedschaft in einer Organisation auf der Unvereinbarkeitsliste der AfD nicht angegeben hatte, eine auflösende Bedingung für Mitgliedschaften begründet. Den Eintritt dieser Bedingung soll der Vorstand per Beschluss feststellen. Das Mitglied erhält eine Klagemöglichkeit ohne aufschiebende Wirkung vor dem Bundesschiedsgericht gegen diesen Beschluss. Hiervon hat Kalbitz Gebrauch gemacht.
Abgesehen von der verschärfenden Problematik, dass diese Klausel erst nach Kalbitz Eintritt in die AfD in die Satzung eingefügt wurde, werden durch sie auch die hohen Hürden des PartG unterlaufen. Denn nach § 10 Abs. 5 Satz 1 PartG ist für den Ausschluss ein Beschluss des Schiedsgerichtes erforderlich. Gegen diesen wäre wiederum nach § 10 Abs. 5 Satz 2 PartG eine Berufung zum Bundesschiedsgericht, als höchstem parteiinternen Schiedsgericht der AfD zu gewährleisten.
AfD muss zunächst vor das Landesschiedsgericht
Es bleibt der AfD daher nur, das von § 10 Abs. 5 vorgegebene Verfahren vollständig zu durchschreiten. Dazu muss der Bundesvorstand zunächst vor dem Landesschiedsgericht Brandenburg einen Parteiausschluss von Kalbitz beantragen. Dabei müsste der Vorstand die vorgeworfene Nichtangabe der Mitgliedschaften in der "Heimattreuen Deutschen Jugend" und den Republikanern sowie deren tatsächliche Gegebenheit beweisen. Kalbitz selbst streitet diese bis heute ab. Angesichts der verloren gegangenen Dokumente könnten hier noch Beweisschwierigkeiten für die Partei auftreten.
Anschließend könnte dieses Verfahren auch noch das besagte Berufungsverfahren nach sich ziehen. Bis ein etwaiger Ausschluss von Kalbitz wirksam werden kann, würde daher noch einige Zeit vergehen. Eine solche Verfahrensdauer ist gerade bei über das innerparteiliche Spektrum hinaus politisch brisanten Fällen wie dem Fall Kalbitz für eine Partei unangenehm. Dies hatte auch der Gesetzgeber erkannt und erlaubt daher gemäß § 10 Abs. 5 Satz 4 in gewissen Fällen nach einer Folgenabwägung eine Suspendierung der mitgliedschaftlichen Rechte durch den Parteivorstand bis zum Abschluss des Schiedsgerichtsverfahrens.
Diese Möglichkeit greift die AfD-Satzung in ihren Regelungen über Parteiausschlussverfahren auch auf und ergänzt sie zudem um ein automatisch einzuleitendes Verfahren zur schiedsgerichtlichen Bestätigung der Suspendierung. In diesem Verfahren wird sodann der Suspendierungsbeschluss inklusive der Folgenabwägung geprüft.
Darf Kalbitz über sich selbst abstimmen?
Einen solchen Suspendierungsbeschluss müsste im Fall Kalbitz der Bundesvorstand der AfD treffen, da Kalbitz weiterhin Mitglied desselben ist. Könnte Kalbitz damit über seinen eigenen Ausschluss und die Suspendierung seiner Mitgliedschaften mitabstimmen?
Grundsätzlich gelten für politische Parteien zusätzlich zu den Vorschriften des PartG auch die Vorschriften des Vereinsrechts des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), sofern die Besonderheiten des Parteienrechts, insbesondere Art. 21 Grundgesetz (GG) und das PartG, dem nicht entgegenstehen. Nach §§ 28, 34 BGB wäre daher Kalbitz Teilnahme an der Entscheidung als Beschluss über die Vornahme eines Rechtsgeschäfts gegenüber ihm selbst, und zwar der Kündigung seiner Mitgliedschaft, aber unzulässig.
Eine beschränkte Nichtanwendung dieser BGB-Vorschriften ist im Parteienrecht aber durchaus bekannt: Etwa bei der Bestellung eines Notvorstandes. Hier gebietet es die Parteienfreiheit und die Staatsferne der Parteien, satzungsautonome Lösung zuzulassen, bei denen etwa ein verbleibender Restvorstand einen Notvorstand bestellt, dem die bestellenden Vorstandsmitglieder selbst angehören sollen.
Allerdings geht es in derartigen Fällen nicht um eine Bewertung möglicher höchstpersönlicher Verfehlungen. Bei einem Parteiausschluss ist dies allerdings gerade der Fall, wie auch die Fallvarianten des maßgeblichen § 10 Abs. 4 PartG verdeutlichen. Eine Übertragung der besagten Anwendungsschranke des § 34 BGB auf Parteiausschlussverfahren ist daher im Fall Kalbitz nicht ersichtlich. Er darf daher selbst an den Beschlüssen über seinen Ausschluss und eine etwaige Suspendierung seiner mitgliedschaftlichen Rechte nicht mitwirken.
Kalbitz verbleibt somit lediglich, sich im Rahmen ihm zu gewährenden rechtlichen Gehörs in einem schiedsgerichtlichen Verfahren oder im Nachgang vor staatlichen Gerichten gegen die Ausschlussversuche aus der AfD zu wehren. Bisher begibt er sich öffentlich durchaus kampfeslustig. Seine innerparteilichen Gegner scheinen allerdings nicht nach der ersten Niederlage vor dem LG aufgeben zu wollen. Sein Ausschlussverfahren wird die AfD und den innerparteilichen Machtkampf daher wohl noch eine ganze Weile beschäftigen. Das bisherige Übergehen der gesetzlichen Anforderungen für Parteiausschlüsse könnte aber auch unabhängig vom rechtlichen Ausgang seines Verfahrens bei seinen innerparteilichen Gegnern noch bleibenden Schaden hinterlassen.
Der Autor Dipl.-Jur. Florian Zumkeller-Quast war früher Richter am Bundes- sowie hessischem Landesschiedsgericht der Piratenpartei. Im Rahmen dieser Tätigkeit hat er selbst über zahlreiche Anträge auf Parteiausschluss mitentschieden. Die Entwicklungen des Parteienrechts verfolgt der Unternehmensjurist auch weiterhin aktiv.
Andreas Kalbitz und die AfD: . In: Legal Tribune Online, 23.06.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/41971 (abgerufen am: 02.11.2024 )
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