Der Zank um die Zusammenlegung der beiden rheinland-pfälzischen Oberlandesgerichte und Generalstaatsanwaltschaften ist noch lange nicht zu Ende. Mit der Einsetzung einer Expertenkommission und der bevorstehenden Ernennung eines OLG-Präsidenten will die Landesregierung endlich Ruhe zu schaffen. Ob ihr dies gelingen wird, ist allerdings zweifelhaft, meint Martin W. Huff.
Seit die rot-grüne Koalition in Rheinland-Pfalz völlig überraschend und ohne inhaltliche Begründung einen Passus in den Koalitionsvertrag aufgenommen hat, dass aus den beiden Oberlandesgerichten und Generalstaatsanwaltschaften in Koblenz und Zweibrücken eine Behörde in Zweibrücken werden soll, geht es hoch her in der Justiz des Landes.
Einige Wochen später nun zieht der Streit weitere Kreise: So hat der Präsident der Bundesrechtsanwaltskammer Axel C. Filges die Landtagsabgeordneten wegen der besonderen Bedeutung der Justiz im demokratischen Rechtsstaat dazu aufgefordert, die Zusammenlegung und ihre Notwendigkeit ganz genau zu prüfen. Und auch der Deutsche Richterbund steht der Maßnahme sehr skeptisch gegenüber. Schließlich werfen auch immer mehr Journalisten die Frage auf, ob Gesetzgebung und Verwaltung so mit der "Dritten Gewalt" umgehen dürfen, wie dies momentan in Rheinland-Pfalz geschieht – und ob nicht die Unabhängigkeit der Justiz durch eine eigene Gerichtsverwaltung gesichert werden sollte
In Rheinland-Pfalz hat das Ansehen von Ministerpräsident Kurt Beck durch die Auseinandersetzungen stark gelitten. Auch viele Mitglieder seiner eigenen Partei - darunter Bürgermeister, Richter und Staatsanwälte - haben sich von dem Vorhaben distanziert und gehen auf einen offenen Konfliktkurs mit der Landesregierung. Ein Ende der Querelen ist dabei noch nicht abzusehen, denn so schnell wollen sich die Abgeordneten – gerade auch von Bündnis 90/Die Grünen – offenbar nicht zu einem solch schwierigen Gesetzgebungsvorhaben hinreißen lassen. Zumal der Bürgerprotest auch sie längst erreicht hat.
OLG-Präsidenten kommen und gehen
Inhaltlich ist die Debatte untrennbar verbunden mit der ausstehenden Ernennung eines neuen Präsidenten des Oberlandesgerichts in Koblenz. Mit einem sensationellen Urteil vom 4. November 2010 hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) erstmals die bereits ausgesprochene und vollzogene Ernennung eines Richters rückgängig gemacht und festgestellt, dass der amtierende Präsident des OLG Koblenz Ralf Bartz mit der Zustellung des Urteils sein Amt verliert: Seine Ernennung sei rechtswidrig, der Grundsatz der so genannten Ämterstabilität könne bei solchen schwerwiegenden Rechtsverletzungen nicht immer gelten (Az. 2 C 16/09).
Das Justizministerium musste sich darauf auf die Suche nach einem neuen OLG-Präsidenten machen und startete im Januar 2011 die Ausschreibung der Stelle. Dabei haben sich offenbar beide Anwärter aus dem ersten Verfahren, nämlich Ralf Bartz und der Präsident des LG Koblenz Hans-Josef Graefen, wieder beworben. Im Juni 2011 wurde die Ausschreibung dann jedoch wieder zurück genommen - man wollte wohl keine Tatsachen schaffen und damit ein neues Gerichtsverfahren auslösen.
Mit seinem Rückzieher bewegte sich das Ministerium erneut auf dünnem Eis. Das BVerwG hatte nämlich in seinem Urteil das Land auch verpflichtet, über die Besetzung der Stelle des OLG-Präsidenten unter der Berücksichtigung der Auffassung der Leipziger Richter neu zu entscheiden.
In der Folge hat nun das Verwaltungsgericht Koblenz am 26. Juli 2011 mit einem sehr ungewöhnlichen Beschluss dem Land ein Zwangsgeld von 10.000 Euro für den Fall angedroht, dass die Stelle des OLG-Präsidenten nicht binnen eines Monats nach Zustellung der Entscheidung bzw. seiner Rechtskraft besetzt wird. Deutlich kristisiert das Gericht dabei das Vorgehen, die Ausschreibung einfach und ohne jeden sachlichen Grund zu stoppen. Allein der Plan, ein Gericht abzuschaffen, könne nicht dazu führen, eine nunmehr seit Monaten unbesetzte Präsidentenstelle offen zu lassen (Az. 2 N 572/11).
Neue Ausschreibung und eine fragwürdige Expertenkommission
Im Zuge der Entscheidung will Justizminister Jochen Hartloff (SPD) wohl nun im kommenden Justizministerialblatt die Rücknahme der Rücknahme der Ausschreibung erklären und das Verfahren weiter fortsetzen. Ob dies überhaupt zulässig ist, wissen auch viele Verwaltungsrechtler nicht. Sicherheitshalber hat das Ministerium auch Beschwerde gegen den Beschluss des VG Koblenz eingelegt, damit der Zeitdruck nicht zu groß wird.
Zudem soll eine Expertenkommission unter Vorsitz des ehemaligen Ministers und jetzigen Professors an der Verwaltungshochschule in Speyer Hermann Hill zwischenzeitlich etwas Ruhe schaffen. Aufgabe der dem Vernehmen nach auch mit externen Gerichtspräsidenten, aber ohne Angehörige der rheinland-pfälzischen Justiz besetzten Kommission ist die ausführliche Prüfung der Zusammenführung der Oberlandesgerichte und die Neustrukturierung - sie soll dabei "ergebnisoffen" arbeiten.
Zweifel sind allerdings angebracht. LTO liegt ein 24-seitiges Papier aus dem Justizministerium vor, aus dem sich Anhaltspunkte für eine durchaus zielgerichtete Arbeit ergeben. So wird festgestellt, dass die Belastung der Oberlandesgerichte 2005 bis 2009 gesunken ist – dabei jedoch verschwiegen, dass die Zahlen für 2010 und für die ersten Monate 2011 gerade eine ganz andere Entwicklung zeigen. Weiter ist festgelegt, dass nur ein Oberlandesgericht in Zweibrücken in Frage kommt, der Standort also nicht mehr offen ist. Das Papier führt Sparmaßnahmen bei der Zusammenlegung ausführlich auf, aber was ein Umzug kostet, ist dort nur in sehr groben Zügen erläutert. So fehlen etwa die Kosten für Trennungsentschädigungen, aber auch die Tatsache, dass der Umzug selbst Zeit und Energie kostet, wird nicht dargelegt. Genannt werden lediglich Einsparungen bis hin zu Dienstfahrzeugen.
Pro Justiz Rheinland formiert den Widerstand
Ob die Schaffung auswärtiger Senate eines neuen Oberlandesgerichts in Koblenz und Mainz wirklich sinnvoll ist, was in dem Schriftstück intensiv diskutiert wird, bezweifeln viele Richter.
Zahlreiche Erfahrungen in anderen Bundesländern sprechen eher dagegen. So gibt es etwa in Hessen und Baden-Württemberg auswärtige Senate des OLG Frankfurt in Darmstadt und Kassel und des OLG Karlsruhe in Freiburg. Viele Arbeiten - gerade auch in der Verwaltung - müssen dann nämlich mehrfach vorgenommen worden. Hinzu kommen Schwierigkeiten mit der Abstimmung der Richter, den Diskussionen im Gericht, die bei einer Distanz von 200 Kilometern sehr schwierig werden dürfte. Viele Richter würden diese Senate eigentlich gerne wieder abschaffen.
Kritiker der Kommission haben sich mitterweile im Verein "Pro Justiz Rheinland e.V." formiert. Er plädiert dafür, auch Kenner der Justiz aus dem Land selbst miteinzubinden; nur so könne der Sachverstand aller Beteiligten berücksichtigt werden. Mit Spannung darf man der Mitgliederversammlung des Vereins Ende August entgegenblicken - hier wird sich zeigen, wie breit der Widerstand tatsächlich ist.
Schon jetzt wird geprüft, ob gegen ein eventuelles Gesetz mit einem Volksentscheid vorgegangen werden kann. Die Hürden dafür sind in Rheinland-Pfalz nicht unüberwindbar. Noch ist unklar, ob es der angeschlagene Ministerpräsident wirklich auf ein solch einmaliges Vorgehen seiner Wähler ankommen lassen oder doch eine wirklich ergebnisoffene Prüfung zulassen wird. Fest steht nur eins: Ein vorgefertigtes Ergebnis mit nur noch einem Oberlandesgericht und einer Generalstaatsanwaltschaft in Zweibrücken ist falsch.
Der Autor ist Rechtsanwalt und Journalist in Leverkusen. Er befasst sich seit Jahren mit Fragen der Rechts- und Justizpolitik, so war er unter anderem Pressesprecher im Hessischen Ministerium der Justiz.
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Martin W. Huff, Justizstreit in Rheinland-Pfalz : . In: Legal Tribune Online, 15.08.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/4021 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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