Ob Mutproben bei "Joko und Klaas" oder Anzüglichkeiten bei der "Suche nach dem besten Sex der Welt" – die Kommission für Jugendmedienschutz tritt für die Wahrung des Anstands in Funk und Fernsehen ein. Doch wie sehen Zusammensetzung und Kompetenzen des Gremiums professioneller Sittenwächter aus, und welche Rechtsschutzmöglichkeiten bestehen gegen seine Entscheidungen? Johannes Kreile gibt einen kleinen Überblick.
Mit dem Jugendschutz ist es so eine Sache. Während der öffentlich-rechtliche Rundfunk selbst dafür zuständig ist, dass seine Programminhalte nicht gegen geltendes Recht verstoßen, hat der Gesetzgeber in § 20 Abs. 1 Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) die Überwachung privater Sender und des Internets an die Landesmedienanstalten übertragen. Diese wiederum kommen ihrer Aufgabe durch eine gemeinsame Stelle nach: die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM).
Die KJM veröffentlicht in regelmäßigen Abständen Listen mit von ihr festgestellten Verstößen gegen Jugendschutzbestimmungen durch Fernsehveranstalter und Internetanbieter. Zuletzt hat es etwa ProSieben mit den zwei eingangs benannten Formaten getroffen. Darüber hinaus zählen auch die Festlegung von Sendezeiten oder die Anerkennung von Jugendschutzprogrammen für das Internet zu ihrem Aufgabenbereich.
Verfahren und Aufbau der KJM
Personell zuständig für all diese Entscheidungen ist eine Gruppe von zwölf Sachverständigen, die gemeinsam die Besetzung der KJM ausmachen. Sechs von ihnen sind Direktoren der Landesmedienanstalten, vier weitere Mitglieder der für den Jugendschutz zuständigen obersten Landesbehörden. Die letzten beiden entstammen den für den Jugendschutz zuständigen obersten Bundesbehörden.
Diese Zusammensetzung stößt vielfach auf verfassungsrechtliche Bedenken. Denn Programmentscheidungen im Bereich des Rundfunks müssen aufgrund des in Art. 5 Grundgesetz (GG) verankerten Zensurverbots staatsfern organisiert werden – von den zwölf Mitgliedern der KJM sind im Ergebnis jedoch sechs Vertreter staatlicher Organisationen von Bund und Ländern.
Tätig wird die Kommission von Amts wegen. Doch auch die obersten Landesjugendbehörden und sogar der Fernsehzuschauer können ein Prüfverfahren in Gang setzen. Dafür reicht eine Beschwerde an die Landesmedienanstalten, welche die KJM sodann aufgreifen muss.
Das entwicklungsbeeinträchtigende Angebot
Im Mittelpunkt des Prüfverfahrens stehen die inhaltlichen Vorgaben der §§ 4 und 5 JMStV, die sich mit unzulässigen bzw. entwicklungsbeeinträchtigenden Angeboten befassen. Während § 4 JMStV ein vollständiges Verbot etwa solcher Inhalte enthält, die Strafvorschriften verletzen, den Krieg verherrlichen oder gegen die Menschenwürde verstoßen, beschränkt § 5 die Sendezeiten, zu welchen entwicklungsbeeinträchtigende Programme ausgestrahlt werden dürfen.
Als entwicklungsgefährdend gelten Inhalte, die die Heranreifung von Kindern oder Jugendlichen zu eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Personen zu beeinträchtigen drohen. Entsprechende Formate dürfen daher erst zu einer solchen Zeit gezeigt werden, zu der sich der gefährdete Personenkreis üblicherweise nicht mehr vor dem Fernseher befindet. Dies ist regelmäßig ab 20:00 der Fall; für Formate, die eine Altersfreigabe ab 16 Jahren erhalten haben (oder, im Falle einer Prüfung, erhalten hätten) ab 22:00; für Formate ab 18 Jahren schließlich ab 23:00.
Während die Aufsicht über den Rundfunk sehr streng gehandhabt wird, stoßen die Behörden im Internet schnell an ihre Grenzen. Zwar ist auch dort grundsätzlich ein Altersverifikationssystem für jugendgefährdende Inhalte zu errichten. Da Inhalte jedoch oftmals von ausländischen Anbietern bereitgestellt werden, ist eine praktische Handhabe kaum gegeben.
Gutachten und Gegengutachten
Die Einhaltung der Jugendschutzbestimmungen ist zunächst Sache der betroffenen Sender, die zu diesem Zweck einen Jugendschutzbeauftragten beschäftigen. Allerdings kann dessen Einschätzung darüber, was im Einzelnen jugendgefährdend ist, naturgemäß von der Definition der KJM abweichen. Entbrennt über diese Frage ein Rechtsstreit, so kommt der Beurteilung der KJM der Stellenwert eines Sachverständigengutachtens zu.
Das bedeutet allerdings auch, dass an sie die gleichen Erwartungen wie an ein Gutachten geknüpft werden: Enthält sie etwa keine vollständige Begründung, inklusive der Wertungen, warum das Angebot entwicklungsbeeinträchtigend ist, so wird das Gericht die auf Grundlage der Beurteilung ergangene Entscheidung in aller Regel aufheben. Entsprechendes gilt auch, wenn die Beurteilung widersprüchlich ist oder es ihr aus anderen Gründen an der Plausibilität mangelt.
Will ein Sender eine Entscheidung angreifen, so wird er dies mittels eigener Gutachter tun, die darlegen, warum das streitige Angebot die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen nicht im behaupteten Ausmaß beeinträchtigt. Die Gerichte verlangen allerdings, dass durch dieses Gegengutachten erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der Feststellungen der KJM genährt werden müssen.
Finanzielle Einbußen für die Sender
Neben publizistischem Ärger bereitet eine Beanstandung der KJM einem Sender oder Internetanbieter auch finanziellen Verdruss. Einen Film nicht oder erst zu einem späteren Zeitpunkt ausstrahlen zu dürfen, führt im Regelfall zu wirtschaftlichen Einbußen bei den Veranstaltern. Auch sind Verstöße gegen die §§ 4, 5 JMStV bußgeldbewehrt, und zwar sowohl gegenüber dem jeweiligen Sender, als auch gegenüber dem verantwortlichen Redakteur. Gerade bei Serienformaten ist es für die Veranstalter daher wichtig zu wissen, ob sie eine Sendung um 20:15 oder erst um 22:00 zeigen dürfen.
Wenngleich alle Anbieter sehr verantwortungsbewusst mit Fragen des Jugendschutzes umgehen, gibt es immer wieder Grenzfälle, die die Gerichte beschäftigen. Die Beurteilung der KJM ist dabei oft nur schwer zu erschüttern – gewonnen oder verloren werden die betreffenden Fälle aber stets durch die Beurteilungen der Sachverständigen.
Der Autor Prof. Dr. Johannes Kreile ist Rechtsanwalt und Partner bei Noerr LLP und Mitherausgeber des Kommentars Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner zum Jugendmedienschutz-Staatsvertrag
Jugendschutz in Fernsehen und Internet: . In: Legal Tribune Online, 07.08.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9304 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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