Die Dynamik der chinesischen Volkswirtschaft macht Geschäfte im Reich der Mitte zunehmend auch für mittlere Unternehmen attraktiv. Direkte Geschäftsbeziehungen bergen allerdings erhebliche Risiken wirtschaftlicher wie rechtlicher Art. Um diese zu mindern, bietet sich der Umweg über Hongkong als Sonderverwaltungszone Chinas an. Von Anton Kumanoff.
China ist nur vordergründig marktwirtschaftlich. Tatsächlich handelt es sich Kraft der Staatsauffassung um eine sozialistische Wirtschaft, die privatwirtschaftliche Initiativen nur so weit zulässt, wie sie nützlich sind. Die kommunistische Partei beherrscht den starken staatswirtschaftlichen Bereich. Ihre Dominanz erstreckt sich auch auf die Rechtsprechung. Wegen dieses ständigen Einflusses besitzt die Justiz nur einen geringen Stellenwert.
Selbst wenn man ein nachvollziehbares Urteil erstreitet, scheitert die Rechtsdurchsetzung oft an der Vollstreckung, da diese wiederum in der Hand der durch die Partei dominierten inneren Verwaltung liegt. Parteiinteressen decken sich nämlich oft nicht mit dem Inhalt eines Urteils.
Diese Risiken der Rechtsunsicherheit können gemindert werden durch die Einbeziehung eines einheimischen, gut vernetzten Partners. Ist schon die Suche nach einem solchen Partner schwierig, prallen dann auch noch verschiedene Sichtweisen und Kulturen aufeinander. Die Zahl der mittleren Unternehmen, die sich in China eine "blutige Nase" geholt haben, ist deshalb beträchtlich. Großkonzerne haben es aufgrund ihrer wirtschaftlichen Bedeutung für China deutlich leichter.
Aus Tradition internationale, unternehmensfreundliche Ausrichtung
Die Fakten könnten entmutigen, gäbe es nicht noch ein kleines Schlupfloch: Hongkong. Die ehemalige britische Kronkolonie, seit dem 1. Juli 1997 als Sonderverwaltungszone Bestandteil der Volksrepublik China, ist nach innen weitgehend autonom. Basis hierfür ist der so genannten Grundlagenvertrag ("Basic law"), der die Grundlage der Beziehungen zur Volksrepublik China regelt. Dieses Basic law gilt uneingeschränkt bis 2047.
Folge der Autonomie ist letztlich die Fortführung des in der Kolonialzeit herrschenden wirtschaftsliberalen Systems. Dementsprechend bestimmt nicht die Regierung die Ausrichtung der Wirtschaft oder mischt sich direkt ein; vielmehr beschränkt sie sich auf die Regelung der Rahmenbedingungen.
Das Rechtssystem Hongkongs basiert auf dem englischen Common-Law und wird laufend fortentwickelt. Die Justiz ist unabhängig und verfügt über ein tiefgegliedertes Gerichtssystem. Der High Court als oberstes Gericht versteht sich traditionell und auch jetzt noch als Fortbilder des Common-Law. Grundrechte richten sich weitgehend nach den Statuten des Grundlagenvertrages, die Durchsetzung von Urteilen ist in gleicher Weise garantiert wie in Europa.
Schließlich verfügt Hongkong über eine eigene Währung, Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen sind liberal, das Steuerrecht ist unternehmerfreundlich. Amtssprache ist Englisch und Chinesisch in der kantonesischen Fassung. Die traditionell internationale Ausrichtung der Wirtschaft ebnet somit kulturelle Unterschiede ein.
Diese Eigenschaften lassen die Stadt mit immerhin sieben Millionen Einwohnern schon als solche attraktiv erscheinen. Sie allein qualifizieren Hongkong allerdings noch nicht zum Einfallstor nach China. Entscheidend sind die ökonomischen Verflechtungen mit dem Reich der Mitte.
Vermittler zwischen Okzident und Orient
Hongkongs Wirtschaft ist traditionell eng mit der Volksrepublik China (auch "Mainland China" genannt) verbunden. Nachdem die Industrie Hongkongs schon ab den 1980er Jahren im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Öffnung Chinas in die benachbarten Regionen abwanderte, mutierte die Kolonie zum Finanz- und Dienstleistungszentrum und tritt seitdem neben Taiwan als einer der größten Investoren in der Volksrepublik China auf.
Durch eine Vielzahl von Vereinbarungen zwischen Hongkong und China hat die Sonderverwaltungszone einen erleichterten Zugang zum großen Nachbarn. Insgesamt haben Unternehmer in Hongkong wegen persönlicher Beziehungen, sprachlicher Nähe und insbesondere wegen der internationalen Ausrichtung Hongkongs großen Einfluss auch in China.
Für europäische und deutsche Investoren folgen aus dieser Tatsache mehrere Vorteile: Einerseits haben Hongkongs Unternehmer einen guten Zugang zu China, andererseits sind ihnen die Regeln der westlichen Wirtschaft vertraut. Es ist leichter, einen Geschäftspartner mit Zugang zu Festlandschina und gleichzeitig internationaler Ausrichtung zu finden. Damit ist auch eine geschäftliche Basis in Hongkong vergleichsweise einfach einzurichten und aufrechtzuerhalten. Schließlich kann man auf der Grundlage eines uns bekannten Rechtssystems agieren und entsprechend seine Rechtsansprüche durchsetzen. Das System ist berechenbar und frei von Staatsbürokratie und willkürlicher parteilicher Einflussnahmen.
Bei der Suche nach einem geeigneten Geschäftspartner hilft die Stadt eingedenk ihrer Funktion als Vermittler zwischen Okzident und Orient mit verschiedene Einrichtungen. So gibt es Organisationen noch aus der Kolonialzeit, die für mittlere Unternehmen eine Plattform für eine Partnersuche und Etablierung bieten. Dazu zählt etwa die Hongkong Chamber of Small and Medium Business, eine Art IHK der kleinen und mittleren Unternehmen.
Auch wenn es zugegebenermaßen mit Kosten verbunden ist, über Hongkong den Umweg nach China zu nehmen - diese Kosten sind sicher geringer als die hohen Risiken eines direkten Weges.
Ass. jur. Anton Kumanoff, ist bei einer international ausgerichteten Beratungsgesellschaft tätig. Seine Arbeit führt ihn sehr oft in den asiatischen Raum.
Hongkong: . In: Legal Tribune Online, 09.12.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/2118 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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