Standardschreiben und horrende Kosten: Die sogenannten Abmahnanwälte gehören zu den unbeliebtesten Berufsgruppen. Das Bundesjustizministerium will nun massenhafte Abmahnungen wegen Urheberrechtsverletzungen auf Internettauschbörsen unterbinden, die Abmahnkosten sollen gedeckelt werden. Ein guter Ansatz – aber leider mit zu vielen Ausnahmen. Am Ende werden sie die Regel sein, fürchtet Carl Christian Müller.
Nach Schätzungen des Vereins gegen den Abmahnwahn e. V. sind im Jahr 2011 über 218.000 Abmahnungen wegen sogenannten Filesharings mit einem Gesamtforderungsvolumen von über 165 Millionen Euro verschickt worden. In den Jahren 2009 ging der Verein sogar von 453.000 und im Jahr 2010 von mehr als 575.000 Abmahnungen aus.
Mit den Abmahnungen werden neben der Abgabe einer Unterlassungserklärung regelmäßig Beträge zwischen 400 und 1.200 Euro gefordert. In der Beratungspraxis entstand oft der Eindruck, dass es den Rechteinhabern und deren Anwälten weniger um den eigentlichen Zweck der Abmahnung, nämlich die Unterlassung der Rechtsverletzung ging. Vielmehr schien der Ausgleich der geforderten Zahlungen im Vordergrund zu stehen.
Die politische Diskussion über Sinn und Unsinn des Urheberrechts und dessen erodierende Akzeptanz bei der Allgemeinheit wurden maßgeblich von diesen Massenabmahnungen mitbestimmt. Dabei waren nicht die Abmahnungen an sich Kernpunkt der Kritik von Betroffenen, sondern vielmehr die mit den Abmahnungen geltend gemachten Forderungshöhen. Es war also allerhöchste Zeit, dass der Gesetzgeber hier einschränkend eingreift.
Zukünftig maximal 130,50 Euro Anwaltskosten
Das FDP-geführte Justizministerium hatte bereits im März 2012 einen Referentenentwurf vorgelegt, mit dem der Gegenstandswert bei Abmahnungen gegenüber Privatpersonen auf 500 Euro gedeckelt werden sollte. Nach Widerständen aus der CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat man sich nun auf einen Gegenstandswert von 1.000 Euro verständigt.
Damit errechnet sich für die Anwaltskosten ein Betrag in Höhe von 130,50 Euro. Nach der ursprünglich geplanten Regelung hätten 70,20 Euro gefordert werden können.
Zudem sieht der neue Entwurf als weiteres Zugeständnis an die Union eine Ausnahmeregelung vor, nach welcher der Gegenstandswert dann nicht begrenzt werden soll, wenn dies "nach den besonderen Umständen des Einzelfalles sowie der Anzahl oder der Schwere der Rechtsverletzungen unbillig" wäre.
Unbestimmte Rechtsbegriffe helfen den Abmahnern
Man hätte die klare Gebührendeckelung aus der Ursprungsfassung des Referentenentwurfs beibehalten sollen. Die praktischen Erfahrungen mit der im Jahr 2008 in Kraft getretenen Gebührendeckelungsvorschrift des § 97a Abs. 2 Urheberrechtsgesetz (UrhG) zeigen, dass unbestimmte Rechtsbegriffe den Verbraucher häufig veranlassen, den mit der Abmahnung geforderten, möglicherweise überhöhten Betrag auszugleichen, statt einen Rechtsstreit zu riskieren.
Nach der Regelung des § 97a Abs. 2 UrhG sollte sich der Ersatz der Anwaltskosten für die erstmalige Abmahnung "in einfach gelagerten Fällen mit einer nur unerheblichen Rechtsverletzung außerhalb des geschäftlichen Verkehrs" auf 100 Euro beschränken.
Welcher Fall aber ist einfach, welche Rechtsverletzung erheblich und wer handelt im geschäftlichen Verkehr? Solche unbestimmten Rechtsbegriffe verunsichern den Verbraucher, der trotz der vorgesehenen Kostendeckelung dann eben keine Rechtssicherheit hat und doch lieber zahlt, als sich gegen die Forderung zur Wehr zu setzen.
Zudem gibt es bislang auch kaum Fälle, in denen die Gerichte tatsächlich entschieden hätten, dass die Voraussetzungen der Deckelung zu Gunsten eines wegen Filesharing Abgemahnten vorliegen. Die Anwendung der Norm scheitert zumeist daran, dass die Rechtsverletzungen jedenfalls nicht als unerheblich angesehen werden.
Carl Christian Müller, Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken geplant: . In: Legal Tribune Online, 01.02.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8086 (abgerufen am: 18.11.2024 )
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