Das BMJV will das strafrechtliche Verbot der Geldwäsche erheblich erweitern und sorgt damit bei Wirtschaftsstrafrechtlern und Verteidigern massiv für Unmut. Befürchtet wird ein uferloser Straftatbestand, der die Justiz nur unnötig belastet.
Schon wieder sorgt ein Strafrechts-Reformgesetz aus dem Hause von Justizministerin Christine Lambrecht für Ärger in der juristischen Fachwelt. Nachdem die Ministerin bei ihren Vorschlägen zur Bekämpfung von Kindesmissbrauch und Kinderpornografie schon jede Menge fachliche Kritik einstecken musste, sieht es nun beim "Gesetz zur Verbesserung der strafrechtlichen Bekämpfung der Geldwäsche", das das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) kürzlich gemeinsam mit dem Bundesministerium für Finanzen (BMF) vorstellt hatte, nicht anders aus. Experten halten das Gesetz für untauglich, um Geldwäsche effektiv zu bekämpfen. Außerdem befürchten sie eine Überlastung von Staatsanwälten und Richtern durch das neue Gesetz.
Bislang war die strafrechtliche Verfolgung von Geldwäsche, also die Einschleusung von illegal erwirtschafteten Geldern in den legalen Finanz- und Wirtschaftskreislauf, nach § 261 Strafgesetzbuch (StGB) nur unter der Voraussetzung möglich, dass zuvor eine bestimmte rechtswidrige Straftat begangen wurde. Welche, das regelte ein präziser Vortatenkatalog in Absatz 1 der Strafnorm.
Dieser Katalog – im Laufe der Jahre bereits immer wieder vom Gesetzgeber aufgestockt – umfasst unter anderem Verbrechen wie Raub oder gewerbsmäßigen Handel mit Betäubungsmitteln, aber auch Vergehen wie Hehlerei, Bestechung, die Unterstützung terroristischer Vereinigungen oder die Steuerhinterziehung. Wer vorsätzlich oder leichtfertig Geld, das aus einer solchen Straftat herrührt "reinwaschen" wollte, dem drohten bislang eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe. In besonders schweren Fällen, insbesondere wenn der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, kann sogar bis zu zehn Jahre Freiheitsstrafe verhängt werden.
Jedes Delikt künftig mögliche Vortat der Geldwäsche
Zwar soll sich an dem Strafrahmen der Vorschrift auch künftig nichts ändern, dafür aber soll der Vortatenkatalog, der bisher einschränkend wirkte, komplett gestrichen werden. Nach dem neuen § 261 StGB sollen dann alle Straftaten als Vortaten der Geldwäsche gelten. Experten sprechen von einem "all-crime-Ansatz", für den sich die Bundesregierung nun entschieden hat.
"Es soll nicht mehr darauf ankommen, dass Vermögenswerte aus ganz bestimmten Straftaten herrühren. Entscheidend wird dann nur noch sein, dass sie durch Straftaten erlangt wurden, ganz gleich ob durch Drogenhandel, Schutzgelderpressung, Menschenhandel, Betrug oder Untreue. Wenn der Täter die kriminelle Herkunft in Kauf nimmt und den Vermögenswert verbirgt oder verschleiert, soll der neue Tatbestand der Geldwäsche greifen," erläutert Lambrecht.
Sie ist davon überzeugt, dass damit künftig Staatsanwaltschaften und Gerichten die Arbeit erleichtert werde, wenn es darum gehe "Geldwäsche nachzuweisen und Täter konsequent zur Verantwortung zu ziehen". Dies gelte insbesondere für den Bereich der organisierten Kriminalität, bei der Täter arbeitsteilig vorgehen und der Bezug zu bestimmten schweren Vortaten sich nicht immer feststellen lasse, wie etwa bei der Rückverfolgung von verdächtigen Finanztransfers, so Lambrecht.
"Leichtfertige Geldwäsche" nicht mehr strafbar
Und weil man sich im BMJV gleichwohl Sorgen macht, wie man den neuen, uferlosen Straftatbestand zumindest ein bisschen einschränken kann, soll es an anderer Stelle eine Art Kompensation für den weiten Anwendungsbereich geben: Wegfallen soll die leichtfertige Geldwäsche. Bisher macht sich nach § 261 Absatz 5 StGB auch strafbar, wer leichtfertig nicht erkennt, dass der Gegenstand aus einer Katalogtat herrührt. "Infolge der erheblichen Ausweitung des Anwendungsbereichs des § 261 StGB soll jedoch an diesem Regelungskonzept nicht länger festgehalten werden, weil andernfalls der Tatbestand eine nahezu uferlose Anwendungsbreite erhielte", heißt es nun im BMJV-Referentenentwurf.
Während die Bundesjustizministerin ihr Gesetz selbst als "Paradigmenwechsel im deutschen Geldwäschestrafrecht" lobt, sprechen auch Strafrechtler, die sich schon seit Jahren mit dem Thema Geldwäsche in Theorie und Praxis befassen, von einem "Paradigmenwechsel", allerdings von einem ganz anderer Art: "Wenn man sich zur Vermeidung von Strafbarkeit stets fragen muss, ob ein Vertragspartner seine Schuld möglicherweise gerade mit Mitteln aus einer unbenannten trüben Quelle zahlt, droht ständiges Misstrauen in die Redlichkeit des anderen zur Compliance-Pflicht zu werden. Mit dem Bild einer liberalen Gesellschaft oder Marktwirtschaft erscheint mir dies nicht vereinbar", kritisiert etwa der Berliner Strafverteidiger und Mitglied im DAV-Strafrechtsausschuss, Stefan Conen, die Pläne Lambrechts.
Für den Strafverteidiger steht auch fest, dass auch der Verzicht auf die Strafbarkeit der "leichtfertigen Geldwäsche" nicht ausreiche, um den Anwendungsbereich des neuen § 261 StGB künftig zu beschränken. "Ohne einen Straftatenkatalog, auf den er sich bezieht, stellt der bedingte Vorsatz keine taugliche Tatbestandsbegrenzung da", so Conen zu LTO.
"Unübersehbare Anzahl von Strafverfahren" zu erwarten?
Kritik übt auch der Münchner Wirtschaftsstrafrechtler Prof. Dr. Frank Saliger: Das neue Gesetz werde die ohnehin überlastete Strafjustiz "mit einer unübersehbaren Anzahl von Strafverfahren" belasten und damit eine effektive Geldwäschebekämpfung nicht stärken, sondern schwächen.
Kritisch beurteilt auch der Kölner Fachanwalt für Strafrecht, Prof. Dr. Michael Tsambikakis, das Vorhaben: "Mir leuchtet es nicht ein, dass § 261 StGB in dieser Form erweitert werden soll, wenn schon die Wäsche inkriminierter Gelder aus schweren Straftaten nicht funktioniert. Letztlich wirkt es wie eine Kapitulation: Wenn wir es nicht schaffen, die Geldwäsche aus der Schwerkriminalität wirksam zu verfolgen, dann versuchen wir es halt bei der Kleinkriminalität", so der Anwalt. Das aber treffe letztlich die Falschen: "Man eröffnet ein Strafbarkeitsrisiko für den Gastronomen, der dem schwarz arbeitenden Handwerker von der Baustelle gegenüber ein Feierabendbier serviert; an den großen vorhandenen Problemen ändert sich dadurch nichts", so Tsambikakis.
"Immer schwierigere Compliance-Pflichten für Unternehmen"
Ähnlich sieht es auch Freshfields-Anwalt Dr. Daniel Travers. Der Fachanwalt für Strafrecht kritisiert im Gespräch mit LTO, dass künftig Geld aus weit verbreiteten Massendelikten erfasst würde: "Mit einem Federstrich vervielfacht der Gesetzgeber damit den Anteil des inkriminierten Geldes auf deutschen Bankkonten und im Wirtschaftskreislauf. Der Umgang mit Geld, das aus irgendeiner Straftat stammt, kann in Zukunft eine Straftat darstellen. Dadurch werden Banken, Händler und letztlich sämtliche Wirtschaftsakteure vor große Herausforderungen gestellt".
Travers kritisierte, dass der Gesetzgeber das Wirtschaftsleben immer engmaschiger mit Sanktionsvorschriften durchziehe und damit auch immer schwieriger zu erfüllende Compliance-Pflichten für Unternehmen schaffe: "Dahinter zurück bleiben allerdings die Maßnahmen des Staates, die Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung wirklich effektiv bekämpfen würden: Eine angemessene personelle Ausstattung der Behörden, die Finanztransaktionen untersuchen, eine vertrauensvolle und enge Zusammenarbeit der Behörden mit Finanzinstituten und promptes Feedback der Behörden an Banken in gemeldeten Geldwäscheverdachtsfällen."
BMJV geht über EU-Geldwäsche-Vorgaben weit hinaus
Was die Strafrechtler und Experten im Geldwäscherecht an Lambrechts neustem Strafrechtsprojekt besonders irritiert, ist auch der Umstand, dass ihr Gesetz zwar zum Ziel hat, die EU-Richtlinie 2018/1673 des Europäischen Parlaments und des Rates über die strafrechtliche Bekämpfung der Geldwäsche umzusetzen, das Ministerium dabei aber mit voller Absicht deutlich über das Ziel hinausschießt.
Im Gesetzentwurf des BMJV heißt es dazu unmissverständlich: "Die vorgesehene Erstreckung auf alle Straftaten geht über die Bestimmungen der Richtlinie hinaus, die im Vergleich zum geltenden Recht lediglich die Einbeziehung einer Reihe weiterer Delikte als Geldwäschevortaten fordert."
Rechtsanwalt und Compliance-Experte Dr. Mathias Priewer von der Kanzlei Hengeler Mueller sieht diesen Sonderweg gegenüber LTO kritisch: "Da mit der Neuregelung die europäischen und internationalen Mindestvorgaben überboten werden sollen, ist zumindest die Gefahr einer Rechtszersplitterung angelegt, welche nicht nur internationale Wirtschaftsakteure, sondern auch die internationale Zusammenarbeit in Strafsachen belasten würde."
Auch Tsambikakis rät ab: "Es ist wenig hilfreich über EU-Vorgaben hinauszugehen, wenn man bislang schon daran gescheitert ist, die bestehenden Vorgaben wirksam umzusetzen."
Trotz Ausweitung der Strafbarkeit: Wenig Verurteilungen
Der Deutsche Richterbund (DRB), der Richter und Staatsanwälte vertritt, begrüßt die geplante Neuregelung dagegen. Die Rechtslage werde damit klarer. Allerdings warnt auch der DRB vor einer Überlastung der Justiz: "Die geplante Ausweitung der Geldwäschestrafbarkeit dürfte zu einem deutlichen Zuwachs von Strafverfahren bei den Staatsanwaltschaften und den Amtsgerichten führen", so DRB-Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn. Das angestrebte schärfere Vorgehen gegen Geldwäsche könne nur Erfolg haben, wenn die Länder die zuständigen Ermittler und Strafgerichte erheblich verstärken. "Die Strafjustiz arbeitet schon heute am Limit, daran hat der Rechtsstaatspakt von Bund und Ländern bisher wenig geändert. Für neue Aufgaben ist ohne zusätzliches Personal kein Raum", so Rebehn.
Ob Lambrecht das Gesetz noch einmal nachbessern wird, wird sich Laufe des Gesetzgebungsverfahrens zeigen. Bis Anfang September dürfen Verbände zum neuen § 261 StGB Stellung nehmen. In einem anschließenden parlamentarischen Verfahren dürfte es dann eine breite Sachverständigenanhörung geben.
Spätestens dann wird es auch auf ein paar wichtige Statistiken ankommen, auf die etwa der Wirtschaftsstrafrechtler Prof. Dr. Kai Bussmann von der Universität Halle hinweist: So hätten sich die kontinuierlichen Anstrengungen des Gesetzgebers in der Ausweitung des Straftatbestandes der Geldwäsche bislang als wenig "erfolgsträchtig" erwiesen.
Zwar sei die Anzahl der jährlichen Verdachtsmeldungen durch die nach dem Geldwäschegesetz Verpflichteten von 2014 bis 2018 von rund 26.000 auf 77.000 angestiegen – ohne dass dabei jedoch ein entsprechender Effekt bei der Anzahl der jährlichen Aburteilungen wegen Geldwäsche eingetreten sei: Diese schwanke kontinuierlich um 1.000 Aburteilungen pro Jahr. "Hieran dürfte sich auch durch einen all-crime-Approach, wie er im Referentenentwurf umgesetzt wird, kaum etwas ändern," glaubt Bussmann.
BMJV will Geldwäsche-Tatbestand massiv ausweiten: . In: Legal Tribune Online, 19.08.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/42531 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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