Im Streit des FC Bayern München mit dem niederländischen Fußballverband um Spielerausfälle stehen die Zeichen auf Konfrontation. Sollte die Gegenseite bis Monatsende nicht einlenken, wollen Rummenigge und Co. vor den Kadi ziehen. Im Gespräch mit LTO erläutert Prof. Dr. Jens Adolphsen, was der Verein juristisch tun kann und welche Rolle die Schwächen im FIFA-Reglement spielen.
TO: Herr Professor Adolphsen, der FC Bayern München hat derzeit Ärger mit dem niederländischen Fußballverband KNVB wegen zweier Bundesliga-Spieler, zum einen Arjen Robben und ganz aktuell Mark van Bommel. Die Spieler wurden bei Spielen der niederländischen Nationalmannschaft eingesetzt, obwohl zuvor Verletzungen festgestellt worden waren.
Karl-Heinz Rumenigge hat nun in beiden Fällen rechtliche Schritte angedroht. Dabei geht es um einen möglichen Rechtstreit mit internationalem Bezug. Wo kann beziehungsweise muss der FC Bayern München denn in diesem Fall klagen?
Adolphsen: Der Verein kann vor einem ordentlichen Zivilgericht klagen, das schließen weder der internationale noch der sportrechtliche Bezug aus. Bei einer entsprechenden Schiedsgerichtsvereinbarung ist auch eine Klage vor einem Sportgericht möglich. Das wäre in diesem Fall wohl der Court of Arbritration for Sport (CAS) in Lausanne.
Nach meinen Informationen liegt hier aber eine solche Vereinbarung zwischen dem FC Bayern München und dem KNVB nicht vor und es ist wohl auch eine nachträgliche entsprechende Einigung nicht geplant.
LTO: In einem Rechtsstreit ginge es um die Frage des Schadensersatzes. Dazu müsste der FC Bayern München darlegen und beweisen können, dass etwa Robben so schwer verletzt war, dass er bei der Fußball-WM nicht hätte spielen dürfen. Wie ist ihre Einschätzung, werden die Bayern das schaffen?
"Vereine können fehlende Einsatzmöglichkeit kaum nachweisen"
Adolphsen: Hier liegt meines Erachtens das zentrale Problem: Natürlich gibt es nach den FIFA-Statuten eine generelle Abstellungspflicht der Vereine. Allerdings kann es wie im Fall Robben zum Konflikt kommen, wenn ein Spieler aus nationalen Interessen eingesetzt wird, obwohl er eigentlich nicht einsatzfähig ist.
Für den abstellenden Verein ist es im Nachhinein nur sehr schwer beziehungsweise fast unmöglich, nachzuweisen, dass diese Einsatzfähigkeit nicht bestand. Praktisch kann er sich dabei fast nur auf Gerüchte beziehen.
LTO: Wie könnte dieses Problem gelöst werden?
Adolphsen: Die FIFA-Statute müssten den Fall möglicher Schäden bei der Abstellung eines Spielers deutlich besser regeln, etwa durch die Einführung einer Beweislastumkehr. Dann müsste der Verband, der den Spieler eingesetzt hat, nachweisen, dass der Spieler doch einsatzfähig war.
Dafür müssten dann aber auch die entsprechenden rechtlichen Rahmenbedingungen wie umfassende Einsichtsrechte geschaffen werden. In diesem Bereich sind die Regelungen meines Erachtens derzeit völlig unzureichend. Zumindest müsste die FIFA, wenn sie nichts ändert oder ändern will, für etwaige Schäden eine vernünftige Versicherungslösung bereithalten.
LTO: Welche Schäden kommen denn hier in Betracht und wie könnte das Gericht einen entsprechenden Anspruch ermitteln?
"Schäden sind schwer zu beziffern"
Adolphsen: Es geht ja nicht nur um Lohnfortzahlung oder einen entgangenen Gewinn. Vor allem müsste die Einsatzmöglichkeit des Spielers für ein wichtiges Spiel des Vereins bezifferbar sein. Das ist schwierig und würde im Grunde eine Prognose über den Spielverlauf voraussetzen.
LTO: Wie bewerten Sie also generell die Erfolgschancen einer Klage des FC Bayern München?
Adolphsen: Es wird zumindest nicht leicht für die Bayern werden, gerade wegen der genannten Probleme der Nachweises der fehlenden Einsatzfähigkeit der Spieler und der Bezifferung der Schäden.
LTO: Herr Professor Adolphsen, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.
Prof. Dr. Jens Adolphsen ist Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches, nationales und internationales Zivilverfahrensrecht und Sportrecht der Justus-Liebig-Universität Gießen. Er ist u.a. Mitglied in zahlreichen Rechtskommissionen im nationalen und internationalen Sport und war Mitglied der Rechtskommission gegen Doping im Sport zur Erarbeitung eines staatlichen Antidoping-Gesetzes des DSB und des NOK Deutschland.
Das Interview führte Steffen Heidt.
Fußballspielerausfälle: . In: Legal Tribune Online, 14.10.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/1725 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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