Verschobene Spiele, bestochene Schiedsrichter, korrupte Spieler - der Fußball-Wettskandal betrifft allein in Deutschland 17 Partien von U-19 bis DFB-Pokal. Fans, Medien und andere Vereine fühlen sich betrogen. Strafbar aber ist nicht deren Gefühl, um den ehrlichen Fußballkampf betrogen worden zu sein. Christian Schmitt über die juristischen Konsequenzen für die Wettmafia.
Der erste Prozess vor dem Bochumer Landgericht (LG) betrifft den bisher größten Skandal des europäischen Fußballs. Insgesamt geht es um die Manipulation von 32 Spielen in Deutschland, Belgien, Ungarn, Kroatien und der Schweiz. Den vier Angeklagten droht die Verurteilung zu jahrelangen Haftstrafen.
In dem Verfahren geht es um 17 Partien aus Deutschland, die die Angeklagten manipuliert haben sollen: ein Spiel aus dem DFB-Pokal, zwei aus der Zweiten Bundesliga, neun aus den Regionalligen, drei aus den Oberligen sowie zwei U-19-Partien.
Nach Angaben der Bochumer Staatsanwaltschaft sind alles in allem rund zwei Millionen Euro auf die betroffenen Spielpaarungen gesetzt worden, die Gewinne sollen sich auf knapp 1,6 Millionen Euro belaufen. Dabei sollen die Angeklagten nicht nur auf Sieg oder Niederlage und Torverhältnisse getippt haben, sondern auch auf rote Karten und späte Tore.
So kann man sich täuschen: Die geprellten Wettanbieter
Fans sind empört, Medien fragen nach dem Niedergang des europäischen Fußballs. In rechtlicher Hinsicht aber hat das LG über die Frage zu entscheiden, ob die Angeklagten sich wegen Betrugs gemäß § 263 Strafgesetzbuch (StGB) strafbar gemacht haben.
Und im vermögensstrafrechtlichen Sinne betrogen worden wären, wenn sich die Vorwürfe bestätigten, nicht die Fans, andere Vereine oder Spieler, sondern die Wettanbieter, bei denen die jeweiligen Wetten abgeschlossen wurden.
In der Abgabe der Wettscheine liegt die stillschweigende Erklärung, dass der Wettende Verlauf und Ausgang der Partie, auf die er setzt, nicht kennt und nicht an einer Manipulation des Wettgegenstandes beteiligt ist.
Täuschung und Schaden des Wettanbieters
Mit dieser Erklärung wird der Wettanbieter getäuscht und unterliegt einem entsprechenden Irrtum, aufgrund dessen er die jeweiligen Wettverträge über den Ausgang der manipulierten Spielpaarungen abschließt. Hierin ist die für den objektiven Tatbestand des § 263 Abs. 1 StGB erforderliche Vermögensverfügung zu sehen.
Durch diese täuschungsbedingte Vermögensverfügung entsteht dem Wettanbieter auch ein Schaden. Dieser tritt bereits mit Abschluss des Wettver-trages ein, nicht etwa erst mit der Auszahlung des Wettgewinns auf das manipulierte Spiel. Es handelt sich also um einen Fall des so genannten Eingehungsbetrugs.
Entscheidend ist insoweit auch nicht, ob sich die veranlassten Manipulationen kausal im Spielergebnis oder zumindest entscheidend im Spielverlauf niedergeschlagen haben. Es genügt, dass der Wettanbieter täuschungsbedingt Wettverträge abgeschlossen hat, die er bei Kenntnis der beabsichtig-ten Manipulationen nicht abgeschlossen hätte.
Sollten sich die Tatvorwüfe bestätigen, wären die Angeklagten also strafbar wegen Betrugs zum Nachteil der jeweiligen Wettanbieter (vgl. BGH, Urt. v. 15.12.2006, Az. 5 StR 181/06).
Lange Haftstrafen und Schadenersatzforderungen
Der Fall vor dem Landgericht Bochum erinnert stark an den Wettskandal um DFB-Schiedsrichter Robert Hoyzer. Dessen Verurteilung zu zwei Jahren und fünf Monaten Haft hatte der BGH in der Revision bestätigt (Urt. v. 15.12.2006, Az. 5 StR 181/06).
Und auch in das hiesige Verfahren vor dem Landgericht Bochum ist der alte Bekannte Ante S. verwickelt, der bereits im Fall Hoyzer als Drahtzieher galt und seinerseits zu zwei Jahren und elf Monaten Haft verurteilt worden war. Im Rahmen der neuen Ermittlungen wurde er 2009 erneut inhaftiert.
Mit Blick auf den Hoyzer-Prozess und die dort ausgesprochenen Strafen müssen auch die hier Angeklagten mit langjähriger Haft rechnen.
Schließlich drohen den Angeklagten auch zivilrechtliche Konsequenzen. So hat im Fall Hoyzer die Deutsche Klassenlotterie Berlin als geprellter Wettanbieter die Beteiligten erfolgreich auf Schadenersatz in Millionenhöhe in in Anspruch genommen.
Wetten, dass es spannend bleibt
Der Ausgang des Verfahrens vor dem LG Bochum dürfte allerdings offen sein. Letztlich wird eine Verurteilung entscheidend davon abhängen, welche Beweismittel die Staatsanwaltschaft beibringen kann.
Einer der Angeklagten ist geständig und fungiert nach Angaben seines Verteidigers quasi als "Kronzeuge" in dem Prozess. Ob und inwieweit auch die anderen Angeklagten geständig sind, bleibt abzuwarten.
Der Verfahrensverlauf wird auch zeigen, was die Staatsanwaltschaft daneben an Zeugen und anderen Beweismitteln präsentiert. Es bleibt also spannend – wetten?!
Der Autor Christian Schmitt ist Rechtsanwalt bei CBH-Rechtsanwälte Köln. Sein Schwerpunkt liegt im Bereich des Glücksspielrechts, er ist Verfasser u.a. der strafrechtlichen Kommentierung des Kommentars zum Glücksspielrecht von Dietlein/Hecker/Ruttig.
Fußball-Wettskandal: . In: Legal Tribune Online, 06.10.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/1648 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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