Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat auch Folgen für den Fußball: Die FIFA und die UEFA haben alle russischen Teams suspendiert. Doch sind die Suspendierungen rechtmäßig? Von Thomas Funck und Niko Haug.
Anfang der Woche verkündeten der Weltfußballverband (FIFA) und der europäische Fußballverband (UEFA) in einer gemeinsamen Erklärung den Ausschluss aller russischen Teams aus FIFA- und UEFA-Wettbewerben. Kurzfristig besonders betroffen sind von der Entscheidung die russische Nationalmannschaft, die Ende März in den WM-Playoffs angetreten wäre, sowie RB Leipzigs Achtelfinalgegner in der Europa League, Spartak Moskau. Wenig überraschenderweise haben die Betroffenen die Suspendierungen scharf kritisiert.
Nach Ansicht des russischen Fußballverbandes (RFS) ist die Entscheidung „eindeutig diskriminierend“. Aktionen dieser Art seien „extrem spaltend für die internationale Sportgemeinschaft, die bisher immer an den Grundsätzen der Gleichheit, des gegenseitigen Respekts und der Unabhängigkeit von der Politik festgehalten“ habe. Nach Auffassung von Spartak Moskau sollte der Sport selbst in den schwierigsten Zeiten „Brücken bauen und nicht niederreißen“.
Politisch war die Entscheidung insbesondere für die FIFA alternativlos. Wie sonst hätte sie mit der entschlossenen Weigerung der Fußballverbände aus Polen, Schweden und Tschechien, in den WM-Playoffs gegen die „Sbornaja“ anzutreten, umgehen sollen?
Rechtlich stehen die Suspendierungen jedoch auf wackeligen Beinen.
Rechtsgrundlagen: Verbandsstatuten und schweizerisches Vereinsrecht
Ob der RFS gegen die Entscheidung von FIFA und UEFA gerichtlich vorgehen wird, ist noch nicht sicher, jedoch behält er sich dies laut Pressemitteilung vor. Aufgrund der geltenden Schiedsklauseln (Art. 57 ff. FIFA-Statuten, Art. 61 ff. UEFA-Statuten) müsste der RFS vor den internationalen Sportgerichtshof CAS ziehen.
Sowohl die FIFA als auch die UEFA sind als eingetragene Vereine nach schweizerischem Recht (Art. 60 ff. Schweizerisches Zivilgesetzbuch (ZGB)) organisiert. Die Rechtmäßigkeit der Suspendierungen ist daher primär nach schweizerischem Vereinsrecht zu beurteilen.
Das Vereinsrecht der Schweiz ordnet die Suspendierung eines Verbandsmitgliedes als sog. Vereinsstrafe ein. Für die Verhängung von Vereinsstrafen ist unter anderem eine rechtmäßige statutarische Grundlage erforderlich, damit die Mitglieder wissen, was ihnen bei einer Pflichtverletzung droht.
Unterschiedlich hohe Hürden für eine Suspendierung
Die Suspendierung eines Mitgliedsverbands durch die FIFA regelt Art. 16 FIFA-Statuten. Danach kann neben dem FIFA-Kongress auch der FIFA-Rat eine Suspendierung anordnen. Für die Suspendierung durch den Rat ist jedoch nach Art. 16 Abs. 1 S. 2 FIFA-Statuten erforderlich, dass der suspendierte Mitgliedsverband „die Mitgliedschaftspflichten schwer verletzt“. Eine vom Kongress oder Rat verfügte Suspendierung muss beim nächsten Kongress durch eine Dreiviertelmehrheit der Mitgliedsverbände bestätigt werden (Art. 16 Abs. 2 S. 2 FIFA-Statuten). Anders als bei der vorläufigen Suspendierung durch den Rat ist für die Suspendierung durch den Kongress, der dieses Jahr am 31. März in Katar stattfindet, keine materielle Voraussetzung wie die Verletzung einer Mitgliedschaftspflicht erforderlich.
Eine ähnliche Regelung findet sich bei der UEFA. Nach Art. 9 Abs. 1 UEFA-Statuten darf das UEFA-Exekutivkomitee einen Mitgliedsverband suspendieren, wenn dieser „Statuten, Reglemente oder Beschlüsse der UEFA schwer“ verletzt. Die Suspendierung durch das Exekutivkomitee gilt nur bis zum nächsten UEFA-Kongress (Art. 9 Abs. 2 UEFA-Statuten), welcher in diesem Jahr am 11. Mai in Wien tagt.
Dort kann unter anderem eine Weiterführung der Suspendierung beschlossen werden. Art. 9 Abs. 2 UEFA-Statuten setzt zwar eine vorangegangene Suspendierung durch das Exekutivkomitee aufgrund einer schwerwiegenden Verletzung des Verbandsrechts voraus, stellt aber selbst keine vergleichbaren Anforderungen an die Suspendierung durch den Kongress, welche mit einer einfachen Mehrheit beschlossen werden kann (Art. 18 Abs. 4 S. 1 UEFA-Statuten).
Den Frieden hat Russland gebrochen, nicht der Fußball
Die Suspendierungen Russlands wurden jüngst durch den FIFA-Rat bzw. das UEFA-Exekutivkomitee angeordnet. Damit diese Bestand haben können, braucht es damit eine schwere Verletzung der Mitgliedschaftspflichten bzw. des Verbandsrechts. Zwar enthalten die Statuten der internationalen Fußballverbände unter anderem das Ziel der „Förderung des Fussballs in Europa im Geiste des Friedens, der Verständigung und des Fairplay, ohne Diskriminierung […]“ (Art. 2 lit. b UEFA-Statuten) sowie eine Bekennung zu den Menschenrechten (Art. 3 FIFA-Statuten). Der RFS ist als Mitgliedsverband auch dazu verpflichtet, die Statuten einzuhalten.Doch weder der RFS noch dessen Mitglieder haben den Frieden gebrochen oder Menschenrechte verletzt – die Verantwortung hierfür trägt der russische Staat. Zwar repräsentiert der RFS Russland in der Welt des Fußballs. Doch reicht allein diese Stellung für die Begründung einer Verletzung der Mitgliedschaftspflichten aus?
Als weiterer Anknüpfungspunkt kommt in Betracht, dass der RFS sich nicht ausdrücklich vom Handeln Russlands distanziert und das kriegerische Vorgehen verurteilt hat. Ein entsprechendes Vorgehen könnte die handelnden Akteure jedoch in Lebensgefahr bringen. Kann das verlangt werden, um eine Verletzung der Mitgliedschaftspflichten zu verhindern? Ob die Voraussetzungen für eine Suspendierung durch den FIFA-Rat bzw. das UEFA-Exekutivkomitee gegeben sind, erscheint somit zumindest fraglich.
Anders liegt die Situation bei einer Suspendierung durch den FIFA- bzw. UEFA-Kongress, da die jeweiligen Statuten hierfür keine materiell-rechtlichen Voraussetzungen vorsehen, sondern nur die Erfüllung bestimmter Quoren fordern. Doch kann es wirkliche eine Suspendierung ohne Voraussetzungen geben?
Hier hilft ein Vergleich: Der Schlüssel für die Frage nach der Rechtmäßigkeit liegt in der Nähe, welche die Suspendierung zu der schärfsten aller Vereinsstrafen – dem Ausschluss – aufweist. Gem. Art. 72 Abs. 1 ZGB können die Statuten eines Vereins einen Mitgliederausschluss ohne Angabe von Gründen – und damit auch ohne materiell-rechtliche Voraussetzungen – gestatten.
Diese Freiheit bedarf jedoch bei Monopolverbänden wie den internationalen Fußballverbänden einer Einschränkung, um die berechtigten Interessen der auf eine Mitgliedschaft Angewiesenen zu schützen. Nach der Rechtsprechung des schweizerischen Bundesgerichts ist in solchen Fällen daher ein wichtiger Grund für den Ausschluss erforderlich.
Der russische Angriffskrieg als wichtiger Grund?
Für die Beantwortung dieser Frage ist das Telos von Art. 72 Abs. 1 ZGB entscheidend, der dem Schutz der Verbandsautonomie (Art. 23 Bundesverfassung Schweiz) dient. Zur Erreichung dieses Zwecks ist nicht nur die Sanktionierung pflichtwidrig handelnder Verbandsmitglieder erforderlich, sondern auch der Ausschluss – bzw. die Suspendierung – von Mitgliedern, die grundlegend andere Werte vertreten oder repräsentieren als die anderen Verbandsmitglieder und der Verband selbst. Nur auf diese Weise kann der Verband sicherstellen, dass seine Verbandsziele – die Grundlage für den Zusammenschluss sind – gefördert werden und er sein Ansehen nicht verliert.
Dabei dürfen keine zu engen Grenzen angelegt werden. Der Sport soll zur Völkerverständigung beitragen und Menschen verschiedener Herkunft, Religion oder Abstammung zusammenbringen. Auch unterschiedliche politische Ansichten stehen nach den Grundwerten des Sports einer gemeinsamen Sportausübung nicht entgegen. Doch es gibt Grenzen. Diese werden bei inneren Angelegenheiten eines Landes häufig nicht erreicht, da zu große Unterschiede zwischen den Ländern dieser Welt bestehen, beispielsweise bezüglich Demokratie- und Menschenrechtsstandards, und der Sport ansonsten seine völkerverbindende Funktion kaum erfüllen könnte.
Doch spätestens wenn ein Land einen Angriffskrieg beginnt, verschließt es sich einer Verständigung mit anderen Völkern und nimmt dem Sport jede Möglichkeit, Brücken zu bauen. Auch wenn der RFS und die russischen Klubs nicht an den kriegerischen Handlungen beteiligt sind oder diese billigen, repräsentieren sie doch Russland, dessen Angriffskrieg gegen die Ukraine mit den Grundwerten des Sports unvereinbar ist.
Somit ist ein wichtiger Grund für die Suspendierungen gegeben. Die Mitgliederversammlungen von FIFA und UEFA können somit Rechtssicherheit schaffen, was die jüngsten Suspendierungen angeht, indem sie diese bestätigen.
Die Autoren Thomas Funck, Wirtschaftsjurist (Univ. Bayreuth) und Niko Haug, Mag. iur. (Univ. Heidelberg) sind Wiss. Mitarbeiter am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Handels- und Wirtschaftsrecht, Rechtsvergleichung und Sportrecht (Prof. Dr. Peter W. Heermann) an der Universität Bayreuth
FIFA und UEFA suspendieren russische Teams: . In: Legal Tribune Online, 03.03.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/47713 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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