Auf der Überholspur in die Ferien – und in die Strafbarkeit? Machen sich Flughafenbetreiber, Airlines und Passagiere durch Nutzung von Fast Lanes strafbar? Nein, meinen Sebastian Wollschläger und Mark A. Zöller.
Gerade noch rechtzeitig vor Beginn der Sommerferien hat das Oberlandesgericht (OLG) Köln seine Entscheidung getroffen. Die gute Nachricht vorab: Auch First- oder Business-Class-Passagiere können beruhigt von deutschen Flughäfen in den Urlaub fliegen, ohne befürchten zu müssen, bei ihrer Rückkehr von der Polizei empfangen zu werden. Denn seit einiger Zeit wird diskutiert, ob der Betrieb und die Nutzung sogenannter Fast Lanes an deutschen Verkehrsflughäfen strafbare Korruption darstellen könnte. Unter Fast Lanes versteht man Angebote der Airlines, die Warteschlange vor den Sicherheitskontrollen umgehen zu können – gegen Aufpreis. Das OLG hat mit seiner Entscheidung der Strafbarkeit nun eine Absage erteilt, Urt. v. 11.06.2024, Az. 1 ORs 52/24.
Wie kommt man überhaupt darauf, dass Fast Lanes strafbar sein könnten? Die Befürworter einer "Beschleunigungskorruption" entwerfen folgendes Modell: Die Verantwortlichen der Airlines machen sich wegen Bestechung (§ 334 Strafgesetzbuch, StGB) strafbar, weil sie, gedeckt von einer entsprechenden (Unrechts-)Vereinbarung, Geldzahlungen an die Betreiber von Verkehrsflughäfen leisten. Im Gegenzug dafür ermöglichten die Flughafenbetreiber denjenigen Airline-Kunden, die z.B. als Passagiere der First oder Business Class ein höheres Entgelt zahlen, die Nutzung sog. Fast Lanes, um längere Wartezeiten vor der Sicherheitskontrolle zu vermeiden. Für die Flughafenbetreiber komme korrespondierend eine Strafbarkeit wegen Bestechlichkeit (§ 332 StGB) und für die Passagiere durch ihren angeblich "systemerhaltenden Beitrag" eine Beihilfestrafbarkeit in Betracht.
Flughafenbetreiber als Amtsträger?
Für diese gewagte juristische Konstruktion ist es unverzichtbar, die Entscheidungsträger über den Betrieb von Fast Lanes an Flughäfen als Amtsträger einzustufen. Zwar können Bestechlichkeit und Bestechung nach § 299 StGB auch im privatwirtschaftlichen Bereich sanktioniert werden. Dies gilt jedoch nicht in dem Fall einer Vorteilsgewährung an den Geschäftsinhaber, der hier in Form der Zahlungen an den Flughafen in Zusammenhang mit dem Betrieb der Fast Landes allein in Betracht käme.
Das OLG Köln hat nun in einem Strafverfahren gegen einen sog. Line Manager dessen Amtsträgerstellung im Ergebnis zu Recht verneint. Die Begründung hierfür kratzt aber nur an der Oberfläche. Sie beschränkt sich auf den Hinweis, dass die Organisation der Zuführung der Passagiere zu den Kontrollstellen vor dem eigentlichen Sicherheitsbereich, die einen möglichst reibungslosen Ablauf der Kontrollen ermöglichen soll, grundsätzlich zu den Aufgaben des (privaten) Flughafenbetreibers gehöre. Das ist zwar im Ergebnis richtig, schöpft die juristischen Fragestellungen aber nicht aus.
Für eine Amtsträgerstellung der Verantwortlichen des privatrechtlich organisierten Flughafenbetreibers wird vorgetragen, dass die Kontrolle von Gepäck und Fluggästen nach § 5 des Luftsicherheitsgesetzes (LuftSiG) eine hoheitliche Aufgabe für die Bundespolizei darstellte. Dies müsse dann auch für die Einrichtung, Organisation und den Betrieb der räumlich und zeitlich vorgelagerten Warteschlange (sog. Lining) gelten. Die Begründung hierfür bleibt jedoch außerordentlich vage. Sie geht lediglich von einem normativen Zusammenhang zwischen Warteschlagen- und Sicherheitskontrollbereich sowie einer nicht näher belegten faktischen Delegation des Zuführungsmanagements auf die Flughafenbetreiber aus. Zudem behalte sich die Bundespolizei in der Praxis ein faktisches Weisungsrecht für den Warteschlangenbereich vor. Dies alles spreche nach Ansicht der Befürworter einer Korruptionsstrafbarkeit dafür, dass die Flughäfen hierbei i.S. von § 11 Abs. 1 Nr. 2 c StGB Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen.
Aufgabenverteilung nach dem Luftsicherheitsgesetz
Diese auf nur den ersten Blick stringent wirkende Argumentation weist allerdings bei näherer Betrachtung deutliche Schwachstellen auf. Das LuftSiG dient dem Schutz vor Angriffen auf die Sicherheit des zivilen Luftverkehrs und trifft damit vorrangig gefahrenabwehrrechtliche Regelungen. Dabei werden die Aufgaben und Zuständigkeiten zwischen der Luftsicherheitsbehörde und dem Flugplatzbetreiber aufgeteilt. So ist etwa die Aufgabe der Personen- und Gepäckkontrolle nach § 5 LuftSiG i.V.m. § 4 BPolG von der Bundespolizei als Luftsicherheitsbehörde wahrzunehmen. Demgegenüber obliegt es nach § 8 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 LuftSiG dem privaten Betreiber des Flugplatzes, Flughafenanlagen, Bauwerke, Räume und Einrichtungen so zu erstellen, gestalten und unterhalten, dass auch die "Zuführung von Passagieren und Gepäck" ermöglicht wird. Eine inhaltliche Beschränkung auf einen bloßen baulich-technischen Bereich lässt sich weder dem Wortlaut noch der Ratio des Gesetzes entnehmen. Letztlich geht es hier um Eigen- und Qualitätssicherung des Flughafenbetriebs, die eben auch das Warteschlangenmanagement vor der Sicherheitskontrolle betrifft. Als Wirtschaftsunternehmen besitzen die Flughafenbetreiber als Hausrechtsinhaber ein natürliches Eigeninteresse daran, dass das Anstellen der Flugpassagiere geordnet abläuft und es nicht zu überfüllten Bereichen kommt. Darunter würden auch die z.B. Gastronomen und Einzelhändler auf vermieteten oder verpachteten Flächen und damit der Flughafenbetrieb als Ganzes leiden.
Wer zahlt, ist zuständig
Für eine Zuständigkeit der Flughafenbetreiber für das Warteschlangenmanagement spricht auch ein wirtschaftliches Argument: Nach § 8 Abs. 3 LuftSiG hat der Betreiber hierfür schlicht die Sach- und Personalkosten zu tragen, was ohne bestehende Verantwortlichkeit kaum nachvollziehbar wäre. Ein normativer Zusammenhang zwischen Warteschlangenmanagement und Sicherheitskontrolle dergestalt, dass beides sachlich untrennbar miteinander verbunden wäre, ist somit weder rechtlich noch praktisch vorgegeben. Sofern die Bundespolizei auch im Bereich des Lining ein Weisungsrecht für sich reklamiert, erklärt sich dies im Übrigen daraus, dass ihr nach § 1 Abs. 2 i.V.m. §§ 2, 4 BPolG und § 5 LuftSiG generell Gefahrenabwehraufgaben im Bereich von Grenzschutz und Luftsicherheit zustehen. Zur Abwehr solcher Gefahren kann sie daher auch im Warteschlangenbereich eingreifen.
Gegen die Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben spricht aber noch ein weiteres Argument: An den deutschen Verkehrsflughäfen wird – mit Ausnahme der bayerischen Verkehrsflughäfen – die hoheitliche Aufgabe der Kontrolle von Gepäck und Fluggästen durch Beleihung nach § 16a LuftSiG an private Sicherheitsdienstleister übertragen. Für das Warteschlangenmanagement hingegen fehlt eine solche ausdrückliche Beleihung der Flughafenbetreiber. Eine Bestellung zur Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben ist jedoch für die Annahme einer Amtsträgerstellung nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 c StGB unverzichtbar. Die hier ohnehin nicht gegebene faktische Delegation genügt schon deshalb nicht, weil Private nicht ohne Auftrag Teil der mittelbaren Staatsverwaltung werden können.
Keine Diskriminierung
Ungeachtet dessen steht auch der Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) – seine Anwendbarkeit einmal unterstellt – der Einrichtung von Fast Lanes nicht entgegen. Einem Flughafenbetreiber ist es hierdurch nicht verboten, die Warteschlangen vor der Sicherheitskontrolle so zu organisieren, dass First- und Business-Class-Passagieren ein prioritärer Zugang gewährt wird. Der allgemeine Gleichheitsgrundsatz gebietet es gerade nicht, jeden Fluggast in der Weise gleich zu behandeln, dass er streng der Reihe nach abgefertigt wird. Eine Ungleichbehandlung ist nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts vielmehr immer gerechtfertigt, wenn sich die Unterscheidung auf einen "vernünftigen oder sonstwie einleuchtenden Grund" zurückführen lässt. Für die Einrichtung von Fast Lanes vor der Sicherheitskontrolle gibt es aber solche vernünftigen Gründe wie z.B. eine verbesserte Steuerung der Kontrollkapazitäten und eine Bindung der Airlines als Kunden des Flughafens, die sich ein solches Angebot wünschen.
Und auch der Fluggast ohne First-Class-Ticket hat es in der Hand, sich auf die Sicherheitskontrolle einzustellen, ohne dass ihm eine hinreichend gravierende Einschränkung seiner Reisetätigkeit droht: An den meisten deutschen Flughäfen kann er ohne Aufpreis einen Timeslot für eine Kontrollspur buchen, die zu einer schnellen Abfertigung führt (z.B. "BER-Runway" oder "FRA-Smartway"). Er kann sich über aktuelle Wartezeiten informieren und seine Anreise darauf einstellen. Und falls die Zeit bis zum Abflug doch knapp werden sollte, wird ihm wohl kein Flughafenbetreiber bei Nachweis der Dringlichkeit einen schnelleren Zugang zur Sicherheitskontrolle verwehren. Auch bei nur für bestimmte Statuspassagiere ausgewiesenen Fast Lanes sind die Mitarbeiter intern stets angewiesen, bei ungleicher Auslastung der Warteschlangen den Zugang auch für andere Fluggäste zu öffnen. All dies spricht gegen eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG. Ohnehin ist bei der Einführung einer entgeltlichen Fast Lane die zugrundeliegende Entgeltordnung stets nach § 19b Abs. 1 Luftverkehrsgesetz (LuftVG) zu genehmigen. Dabei muss die Genehmigungsbehörde, im Regelfall das zuständige Verkehrsministerium, zumindest im Verhältnis zwischen Flughafen und Airline das "Gütesiegel" der Diskriminierungsfreiheit erteilen.
Einschlägige Rechtsprechung
Zwar weist die strafrechtliche Rechtsprechung bereits seit den 1950er Jahren durchgehend darauf hin, dass die Nichteinhaltung einer Bearbeitungsreihenfolge durch einen Amtsträger eine Dienstpflichtverletzung darstellen und damit den Anwendungsbereich der Korruptionsdelikte der §§ 332, 334 StGB eröffnen kann. Dies setzt aber zweierlei voraus: zum einen die Existenz eines Amtsträgers und zum anderen, dass dieser sich von unsachlichen Erwägungen leiten lässt und hiermit eine signifikante Benachteiligung anderer oder ein Verstoß gegen eine ausdrücklich vorgesehene Bearbeitungsreihenfolge verbunden ist. Für die Fast Lanes fehlt es an Beidem.
Dr. Sebastian Wollschläger ist Fachanwalt für Strafrecht und Steuerrecht sowie Partner der Kanzlei Gercke Wollschläger in Köln. Prof. Dr. Mark A. Zöller ist Inhaber des Lehrstuhls für Deutsches, Europäisches und Internationales Strafrecht und Strafprozessrecht, Wirtschaftsstrafrecht und das Recht der Digitalisierung sowie Geschäftsführer des Instituts für Digitalisierung und das Recht der Inneren Sicherheit (IDRIS) an der Ludwig-Maximilians-Universität München.
OLG zu Korruption an der Warteschlange: . In: Legal Tribune Online, 04.07.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/54919 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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