Wie nachhaltig shoppen wir eigentlich? Die EU-Kommission will die Ziele des Green Deals erreichen – und schlägt dazu ein Maßnahmenpaket mit Kennzeichnungspflichten vor. Astrid Luedtke erklärt die geplanten Maßnahmen.
Auf dem Weg zur Erreichung der Ziele ihres Green Deals hat die Europäische Kommission am 30. März 2022 ein umfangreiches Maßnahmenpaket vorgelegt. Mit dem Green Deal haben sich die Mitgliedstaaten verpflichtet, die Europäische Union (EU) bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent zu machen und die Emissionen bis 2030 um mindestens 55 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 zu senken. Einer der wichtigsten Bausteine dabei ist der Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft. Dieser verfolgt insbesondere das gerade in diesen Zeiten hochaktuelle Ziel, die Energie- und Ressourcenabhängigkeit zu verringern. Dazu soll vor allem die Nachhaltigkeit von Produkten gefördert werden.
Ob und wie nachhaltig ein Produkt ist, ist heute nicht immer leicht zu erkennen. Die EU-Kommission will deshalb nachhaltige Produkte zur Norm machen und erreichen, dass Verbraucherinnen und Verbraucher besser informiert und vor Greenwashing geschützt werden.
Kernstück des nun vorgelegten Maßnahmenpakets ist der Vorschlag einer Ökodesign-Verordnung für nachhaltige Produkte. Daneben legt die Kommission eine Strategie für nachhaltige und kreislauffähige Textilien und eine überarbeitete Bauprodukteverordnung vor. Ergänzt wird dies durch Vorschläge zur Aktualisierung der Verbrauchervorschriften.
Ökolabel auf (fast) alles
Beim Kauf neuer Waschmaschinen oder Kühlschränke lässt sich bereits jetzt guten Gewissens eine nachhaltige Entscheidung in puncto Energieverbrauch treffen. Mit ihrem Vorschlag für eine Ökodesign-Verordnung will die Kommission entsprechende Kennzeichnungen auch bei anderen Produkten wie etwa Textilien, Möbeln oder Bauprodukten verpflichtend machen. Nahezu alle Produkte auf dem EU-Markt sollen haltbarer werden und einfacher repariert, wiederverwendet oder recycelt werden können, denn das Design eines Produkts bestimmt bis zu 80 Prozent der Umweltauswirkungen während seines Lebenszyklus.
Der Vorschlag enthält auch Maßnahmen, um die Vernichtung unverkaufter Produkte zu verhindern. Zudem sollen alle unter die Verordnung fallenden Produkte digitale Produktpässe erhalten, um sie leichter reparieren, recyceln und bedenkliche Stoffe entlang der Lieferkette zurückverfolgen zu können.
Damit Verbraucher und Verbraucherinnen fundierte Kaufentscheidungen treffen können, sollen umfassende und klare Informationen über die Umweltauswirkungen eines Produkts wie seine Lebensdauer und seine Reparierbarkeit zur Pflicht werden. Setzten sich die Vorschläge durch, hieße das zum Beispiel für Smartphones, dass Händlerinnen und Händler künftig neben diesen Informationen sowie Angaben zum Energieverbrauch auch über die Bereitstellung von Softwareaktualisierungen aufklären müssen.
Über die Art und Weise der Bereitstellung sollen die Hersteller und Händler entscheiden können. Dies kann auf der Verpackung oder in der Produktbeschreibung auf der Website erfolgen.
Nur was wirklich "grün" ist, soll auch "grün" heißen dürfen
Das Paket der Kommission enthält außerdem einen Vorschlag für neue Vorschriften, die besser vor sogenanntem Greenwashing schützen sollen. Herstellern soll es untersagt werden, irreführende Angaben über ökologische und soziale Auswirkungen von Produkten oder deren Haltbarkeit bzw. Reparierbarkeit zu machen. Davon umfasst wären beispielsweise Aussagen zur Recycelbarkeit von Produkten.
Dazu soll die EU-Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken geändert werden. Diese enthält bereits jetzt bestimmte allgemeine Produkteigenschaften, über die Verbraucherinnen und Verbraucher nicht irregeführt werden dürfen. Dazu sollen zukünftig auch ausdrücklich umweltbezogene Eigenschaften gehören. Auch reine Absichtserklärungen zum Umweltschutz sollen nicht mehr zulässig sein, es sei denn das Unternehmen hat klare, objektive und überprüfbare Verpflichtungen zur Erreichung der ausgegebenen Ziele übernommen und sich einem unabhängigen Überwachungssystem unterworfen.
Die Liste grundsätzlich verbotener Geschäftspraktiken (die sogenannte "schwarze Liste") will die Kommission insofern ergänzen, als Angaben über Eigenschaften eines Produkts, die dessen Lebensdauer gezielt beschränken, nicht mehr verschwiegen werden dürfen. Das kann beispielsweise der Fall sein, wenn Software eingesetzt wird, die die Funktionalität nach einem bestimmten Zeitraum unterbindet oder mindert. Allgemeine Aussagen über Umwelteigenschaften, die nicht nachweisbar sind, etwa "umweltfreundlich", "öko" oder "grün", sollen ebenso verboten werden wie umweltbezogene Aussagen über das gesamte Produkt, wenn sie tatsächlich nur auf einen Teil zutreffen. Gleiches gilt für die Werbung mit freiwilligen Nachhaltigkeitssiegeln, die nicht von unabhängiger Stelle geprüft sind.
Gesetzliche Verankerung bereits bestehender Werbegrundsätze
Gänzlich neu sind die Anforderungen an umweltbezogene Werbung und die Unzulässigkeit von Greenwashing nicht. Schon heute ist in Deutschland im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), das die bestehenden europäischen Vorgaben umsetzt, die Unzulässigkeit irreführender Werbung geregelt. Allerdings enthält das Gesetz, anders als in anderen EU-Staaten, bislang keine expliziten Verbote bestimmter umweltbezogener Aussagen. Vielmehr haben es bislang die Gerichte übernommen, den rechtlichen Rahmen für umweltbezogene Werbeaussagen wie "bio", "umweltfreundlich", "schadstofffrei" oder auch "OceanBottle" zu konkretisieren.
Weil solche Aussagen eine besondere emotionale Wirkung und Werbekraft haben, stellen die Gerichte bereits jetzt strenge Anforderungen an ihre Zulässigkeit. Diese entsprechen im Wesentlichen den Vorgaben, die die EU-Kommission ihrem Vorschlag nach in Gesetzesform gießen will. So sind auch heute allgemeine und absolute Aussagen, ein Produkt sei "umweltfreundlich", "grün" oder "klimaneutral", dann unzulässig, wenn sie nicht belegt werden können. Erst kürzlich hat die Wettbewerbszentrale zwei Urteile dazu erstritten, dass die Werbung mit dem Begriff "klimaneutral" mit Aufklärungspflichten einhergeht (LG Konstanz, Urt. v. 19.11.2021, Az. 7 O 6/21 Kf, LG Kiel, Urt. v. 2.7.2021, Az. 14 HKO 99/20). Danach muss derjenige, der mit einem "klimaneutralen" Produkt wirbt, zugleich darüber aufklären, wie die Klimaneutralität erreicht wird – also ob durch eigene Maßnahmen wie Energieeinsparungen oder allein durch den Erwerb von CO2-Zertifikaten.
Werden die Vorschläge der Kommission umgesetzt, müssten solche Vorgaben nicht erst durch Gerichtsverfahren geklärt werden. Vielmehr wäre europaweit klagestellt, ob und wie mit umweltbezogenen Aussagen geworben werden darf.
Wichtiger Schritt für die Umsetzung des Green Deals
Das Maßnahmenpaket der EU-Kommission ist ein wichtiger Schritt für die Umsetzung des Green Deals. Hersteller werden ihre Produkte den Vorgaben der Ökodesign-Verordnung anpassen müssen. Zugleich bieten sich auch wirtschaftliche Innovationsmöglichkeiten. insbesondere in den Bereichen Wartung, Recycling und Reparatur. Hersteller und Händler können bereits jetzt darauf hinsteuern, in diese Bereiche zu investieren.
Verbraucher wiederum dürfen transparentere Informationen und eine bessere Unterstützung beim Wandel zu ganzheitlicher ökologischer Nachhaltigkeit erwarten. Vor Grünfärberei wären sie weitestgehend geschützt.. Auch für die Werbetreibenden hätten die geplanten Regelungen zur umweltbezogenen Werbung Vorteile. Die Vereinheitlichung der Anforderungen und Grenzen solcher Werbung bietet ein Mehr an Rechtssicherheit. Und das nicht nur national, sondern europaweit.
Bis es soweit ist, wird allerdings noch Zeit vergehen. Die Vorschläge der EU-Kommission werden zunächst zwischen den EU-Mitgliedstaaten und im EU-Parlament beraten. Danach schließt sich das Trilogverfahren an, bevor sie umgesetzt werden können.
Astrid Luedtke ist Salaried Partner bei Heuking Kühn Lüer Wojtek in Düsseldorf und spezialisiert auf Gewerblichen Rechtsschutz.
Umsetzung des Green Deals: . In: Legal Tribune Online, 05.04.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/48039 (abgerufen am: 21.11.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag